Porträt

»Ein besserer Lehrer sein«

»Wenn du unterrichtest, hilfst du einer Person dabei, sich selbst zu erschaffen«: Ran Levari Foto: Gregor Zielke

Porträt

»Ein besserer Lehrer sein«

Ran Levari ist Schlagzeuger und unterrichtet Schüler in Akban-Kampfkunst

von Robert Kalimullin  21.08.2018 09:30 Uhr

Von Beruf bin ich Musiker: Ich spiele Schlagzeug, daneben unterrichte ich Musik und komponiere elektronische Musik. Seit meiner Kindheit begleitet mich neben der Musik auch die Kampfkunst. Erst hier in Berlin hat sich mir die Möglichkeit geboten, Kampfkunst nicht nur aus Spaß, sondern ernsthafter zu unterrichten. Derzeit machen Musik und Kampfkunst jeweils etwa die Hälfte meiner Arbeit aus.

Geboren wurde ich 1974 in Jerusalem. Kurz darauf zog meine Familie nach Tel Aviv, wo ich seitdem lebte. Von 2000 bis 2004 habe ich in New York gewohnt – direkt vor und nach dem 11. September. Ich bin dann nach Israel zurückgegangen und vor rund dreieinhalb Jahren mit meiner Frau nach Berlin gekommen.

Heavy Metal Die Kampfkunst war mein eigener Entschluss – ich sah als Kind täglich Filme mit Bruce Lee und Karate Kid und musste einfach Teil des Ganzen werden. Musik war dagegen die Idee meiner Mutter. Als ich elf war, fand sie einen Flötenlehrer für mich. Der sagte meiner Mutter, ich hätte ein gutes musikalisches Gehör. Meine Mutter dachte sich: Er ist ein sehr schüchternes Kind, was wäre ein cooles Instrument für ihn? Und so fragte sie mich, ob ich Schlagzeug ausprobieren wolle.

Wir gingen zu einem Lehrer, und von dem Moment an, wo ich es berührte, war das Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste: Das ist es, was ich in meinem Leben machen werde. Von da an gingen Kampfkunst und Musik immer Hand in Hand. Für mich ergab es Sinn, dass eins das andere ergänzte. Zwei oder drei Jahre lang überlegte ich es mir anders und wollte Programmierer werden. Wäre ich damals dabeigeblieben, vor dem Internet, wäre ich heute vielleicht reicher. Aber ich bin froh über die Wahl, die ich getroffen habe.

Auf der Oberschule in Tel Aviv hatte ich eine Heavy-Metal-Band, und wir eröffneten damals bei einem Konzert die Show für eine andere, sehr bekannte Heavy-Metal-Band. Wir spielten nur vier Stücke, aber wir machten ganz schön Eindruck. Am Tag danach kam in der Schule ein Junge zu mir und fragte: Bist du in der Band, die gestern Abend gespielt hat? Das war mein erstes Konzert.

stil Musikalisch habe ich hart an mir gearbeitet und viele Jahre studiert, darunter in New York bei einigen sehr bekannten Lehrern. Ich habe in vielen Bands gespielt, habe viele verschiedene Stilrichtungen mitgemacht, von Heavy Metal über Rock, Punk und Hip-Hop bis hin zu elektronischer und traditioneller afrikanischer Musik – einer großen Liebe von mir.

Jede Musikrichtung führte mich in eine neue Phase. Während ich zunächst mehr relaxten Rock wie U2 und Dire Straits mochte, entwickelte ich einen Geschmack für das härtere Zeug. Von dort aus fand ich Bands, die Metal machten. Plötzlich kam ich in Kontakt mit Hip-Hop, von dort zu Funk, zu elektronischer Musik und später zu moderner Orchestermusik. Derzeit beschäftige ich mich mit Musik des Minimalismus und dessen Komponisten. Jeder Stil führt zum nächsten.

Ich vertiefe mich jedes Mal sehr stark in etwas – und wenn ich es verstehe, verlasse ich es. Als ich afrikanische Musik spielte, besaß ich weder Computer noch Smartphone. Mein ganzer Tag kreiste um Trommeln, Percussion, einfach das afrikanische Musikleben. Nach ein paar Jahren hatte ich das Gefühl, ich hatte daraus bekommen, was ich brauchte, ich kann weitergehen auf meiner Reise.

Das betrifft auch mein Umfeld: Wenn ich gehe, dann auch manchmal in eine andere Szene und eine komplett andere Gruppe Menschen. Die guten Freunde bleiben natürlich, aber die haben nichts mit Musik zu tun. Ich kann nicht mehr hören, was wir früher gemacht haben, es interessiert mich nicht mehr. Heavy Metal und Punkrock gefielen mir immer musikalisch. Der Lifestyle war für mich nie besonders attraktiv.

