Deutsch-jüdisches Theater

Die Show geht weiter

Es war eine besondere Premiere: Als Anfang April im Deutsch-Jüdischen Theater (DJT) das Stück Benjamin – wohin? von Hermann Sinsheimer aufgeführt wurde, war es die erste Premiere nach dem überraschenden Tod des DJT-Gründers und Intendanten Dan Lahav im Dezember 2016.

Die Proben dazu verliefen rasant – violette Vorhänge geben den Blick frei auf eine kleine, mit grauem Teppich bespannte Bühne. Darauf stehen ein windschiefer Zaun, von dessen Latten die Farbe abblättert, zwei dürre Bäume und die beiden Schauspielerinnen Alexandra Julius Frölich und Rea Andrea Kurmann, die in wahnwitzigem Tempo durch verschiedene Rollen und Requisiten wechseln.

ortswechsel Lange Zeit war nicht klar, wie es für das Haus weitergehen würde. 2001 hatte Lahav seine »Bimah« (hebräisch für »Bühne«) eröffnet: als erstes deutsch-jüdisches Theater in Berlin seit der Schoa. Einen »Ort der Toleranz und Freundschaft« wollte der Israeli schaffen.

Doch die Bühne hatte es nie leicht. Zunächst gastierte sie im Theater Coupé des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf, dann in Neukölln, später im Admiralspalast und schließlich in der Meinekestraße nahe dem Kurfürstendamm, wo sich das Haus als »Theater Größenwahn« einen Namen machte.

Dass die Bühne die vielen Ortswechsel überdauerte, war nicht zuletzt der eigensinnigen Leidenschaft ihres Gründers zu verdanken. »Nach Dans Tod mussten wir wegen der hohen Miete zumachen«, erinnert sich Alexandra Julius Frölich, die auch die künstlerische Leitung des DJT innehat. Endlich kam das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf zu Hilfe und bot sein Theater Coupé an – das DJT kehrte so zumindest räumlich zu seinen Anfängen zurück.

relevanz Inhaltlich sieht sich das Team allerdings ganz dem Erbe Lahavs verpflichtet. »Wir begreifen uns in seiner Tradition«, sagt Frölich, »und spielen auch sein Repertoire weiter.« Dazu gehören etwa Stücke von Kurt Tucholsky und Ephraim-Kishon-Lesungen ebenso wie die »Shabat Shalom!«-Abende oder die interreligiöse Jugendaufführung Shalom – Salam: wohin?. Daneben sollen durch junge israelische Arbeiten und Stücke mittlerweile vergessener Autoren neue Akzente gesetzt werden. In letztere Kategorie fällt auch Benjamin – wohin?

Die humorvolle Dramatisierung einer Novelle von Hermann Sinsheimer, die am 15. Dezember 1938 ihre Uraufführung feierte, handelt von den beiden Schnorrern Benjamin und Senderl, die ihr Schtetl verlassen, um die Welt zu entdecken. Sie passt zur Ausrichtung des Theaters.

»Wir wollen weiterhin gut unterhalten, aber auch politischer werden«, beschreibt Frölich. So finden sich im Text Anspielungen auf die Flüchtlingsdebatte oder die Situation von Obdachlosen. »Das Historische im Stück hat noch heute Relevanz«, sagt Rea Andrea Kurmann dazu, die den Benjamin spielt. Wie viele der Bühnenmitglieder hat sie schon bei früheren Aufführungen mitgewirkt. »Dan hatte immer ein glückliches Händchen für Teams«, sagt Frölich.

herzblut Neben viel Herzblut stecke jede Menge ehrenamtlicher Arbeit im Theaterbetrieb. Dieses Engagement der Mitarbeiter ist auch darin begründet, dass das DJT für sie mehr ist als ein normales Theater. »Wir können auf das Deutsch-Jüdische Theater nicht verzichten«, sagt etwa Schauspieler Joachim Kelsch dazu.

»So viel von der jüdischen Kultur ist vernichtet worden.« Das, was glücklicherweise erhalten blieb, müsse gezeigt werden. »Gerade heute sollten wir das Jüdische pflegen«, ergänzt Frölich. Umso wichtiger ist der künstlerischen Leiterin, dass es künftig gelingt, mit dem Programm auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.

Sie ist sicher, dass Dan Lahav mit all dem einverstanden wäre. »In der Nacht vor seiner Operation rief er mich an«, erinnert sie sich. Der kranke Bühnenchef habe noch eine Bitte gehabt: »Macht das Theater weiter!«

Infos unter www.djthe.de

Die nächsten Vorstellungen von »Benjamin – wohin?« finden am 14. und 15. Juni statt.

München

Das Schweigen brechen

Stephan Lebert und Louis Lewitan stellten ihr neues Buch »Der blinde Fleck« über ein deutsches Tabu und seine Folgen vor

von Helen Richter  03.07.2025

Sport

Fit mit Makkabi

Schmerzt der Rücken? Fehlt die Kraft? Wir haben vier Übungen für alle, die fit im Alltag werden wollen. Gezeigt hat sie uns Noah von Makkabi

von Katrin Richter  03.07.2025

Berlin

»Wie vorm Berghain«

Avi Toubiana über das Kosher Street Food Festival, organisatorische Herausforderungen und Warteschlangen

von Helmut Kuhn  03.07.2025

Lesung

Familiengeschichten

Der Autor Daniel Zylbersztajn-Lewandowski stellte im »taz-Café« zwei Bücher über seine Vorfahren vor – und lernte bislang unbekannte Verwandte kennen

von Alicia Rust  03.07.2025

Chemnitz

Marx und Mikwe

Die Jüdische Gemeinde präsentiert sich im Kulturhauptstadtjahr zwischen Baustelle, Geschichte und Begegnung. Ein Ortsbesuch

von Anett Böttger  02.07.2025

Meinung

Nicht ohne meine Klimaanlage!

Warum sich Deutschland im Sommer an Israel ein Beispiel nehmen sollte

von David Harnasch  02.07.2025 Aktualisiert

Interview

Das hilft wirklich gegen zu viel Hitze und Sonne

Yael Adler über die Frage, wie wir uns am besten schützen können und was wir im Sommer von den Israelis lernen können

von Philipp Peyman Engel  02.07.2025 Aktualisiert

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025