Fürstenfeldbruck

Die Legende vom Freund und Helfer

Die Polizeischule prägte das Stadtbild. Foto: HyperFocal: 0

Die Legende einer »sauberen Polizei« im Nationalsozialismus hält sich bis heute. Jahrzehntelang wurde die Aufarbeitung der Rolle der Polizei verweigert. Dass die normale Polizei maßgeblich an der nationalsozialistischen Judenvernichtung beteiligt war, zeigt auch die Ausstellung Ausbildung – Enthemmung – Verbrechen, die im Museum Fürstenfeldbruck bei München zu sehen ist.

Sie beschäftigt sich insbesondere mit der Ausbildung von Polizisten in der Polizeischule Fürstenfeldbruck. Zahlreiche Ordnungshüter, die hier ihren Beruf erlernten, wurden während des Nationalsozialismus in den besetzten Gebieten zu Massenmördern und Kriegsverbrechern. In Fürstenfeldbruck verfolgten die Polizeischüler, Lehrer und Kommandeure politische Gegner und sorgten durch kirchenfeindliche Aktionen und brutale Gewalt für Aufmerksamkeit in der Bevölkerung.

Nahezu alle Schüler und Lehrer der Fürstenfeldbrucker Polizeischule waren während des NS-Regimes an Verbrechen beteiligt.

FOTOS Wer die Ausstellung betritt, sieht gleich ein beeindruckendes Foto vor sich: Angehörige der Polizeischule stehen in Lebensgröße nebeneinander, in Reih und Glied in der nationalsozialistischen Uniform, die jede Individualität versteckt und den Polizeistaat nach außen repräsentiert. Daneben eine Werbung der Polizei, eingesetzt zur Imagepflege: Handschlag zwischen zwei Männern, ein Reichsadler mit Hakenkreuz und der Schriftzug »Die Polizei. Dein Freund und Helfer«. Erfunden hatten die Nationalsozialisten diesen Spruch zwar nicht, er war jedoch weithin unbekannt, bis Heinrich Himmler ihn als Chef der deutschen Polizei popularisierte.

Kuratiert wurde die Ausstellung vom Gröbenzeller Historiker Sven Deppisch in Zusammenarbeit mit aktuellen Schülern der Polizeischule. Deppisch hat im vergangenen Jahr eine Dissertation zum Thema vorgelegt. Die Schau hat zwei große Verdienste: Sie beweist, dass Polizeieinheiten aus Fürstenfeldbruck im Krieg bei der Partisanenbekämpfung und beim Massenmord an den europäischen Juden eingesetzt wurden. Nahezu alle Schüler und Lehrer der Fürstenfeldbrucker Polizeischule waren während des NS-Regimes an Verbrechen beteiligt.

So wirkten Polizisten aus Fürstenfeldbruck am Massaker im September 1941 in Babi Jar mit, bei dem mehr als 33.000 Juden ermordet wurden. Und die Schau beweist, dass viele im Zweiten Weltkrieg an Verbrechen beteiligte Polizisten nach Kriegsende ihren Dienst bei der Polizei unbehelligt fortsetzen konnten.

Für seine Taten wurde Hans Hösl nie bestraft, das Verfahren wurde mangels Beweisen 1960 eingestellt.

SS-POLIZEI Das in der Ausstellung prominenteste Beispiel ist Hans Hösl, erst Lehrer an der Polizeischule und später Kommandeur des SS-Polizei-Gebirgsjägerregiments 18. Dieses zerstörte unter seiner Führung ganze Dörfer in Griechenland und Slowenien, exekutierte tatsächliche oder angebliche Partisanen, trieb im Frühjahr 1944 rund 1700 Juden in Athen zusammen und deportierte sie nach Auschwitz. Hösl übernahm 1953 die Ausbildung in Fürstenfeldbruck und war bei seiner Pensionierung im Jahr 1959 stellvertretender Schulleiter.

Für seine Taten wurde er nie bestraft, das Verfahren wurde mangels Beweisen 1960 eingestellt. Im Ruhestand schrieb Hösl verträumte Heimatgeschichten in bayerischer Mundart und erhielt dafür 1981 den Poetentaler der Literatenvereinigung Münchner Turmschreiber.

Zahlreiche ähnliche Biografien werden im Museum Fürstenfeldbruck vorgestellt. Sie zeigen: Die Karrieren im Staatsdienst der Bundesrepublik Deutschland wurden durch nationalsozialistische Täterschaft nicht beschädigt. Sie konnten unbehelligt fortgeführt werden, sogar als Polizeischullehrer für die Ausbildung der nächsten Beamtengeneration. Frederik Schindler

Museum Fürstenfeldbruck, Fürstenfeld 6, bis 7. Juli,geöffnet Dienstag bis Samstagvon 13 bis 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025