Spurensuche

Der geheimnisvolle Großvater

Konzert im eigenen Studio: Bobby Rootveld und Sanna van Elst Foto: Heidi Peter

Sein Großvater interessiert ihn sehr, doch kennengelernt hat er ihn nie. Als Bobby Rootveld 1981 im niederländischen Enschede auf die Welt kam, war Samson Rootveld schon viele Jahre tot. Das Geheimnis, das ihn umgab, lüftete der in klassischer Gitarre ausgebildete Enkel Bobby erst viele Jahre später. Denn Samson war jüdisch, das hat er aber seiner Familie nie erzählt.

Ein Nachlass brachte den Enkel auf die Spur des jüdischen Großvaters. Mit Akribie recherchierte Bobby, wertete versteckte Zettel des Großvaters aus und führte nach Konzerten in Enschede oder in Amsterdam mit Besuchern, die Mitglieder seiner Familie und Freunde kannten, lange Gespräche.

Versteckt Großvater Samson Rootveld stammte aus einer Familie von Diamantenschleifern aus Amsterdam. Er überlebte die deutsche Besatzung in den Niederlanden versteckt auf einem Bauernhof – als Einziger seiner Familie. Nach dem Krieg heiratete er Hermina Berendina Kerkdijk, die Tochter des Landwirts. Obwohl die Kerkdijk-Familie den Widerstand gegen die Nazis unterstützt und Juden versteckte hatte, war die Familie von dieser Verbindung nicht angetan.

Auch der Rabbiner hieß die Heirat nicht gut. Enttäuscht zog sich der Großvater vom religiösen Gemeindeleben zurück. »Er kam wahrscheinlich nur gelegentlich zu gesellschaftlichen Treffen, ansonsten arbeitete er als Journalist und hatte eine eigene Lokalzeitung«, erzählt Bobby Rootveld.

Seit Kurzem leben Bobby Rootveld und Sanna van Elst im niedersächsischen Nordhorn, wo sie das Kulturhaus Nihz betreiben. Hiefür haben sie ein kleines Geschäftshaus in der Innenstadt ausgebaut. Neben Konzerten bietet Rootveld regelmäßig Meisterkurse für junge Musiker an. Die Teilnehmer können im Haus auch übernachten. Im Souterrain gibt es einen kleinen Saal, in dem das »Duo NIHZ«, wie sich Rootveld und van Elst nennen, gemeinsam mit dem Jüdisch-Christlichen Forum Musikabende veranstaltet. Gern würden sie einmal einen Musikwettbewerb für Jüdische Musik ausschreiben. In diesem Jahr hat unter anderem der Gitarrist Pieter van Staak im Nihz gastiert.

Castelnuevo-Tedesco Bei Lesungen erzählt Bobby von seiner Familie. Eigentlich heißt er wie sein Großvater ebenfalls Samson. Seine Frau Sanna lernte er während des Studiums an der Musikhochschule in Enschede kennen, wo sie Flöte, Melodika und Glockenspiel studierte. Beide interpretieren klassische Musik jüdischer Komponisten, wie zum Beispiel von dem fast vergessenen Mario Castelnuovo-Tedesco, einem Italiener, der 1939 als Jude in die USA emigrierte.

»Amsterdam Huilt – Amsterdam weint« heißt ein Lied. Flüsternd, fast hauchend singt Bobby von Kindertransporten aus Amsterdam, das Gitarrenspiel mit einer wehmütig eingängigen Weise steht im Vordergrund. Eine beeindruckende Melodie – er nennt sie jiddische Suite und hat sie selbst komponiert. »Durch diese Musik kann ich meinem Großvater nahe sein«, sagt Bobby.

Er selbst ist nicht jüdisch, doch fühlt er sich dem Judentum sehr verbunden und liest viel über die Religion. Seine Jiddisch- und Hebräisch-Kenntnisse möchte das Paar gern verbessern. An einen Übertritt habe er jedoch noch nicht gedacht, erzählt Bobby. In unmittelbarer Umgebung gibt es keine jüdische Gemeinde. Die nächsten Synagogen befinden sich in Enschede oder in Münster.

Interpretationen Wenn das Duo nicht auf Tournee ist, sucht es nach neuen und unbekannten Stücken. Und wenn es keine Noten gibt, versuchen sie die Musik nach Gehör nachzuspielen oder eigene Interpretationen zu finden. Ihre Klezmer-Interpretationen sind ruhig und getragen. »Sie sind eher für Auftritte in Synagogen geeignet und weniger für Gemeindefeste«, erzählt Rootveld. 2009 erhielt das Duo NIHZ beim International Jewish Music Festival einen Music Award.

Am 14. August tritt das Duo in Weimar auf. Der Rest des Jahres ist schon mit Gastspielen unter anderem in Deutschland, den Niederlanden und Thailand ausgebucht. Im Mai nächsten Jahres steht eine Konzertreise nach Argentinien an. Doch ihr Traumziel für eine Konzertreise ist und bleibt Israel.

http://bobbyrootveld.wix.com/duo-nihz

Umfrage

»Wir lassen uns nicht unterkriegen«

Trotz des erschütternden Terroranschlags in Sydney wollen sich viele Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland nicht den Mut rauben lassen, öffentlich Chanukka zu feiern. Ein Stimmungsbild

von Christine Schmitt, Helmut Kuhn, Nicole Dreyfus, Ulrike Gräfin Hoensbroech  17.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025