Bildung

Corona bestimmt den Stundenplan

Am Platz mit Maske: Für Schülerinnen und Schüler gehört das zum Unterrichtsalltag wie Mathe und Deutsch. Foto: Getty Images

Morgens um sechs beginnt der Arbeitstag von Daphna Schächter, Leiterin der Yitzhak-Rabin-Schule in Düsseldorf. Denn zu diesem Zeitpunkt klingelt bereits ihr Telefon, und oft ist ein Mitarbeiter des Labors am anderen Ende der Leitung, der die positiven Ergebnisse durchgibt. Dann weiß sie, dass wieder Schüler in Quarantäne geschickt werden müssen.

In Nordrhein-Westfalen wird auf die sogenannte PCR-Lolli-Testung gesetzt. Die Kinder lutschen dabei 30 Sekunden lang auf einem Stäbchen – wie an einem Lolli. Alle Stäbchen der Klasse kommen, bevor sie ins Labor gehen, in ein Behältnis. Sie bilden somit einen Pool. Sollte es ein positives Ergebnis aus diesem Pool geben, müssen alle Schüler nach Hause gehen und zeitnah erneut getestet werden – dieses Mal dann allerdings einzeln, damit der Infizierte gefunden wird.

infektion »Somit dauert es, bis die nichtinfizierten Kinder wieder zur Schule kommen können«, sagt Schächter. Zweimal die Woche werden die Kinder auf diese Weise auf eine mögliche Infektion überprüft. »Das Gesundheitsamt ruft jeden Tag bei mir an«, sagt die Schulleiterin. »Auch am Wochenende.«

Eltern würden mitunter ungehalten reagieren, wenn ihr Kind zu Hause bleiben muss. Sie wollen es lieber in der Schule wissen. Deshalb kann Schächters Arbeitstag auch schon mal bis 21.30 Uhr gehen, weil Eltern sich noch bei der Pädagogin melden. Die Einzeltestung bedeute auch in einer Grundschule einen erheblichen Zeitaufwand. »Eigentlich sind wir für das Lernen angestellt«, sagt sie. Sie bräuchten jemanden zusätzlich, der die Testung übernimmt.

Herbst In einer Klasse seien in diesen Tagen nur noch sieben von 19 Schülern da gewesen. Das bedeutet für die Lehrer, auch noch Distanzunterricht mitanbieten zu müssen. »Wir können uns aber nicht vierteilen.« Nun beginnt auch noch die kalte Jahreszeit, in der sowohl Schüler als auch Lehrer und Erzieher krank werden, ganz unabhängig von Corona.

luftfilter Zwar sind die Luftfilter, die die Jüdische Gemeinde Düsseldorf für die Grundschule und das Gymnasium organisiert hat, die ganze Zeit am Laufen, aber dennoch muss auch regelmäßig gelüftet werden. »Im vergangenen Jahr habe ich in Jacke und Handschuhen unterrichtet. Das bringt keinen Spaß«, so Schächter. Und den Kindern sei auch oft kalt.

»Das Gesundheitsamt ruft jeden Tag bei mir an.«

Daphna Schächter

In Nordrhein-Westfalen können die Schüler am Arbeitsplatz die Masken abnehmen, was aber laut der Schulleiterin zu Verwirrungen führt, da die Grundschüler einfach vergessen, sie wieder aufzusetzen, und ungeschützt durch die Schule laufen.

Alle Schüler sind hier ungeimpft. In Israel haben die Impfungen für Fünf- bis Elfjährige am Dienstag begonnen, aber in Deutschland liegt gerade erst der Antrag auf eine Genehmigung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur. Anschließend muss die Ständige Impfkommission noch ihre Empfehlung aussprechen, erst dann könnten auch Grundschüler die Ärmel für die Nadel mit dem Vakzin hochkrempeln.

frust Die Pädagogen seien geimpft, und die Düsseldorfer Gemeinde plant, alle Mitarbeiter, also auch die der Schulen, am Freitag zur Auffrischungsimpfung einzuladen. Trotzdem bleibt unterschwellig Frust wegen der Gesamtsituation: »Wir sind eigentlich nur noch mit Corona beschäftigt, und das Schöne – die Arbeit mit Kindern – bleibt auf der Strecke«, sagt Schächter.