Mir gefiel wirklich die Musik. Das Musikerleben bringt viel Ungesundes mit sich – dass man auf Tour nicht ordentlich schläft, dass man in Klubs ist, die voller Rauch sind, dass man sich manchmal schlecht ernährt. An dieser Stelle hilft mir mein Kampftraining sehr, denn ich bin stark genug, nicht diesem Lifestyle zu verfallen. Natürlich ist es okay, hin und wieder zu feiern. Aber um ein ausgeglichenes Leben zu führen, lebe ich sehr gesund. Ich ernähre mich vegan und versuche, auf mich achtzugeben, das ist die Balance zwischen der Musik und der Kampfkunst.

zeit Ich war immer sehr neugierig auf die Tradition des Kampfsports: die traditionelle Kampfkunst, die Dinge, die von vor 1000 Jahren erhalten geblieben sind. Es fing damit an, dass mich speziell an Ninjutsu, was ich mache, faszinierte, Techniken zu praktizieren, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Und: Zu wissen, wie man mit Schwert, Stock, Kette und Messer kämpft, war für mich sehr romantisch. Romantisch im Sinne, wie man sich wünschen würde, während der Renaissance zu leben oder zur Zeit einer bestimmten, sehr bekannten Person.
Mit den Jahren kam der Wunsch dazu, einen effektiven Kampfstil zu beherrschen. Es ist schön und gut, die Vergangenheit wiederzubeleben, aber in einer konkreten Situation muss man wissen, wie man Dinge nutzen kann. So studierte ich auch einige härtere Stilarten von Kung-Fu und Kickboxen.

Jetzt habe ich ein Alter erreicht, wo ich zwar immer noch die Kunst liebe; ich will immer noch sicher sein und meine Nächsten beschützen, aber jetzt geht es mehr darum, ein Handwerk zu beherrschen, etwas wirklich gut zu machen, täglich besser und besser zu werden. Jetzt will ich ein besserer Lehrer werden, ich will gesünder werden. Ich will versuchen, mich mit jedem Jahr besser zu fühlen, mich mit jedem Jahr gesünder und stärker zu machen.

Die Kampfkunst, die ich seit zwölf Jahren praktiziere, nennt sich Akban und stammt aus Israel. Israel ist ein sehr wichtiger Ort für Ninjutsu, da der erste Nicht-Japaner, der selbst Trainer wurde, ein Israeli namens Doron Navon ist. Seine Schüler wurden selbst bekannte Trainer. Ich hatte die Möglichkeit, bei Doron Navon zu lernen, bevor er in den Ruhestand ging. Dann machte diese Kunst, angestoßen vom Meister in Japan, einen Wandel durch und wurde weicher, weniger aggressiv. Vielleicht steckte darin eine Weisheit, aber ich hatte das Gefühl, es war nicht ausgeglichen genug.

Ninjutsu Nachdem ich meinen Schwarzen Gürtel in Ninjutsu hatte, besuchte ich auf Anraten eines Freundes ein Training der Akban-Schule. Ich trainierte dort mit jemandem, der einen grünen Gürtel hatte. Danach schämte ich mich so für meinen schwarzen Gürtel, dass ich ihn ablegte und erneut bei Weiß begann. Ich arbeitete ungefähr zehn Jahre für meinen schwarzen Gürtel in Akban. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich ihn verdient habe.

Wir haben immer alles und uns selbst hinterfragt. Wir laden Trainer aus anderen Kampfkünsten ein. Ich habe kein Problem damit, zu sagen, dass ich mit einem schwarzen Gürtel in Akban in einer anderen Schule einen weißen Gürtel anlege und lerne. Ich mag diese Einstellung, immer ein Schüler zu sein. Sich nicht zu gut zu fühlen mit seinem erreichten Niveau.

Gerade arbeite ich an einem sehr interessanten Projekt, das meine beiden Leidenschaften vereint: In den vergangenen Monaten habe ich zum ersten Mal zwei Seminare gegeben, eines in Berlin, eines in Tel Aviv, zum Thema Rhythmus in den Kampfkünsten. In Tel Aviv waren es rund 50 Teilnehmer.

Ich hatte drei Schlagzeuger, Freunde, die für uns spielten: einen Konzert-Schlagzeuger, einen mit arabischen und einen anderen mit traditionellen japanischen Trommeln. Es war wunderschön. Sie spielten gemeinsam, und wir studierten den Rhythmus, der in der Bewegung liegt und wie er besser verstanden werden kann.

Gemeinde In Israel habe ich nur ein paar Freunde einmal wöchentlich unterrichtet und hauptsächlich gelernt und praktiziert. Hier in Berlin habe ich durch den Kontakt zur Jüdischen Gemeinde die Möglichkeit, mehr Leute jedes Alters zu unterrichten. Ich habe zunächst gezögert, die Verbindung zur Jüdischen Gemeinde einzugehen, denn ich wollte vermeiden, in ein anderes Land zu gehen und mich dort nur mit Juden und Israelis zu umgeben. Jetzt aber bin ich sehr glücklich damit.

Denn wichtiger als Kampfkunst sind mir die Menschen, die ich unterrichte, zu sehen, wie sie sich verändern. Wenn ich einen unsicheren Jungen sehe, der in einem Jahr zu einem meiner besten Schüler wird, dann macht es nichts, dass es immer noch Kinder gibt, die stärker sind als er.

Denn sogar mit seiner Angst kann er vor dem Gegner stehen – wobei ich meine Schüler ermutige, im täglichen Leben Kämpfen aus dem Weg zu gehen.

Wenn du unterrichtest, hilfst du einer Person dabei, sich selbst zu erschaffen. Und wenn du eine positive Veränderung bewirken kannst, ist das eine großartige Sache.

Aufgezeichnet von Robert Kalimullin

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