Dialog

»Das Ziel ist das friedliche Zusammenleben«

Annette Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte des Bundes Foto: imago/Mauersberger

Dialog

»Das Ziel ist das friedliche Zusammenleben«

Annette Widmann-Mauz über die Unterstützung von »Schalom Aleikum« durch die Bundesregierung

von Jérôme Lombard  14.07.2019 10:43 Uhr

Frau Widmann-Mauz, gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, haben Sie in der vergangenen Woche in Berlin den Startschuss für das Projekt »Schalom Aleikum. Jüdisch-Muslimischer Dialog« gegeben. Sind Sie mit dem Auftakt zufrieden?
Ja, der Auftakt des Projekts »Schalom Aleikum« ist sehr gelungen. Zur ersten Dialog­runde kamen jüdische und muslimische Jungunternehmer und Start-up-Gründer zusammen. Sie sind oft mit denselben Herausforderungen konfrontiert beim Start ins Berufsleben. Für die meisten spielt ihr religiös-kultureller Hintergrund dabei eine Rolle. Ich habe sehr spannende Gespräche geführt. Und viel positives Feedback für den Projektansatz bekommen. Das stimmt mich zuversichtlich für die kommenden Dialogformate.

Welche Themen standen bei Ihren Gesprächen mit den Jungunternehmern im Vordergrund?
Mich hat die Ausgangslage interessiert. Denn obwohl die jungen Menschen über unterschiedliche Biografien verfügen, finden sich viele in einer ganz ähnlichen Situation wieder: Als Unternehmer in Deutschland ist man integraler Bestandteil der Gesellschaft, als Teil der jüdischen und muslimischen Community befindet man sich aber auch in einer Minderheitenposition. Aus dieser Perspektive heraus stehen beruflicher Erfolg und Diskriminierungserfahrungen häufig nebeneinander. Beide Gruppen haben dabei immer wieder das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens betont. Sie wollen sich auch von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen. Ich bin mir sicher, dass die Begegnungen zu einem nachhaltigen Kontakt führen können. Genau das ist die Idee von »Schalom Aleikum«.

Sie unterstützen das Dialogprojekt des Zentralrats mit 1,2 Millionen Euro bis Anfang 2020. Können Sie sich auch eine Förderung über dieses Datum hinaus vorstellen?
Wir wollen mit dem Projekt zunächst Erfahrungen sammeln und diese in einem zweiten Schritt evaluieren. Die Konzeption ist ja sehr weitreichend. Weitere Dialogforen mit Lehrern, Sportlern, Studierenden, Senioren und Frauengruppen sollen in den kommenden Monaten folgen. Danach haben wir eine gute Grundlage, um zu schauen, wie es weitergehen kann. Wichtig ist, dass aus dem Projekt eine selbsttragende Praxis entsteht.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dem Dialogformat?
Das Projekt »Schalom Aleikum« ermöglicht Dialog im wahrsten Sinne des Wortes. Die Gesprächsrunden bringen Menschen zu einem Austausch auf Augenhöhe zusammen. Und hier diskutieren nicht Funktionäre, sondern Privatpersonen, die den Austausch wiederum in ihr Umfeld hineintragen. Wichtig ist: Dabei kann über alles gesprochen werden, über Gemeinsamkeiten genauso wie über Unterschiede und Konflikte. Integration findet immer dort statt, wo Menschen sich begegnen können. Genau das macht den besonderen Charakter des Dialogformats aus.

Sehen Sie das Projekt auch als einen Beitrag, um Antisemitismus in der muslimischen Community wirksam zu bekämpfen?
Der Austausch über Einstellungen und Meinungen trägt entscheidend dazu bei, dass Vorurteile abgebaut werden. Durch das persönliche Kennenlernen haben alle die Chance, solche vorhandenen Vorbehalte abzubauen. Wer miteinander spricht, begegnet sich nicht mit Gewalt. Das ist der Kerngedanke des Projekts. Wer sich miteinander auch über kritische Fragen austauscht, kann Verständnis für sein Gegenüber entwickeln. Und das ist eine gute Grundlage, um Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu bekämpfen.

 Mit der Staatsministerin und Bundesintegrationsbeauftragten sprach Jérôme Lombard.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025