»Corona hält uns in Atem, aber noch läuft der Schulbetrieb regelhaft«, berichtet Michael Anger, Leiter des Düsseldorfer Albert-Einstein-Gymnasiums. »Ich ha­be dringend um freiwilliges Tragen der Masken gebeten, und unser Kollegium ist komplett geimpft. Jedoch treten vermehrt Fälle von Infektionen in der Freizeit der Schülerinnen und Schüler auf.«

Er hoffe, dass NRW bald wieder verpflichtend die Masken einführt und tägliche Tests an den Schulen Pflicht werden. »Dreimal die Woche ist zwar schon gut, aber nicht ausreichend.« In fast allen Schulen wird derzeit nach diesen Regeln getestet. Tests geben zwar zusätzlich zur Impfung Sicherheit, aber die geplante Chanukka-F eier für die älteren Schülerinnen und Schüler musste abgesagt werden.

Quarantäne Auch Noga Hartmann, Direktorin der I. E. Lichtigfeld-Schule in Frankfurt, bekommt wesentlich mehr E-Mails von Eltern und Lehrkräften als in der Zeit vor der Pandemie. Eltern würden teilweise nicht einsehen, warum ihr Kind in Quarantäne geschickt werden muss, erzählt die Schulleiterin. Und manche brauchen auch mehr Unterstützung. »Die Schulen müssen offen bleiben, das ist viel besser als Distanzunterricht.«

Die Heinz-Galinski-Schule in Berlin hatte so viele Infektionen, dass die Einrichtung vom 8. bis zum 12. November schließen und auf »schulisch angeleitetes Lernen zu Hause« zurückgreifen musste.

Bis jetzt sei die Schule gut durch die Pandemie gekommen. »Toi toi toi: Bisher mussten wir noch keine Klasse nach Hause schicken«, sagt Noga Hartmann. Der Präsenzunterricht gilt für sämtliche Jahrgänge. Es werde sehr darauf geachtet, dass alle die Abstände einhalten, die Masken über Mund und Nase im Schulgebäude und im Unterricht – sogar am Platz – getragen werden, und auf eine Mischung von Schülern, beispielsweise in Arbeitsgruppen, wird verzichtet.

Dafür gibt es Lerngruppen, die auch zusammen auf dem Schulhof jeweils einen eigenen Platz haben. »Dort können sie für den Moment auch die Maske abnehmen, das sind die aktuellen Luxusmomente«, sagt Hartmann.

Die Arbeit sei für sie und ihr Kollegium viel mehr geworden, da es ständig neue Bestimmungen umzusetzen gibt. »Die Planung nimmt etliche Stunden in Anspruch.« Früher hätte man immer viel Wert auf Synergie gelegt, nun müsse wegen Corona viel getrennt werden. Dankbar sei sie, dass die Jüdische Gemeinde Frankfurt als Träger der Schule mehr Personal eingestellt hat, um die Kinder psychologisch und schulisch besser zu unterstützen. »Es sind außergewöhnliche Zeiten, in denen wir weit über das normale Maß hinaus mehr Flexibilität brauchen.«

Inzidenz Die Heinz-Galinski-Schule in Berlin hatte so viele Infektionen, dass die Einrichtung vom 8. bis zum 12. November schließen und auf »schulisch angeleitetes Lernen zu Hause« zurückgreifen musste. Doch nun findet wieder Präsenzunterricht statt. Im Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin findet ebenfalls der Unterricht wieder in voller Klassenstärke und verbindlich für alle statt.

»Wir freuen uns, dass die Infektionen um ein Vielfaches zurückgegangen sind und die Vorsichtsmaßnahmen dieser Woche Wirkung gezeigt haben. Die täglichen Tests bleiben erhalten, und wir führen auch die Sitzordnung mit einzelnen Tischen in der Aula fort«, heißt es auf der Website der Schule. In der jüdischen Grundschule in Stuttgart gebe es derzeit unter den 50 Schülern keinen einzigen Fall. Auch hier wird dreimal die Woche getestet. Unterdessen steigt die Inzidenz immer weiter, und einige Bundesländer greifen zu härteren Maßnahmen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

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