Stuttgart

Die Chance des Lebens

Die Zahl ist verstörend und aufrüttelnd: Mehr als 300.000 Kinder und Jugendliche in Israel leben unter dem Existenzminimum. »Sie wohnen in Randgebieten, sie sind benachteiligt und gefährdet, denn es fehlen ausreichend Schulen und Betreuungseinrichtungen«, schilderte Martin Meir Widerker. Der Vorsitzende von Keren Hayesod Württemberg begrüßte bei der Magbit-Eröffnung am Samstagabend zahlreiche Gäste im Gemeindesaal der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) in Stuttgart.

Eindringlich schilderte er die Not in dem Land, in dem er selbst geboren ist und seine Kindheit verbrachte. Sein Appell, durch großzügige Spenden mitzuhelfen, diese und viele andere Nöte und Probleme zu lindern, verhallte nicht ungehört: »Wir können mehr als 50.000 Euro nach Israel überweisen«, stellt Widerker als Fazit zufrieden fest.

Autorisiert Keren Hayesod, vor 93 Jahren gegründet, ist die einzige Organisation, die von der Knesset autorisiert wurde, weltweit Spenden für Israel zu sammeln, wie Widerker den Mitgliedern und Freunden der Gemeinde erklärte. Daher stehen der Statistik des Mangels andere Zahlen gegenüber, die in eindrucksvollen Dimensionen beziffern, wie viele Einrichtungen dank der Vereinigten Israel-Aktion geschaffen und wie viele humanitäre Aktivitäten finanziert wurden. Keren Hayesod, betonte Widerker, sei der verlängerte Arm von Israel, wo immer Juden in aller Welt bedroht sind.

»Mit seiner entscheidenden Mitwirkung daran, dass seit 1948 mehr als 3,5 Millionen Neueinwanderer ins Land geholt und damit teilweise auch vor drohenden Gefahren bewahrt wurden, mit gigantischen Integrationsprojekten, mit kulturellen und sozialen Einrichtungen sowie Bildungs- und Förderprogrammen.«

Wie dem Projekt Net@: Einem außerschulischen Hightech-Programm, mit dem sozial benachteiligten Jugendlichen neue Chancen eröffnet werden. »Ohne Net@ hätte ich das, was ich in den letzten vier Jahren gelernt habe, nie erfahren«, sagte ein Jugendlicher in dem Film, der die Gäste des Abends über das Projekt informierte.

»Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung«, appellierte Widerker, dessen langjähriges Engagement für Keren Hayesod nach eigenen Worten »Ausdruck seiner zionistischen Überzeugung und sein Beitrag für ein starkes jüdisches Leben« seien. Wie es für Juden in aller Welt eine Mizwa, Weisung, Auftrag und Verpflichtung, darstelle, durch großzügige Spenden Solidarität mit Israel zu zeigen. »Israel zu helfen, ist und bleibt ein Geschenk Gottes. Denn Israel muss stark sein. Nicht nur durch Armee und Waffen, sondern als Gesellschaft.«

Geheimdienste Mit der Einladung des Gastredners, Shlomo Shpiro, Politikwissenschaftler an der Bar-Ilan-Universität in Israel, Leiter des Begin-Sadat-Center für strategische Studien und Terrorismus-Experte, hatte Widerker, ohne es damals zu ahnen, ein hochaktuelles Thema getroffen: Die Arbeit der Geheimdienste. Denn der 47-jährige Israeli, der sein perfektes Deutsch in Schwäbisch-Hall erworben hatte, berichtete über ein faszinierendes, weithin unbekanntes und verblüffendes Kapitel deutsch-israelischer Geschichte.

Schon Mitte der 50er-Jahre, kaum zehn Jahre seitdem der Holocaust vergangen war, hatte die Zusammenarbeit des Mossad mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) begonnen. Damals existierten noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, und der ehemalige Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen führte den BND, der von Alt-Nazis durchsetzt war. Ein pragmatischer Deal auf Gegenseitigkeit, eine Win-win-Situation durch den Austausch von Erkenntnissen und Vermittlungen. Israel steuerte modernste Technologie zur Abwehr von Raketen bei.

Kontakt »Eine sehr persönliche Geschichte« verbinde auch ihn mit Keren Hayesod, kehrte Shpiro dann zum Kernthema des Abends zurück. Er habe sich sein Studium unter anderem als Wachmann verdient und sei in dieser Funktion auch zu einem Kinderdorf von Keren Hayesod geschickt worden.

Dort habe er 200 Kinder erlebt, die Waisen waren oder aus zerstörten und teilweise sogar kriminellen Familien stammten und von denen viele immer wieder das Gespräch mit den jungen Männern vom Wachdienst suchten. »Seither habe ich nie mehr vergessen, was Keren Hayesod für diese Kinder bedeutet«, bekannte Shpiro. »Ein Zuhause und die Chance auf ein besseres Leben.«

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025

München

Mut in schwieriger Zeit

Der Schriftsteller und Historiker Rafael Seligmann stellte im Gespräch mit Christian Ude sein neues Buch im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  09.10.2025

Halle

Erinnerung an Synagogen-Anschlag vor sechs Jahren

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsterrorist versucht, in die Synagoge einzudringen, scheiterte aber an der Tür. Bei seiner anschließenden Flucht tötete er zwei Menschen

 09.10.2025

Daniel Donskoy

»Ich liebe das Feuer«

Der Schauspieler hat mit »Brennen« einen Roman über die Suche nach Freiheit und Freundschaft geschrieben. Ein Interview

von Katrin Richter  09.10.2025