Gelsenkirchen

Ein Stück Familien- und Firmengeschichte

Gut erhalten: Werbeaufschrift auf einer Brandwand aus dem Jahr 1906 Foto: Gerd Kaemper

»Gutsitzende Anzüge & Überzieher kauft man am besten bei Alexander, Bahnhofstraße 83, 1 Minute vom Hauptbahnhof.« Auf weiß getünchter Backsteinwand sind die mannshohen schwarzen Lettern noch deutlich zu lesen. Seit mehr als 100 Jahren wirbt der Konfektionist Alexander für seine Ware. Doch lange war sie nicht zu sehen. Hier in der Horster Straße in Gelsenkirchen stand ein Haus, bei dessen Abriss man jetzt die Werbung aus dem Jahr 1906 wiedergefunden hat.

Die Reklame an der Hauswand ist wie eine Zeitreise in das Leben der Jahrhundertwende.

Wenn man diese gut erhaltene Reklame an der Hauswand sieht, ist es wie eine Zeitreise in das Leben der Jahrhundertwende. Die weitverzweigte Familie Alexander betrieb damals sehr erfolgreich Konfektionsgeschäfte, unter anderem in der Bahnhofstraße. Nach der Pogromnacht 1938 wurde die Familie Alexander enteignet und musste die Immobilien weit unter Wert verkaufen, so wie fast alle jüdischen Geschäftsinhaber. Die Familie emigrierte nach Amerika, wo heute noch Nachkommen der Alexanders leben.

Betten-Neuwald Judith Neuwald-Tasbach, Tochter des Besitzers des damaligen Bettengeschäftes Neuwald, Kurt Neuwald, und der Nachfahr Fred Alexander in New York haben nach dem Fund umgehend miteinander telefoniert. Die Eltern der beiden kannten sich sicher gut, der eine kaufte seine Oberbetten bei Betten Neuwald, der andere seine Anzüge beim Herrenausstatter Alexander.

»Diese Reklame weckt in mir Erinnerungen an Gelsenkirchen. Gute und schlechte«, sagt der gebürtige Gelsenkirchener im Videotelefonat. Er ist der Neffe der Firmeninhaber. Mit seinem Vater, dem Gelsenkirchener Arzt Hugo Alexander, war er in der Pogromnacht zum Kaufhaus seiner Onkel gelaufen. »Ich war damals zehn Jahre alt. Mein Vater wollte den Laden schützen, nachdem die Schaufenster zertrümmert worden waren.«

Kindertransport Fred Alexander konnte mit einem Kindertransport nach London ausreisen. Die Familie rettete sich 1939 nach Amerika. Aber ein Onkel, Arnold Alexander, ebenfalls Kaufmann, wurde in eine Außenstelle des Konzentrationslagers Auschwitz deportiert und dort wahrscheinlich ermordet. »Die Frauen der Familie wollten schon früher ausreisen«, erzählt der heute 91-jährige Neffe. »Aber die Männer fühlten sich noch sehr lange als Teil der Gesellschaft« und zögerten offenbar.

Inzwischen steht fest, dass diese sehr gut erhaltene Originalreklame erhalten bleiben soll. Sie werde konserviert und als Gedenkort gewürdigt. Im Treppenhaus des dort entstehenden Neubaus soll ein großflächiges Bild der Werbeaufschrift auf eine Wandfläche aufgetragen werden. Möglicherweise werde dort auch eine Informationstafel mit der Geschichte dieser Inschrift entstehen.

Es wird darüber hinaus überlegt, ob Glaselemente in das Treppenhaus integriert werden und an der Außenwand des Gebäudes eine Informationstafel angebracht wird. »Die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen ist glücklich, dass dieses Zeugnis eines jüdischen Geschäftes erhalten bleibt«, betont ihre Vorsitzende Judith Neuwald-Tasbach. ja

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