Kunst

Das Kreuz mit der Geschichte

Eine Bildmontage befindet sich an der Seite des Taufbeckens. Andere Motive – Jesusfigur, leidende Person, Abwasserdeckel und Straßenszene – hängen als Fahne von der Decke herab. Die Videoinstallation »Ani Tefilati« (Ich bin mein Gebet) wird auf eine direkt neben dem Altar aufgestellte Leinwand projiziert. Mit diesen Arbeiten beteiligt sich Norma Drimmer an der am Samstagabend eröffneten Ausstellung »Treibsand« in der evangelischen Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf.

Sieben zeitgenössische Künstler präsentieren Malerei, Objekte, Performance, Text, Video und Zeichnungen. Die Schau ist eine Kooperation des Vereins Berliner Künstler (VBK) mit der »Stattbau«-Gesellschaft, die sich als Projektentwickler um die Sanierung der teils baufälligen Kirche und die künftige Bestimmung kümmert. »Es ist nicht irgendeine Kirche, die sich einer weltlichen Nutzung öffnet, sondern es ist ein ganz besonderer historischer Ort«, betont Martin Bayer von der Stattbau. So sollen sich die ausgestellten Kunstobjekte mit der noch heute sichtbaren Vergangenheit dieses Gebäudes auseinandersetzen. »Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass fast alle Arbeiten für diesen Ort und für diese Schau geschaffen wurden.«

NS-Symbole Sie stehen jetzt den zahlreichen NS-Symbolen und Bildern gegenüber, die in dem 1935 eingeweihten Gotteshaus erhalten sind. In Holz geschnitzte Bildnisse eines SA-Mannes und Wehrmachtssoldaten neben einer Jesusfigur sind an der Kanzel zu sehen, eine Mutter mit drei Kindern und ein Vater in Uniform am Taufbecken, überragt von einem riesigen »Triumphbogen« mit Stahlhelmen und Reichsadlern auf Reliefplatten. Lediglich die Hakenkreuze wurden nach dem Krieg entfernt.

Die Nazikunst in der Kirche arbeite »subtil auf das Unterbewusstsein«, findet Norma Drimmer. »Daher habe ich mir überlegt, dass ich eine Situation herstellen muss, die ebenso subtil dagegenhält.« Die ehemalige Kulturdezernentin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist Mitglied der Künstlergruppe »Meshulash«. Und sie gehört dem VBK an. Ein Verein mit Geschichte. In der Zeit des Nationalsozialismus stand er, wie es in einer Information heißt, »unter Einflussnahme der Reichskammer der bildenden Künste und des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda«. Auch Hermann Möller, der die Bilder an Altar, Kanzel und Taufbecken schuf, war Mitglied des VBK.

Religion Drimmer präsentierte ihre Kunst – Fotos, Videos, Texte und Installationen – allein und in Gruppenausstellungen bereits an verschiedenen Orten. Dass sie sich nun an der Schau des Vereins in einem evangelischen Gotteshaus beteiligt, in dem die Verstrickung der Kirche mit den Nationalsozialismus deutlich wird, erläutert sie so: »Ich glaube nicht, dass ich in jeder Kirche ausstellen muss, aber in dieser schon. Ich finde einfach, dass ich hier mitmachen musste.«

Martin Bayer lobt die Beteiligung der jüdischen Künstlerin. Er glaubt nicht, dass die Religionszugehörigkeit dabei eine vorrangige Rolle spielt. »Vielleicht hat sie gerade aus der Distanz einen anderen Blick. Was mir viel wichtiger ist als ihre Konfession, ist Norma Drimmers künstlerischer Ausdruck.«

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025