München

Bunte Vielfalt

Der Europäische Tag der jüdischen Kultur hat lokal jeweils seine ganz eigene, besondere Erfolgsgeschichte. München ist seit Bestehen des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz 2007 mit dabei. Die Neugierde auf die jeweiligen Themen und die Begeisterung für die eigenen Kulturveranstaltungen unterstreichen das umfangreiche Angebot der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG). Da konnte aktuell selbst das Schauerwetter die Menschen nicht von einem Besuch abhalten.

Denn auch wenn die Abläufe auf den ersten Blick ähnlich sind – die Inhalte sind es keineswegs. Jedes Jahr gibt es übergeordnete Motive, ob Musik, Kunst, Natur, Reisen oder dieses Jahr das Thema Erneuerung. Am Jakobsplatz fand der Europäische Tag der jüdischen Kultur in diesem Jahr ausnahmsweise am zweiten Sonntag im September statt. Der 4. und 5. September blieb dem Gedenken an das Olympia-Attentat 1972 vorbehalten.

kooperation Was bedeutet Erneuerung? IKG-Präsidentin Charlotte Knob­loch schreibt dazu im Vorwort zum Programmheft des Kulturzentrums: »Wenn man das europaweite Motto des Europäischen Tags der jüdischen Kultur 2022, das Erneuerung lautet, als Fortbestand der Variationsvielfalt begreift, dann setzt die Israelitische Kultusgemeinde auf Bewährtes wie kantorale Musik auf höchstem Niveau, Information und Unterhaltung zum Israel-Tag und immer wieder auch auf Kooperation mit Ins­titutionen, die jüdische Themen pflegen: vom Literaturhaus über die Münchner Volkshochschule bis zum Jüdischen Museum München.«

Auch wenn die Abläufe auf den ersten Blick ähnlich sind – die Inhalte sind es keineswegs.

Als ihr Motto hatte Charlotte Knobloch ein Zitat vom Rabban Simon gewählt: »Auf drei Dingen besteht die Welt: auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden.« Diese drei Säulen drücken eine Hoffnung aus – die in diesen Tagen besonders wichtig sei, so die Präsidentin der IKG.

Der Münchner Europäische Tag der jüdischen Kultur startete vormittags mit einer Führung von Ellen Presser auf dem Alten Israelitischen Friedhof. Am Nachmittag bot sie eine Synagogenführung an – zum Thema Erneuerung. Denn dieser Begriff, so erklärte die Leiterin des Kulturzentrums, könne ganz unterschiedlich interpretiert werden: als Vergewisserung, Änderung, Bestätigung, Korrektur, Verbesserung. Wichtig sei es, die Balance zwischen Bewahrung und Erneuerung zu finden, erläuterte Presser.

Und so spannte sie den Bogen vom Chassidismus über die Neoorthodoxie bis zum Reformjudentum. Sie erläuterte die erkennbaren Unterschiede anhand der Synagogenarchitektur, aber auch der Musik: Die Orthodoxie lehnt – mit Rücksicht auf den Verlust des Tempels, aber auch des Arbeitsverbots – Musikinstrumente ab, während das liberale Judentum im Verlauf des 19. Jahrhunderts sogar Orgel und gemischte Chöre einführte. Der Gedanke »Offen für Neues« schlug einerseits in Liberalisierung, andererseits in die Neoorthodoxie nach Samson Raphael Hirsch um – bei Letzterem als Vordenker jedoch unter Einbindung einer zusätzlichen weltlichen Ausbildung neben der religiösen.

treffpunkt Ein beliebter Treffpunkt für die Interessierten, die an diesem Sonntag ins Gemeindezentrum kamen, war auch der Bücherbasar, auf dem wissenschaftliche Werke ebenso zu finden waren wie Literatur für Kinder und Jugendliche.

Den abschließenden Höhepunkt des Tages bot das Konzert der Drei Kantoren im Hubert-Burda-Saal. Die bekannten drei Tenöre wollte man jedoch nicht wirklich nachahmen. Tal Koch ist Tenor, Hemi Levison Bariton, und Assaf Levitin singt Bass. Am Klavier wurden sie begleitet von Naaman Wagner. Motor dieser Formation ist Assaf Levitin, der in Berlin lebt und bereits drei CDs produziert hat. Für die neue, dritte CD recherchierte er vor allem in Israel.

Einen abschließenden Höhepunkt des Tages bot das Konzert der Drei Kantoren.

Das Ergebnis stellte er unter das Motto »Über Gott und die Welt«. Und das Programm konnte sich wahrlich sehen lassen. Da kam die Dichtung von klassischen israelischen Dichtern wie Nathan Alterman, Yaakov Fichman und Yehuda Amichai zur Sprache. Aber auch herausragende weibliche Stimmen wie die der Dichterin und Dramatikerin Leah Goldberg und des singenden und schauspielenden Multitalents Molly Picon wurden von den Drei Kantoren zitiert.

finale Mit dem Lied »Mi im lo Elohim?«, von einem Neffen Moshe Dayans, Jonathan Geffen, geschrieben – das in den 60er-Jahren als Friedenslied des Militärs in Israel galt –, läutete das singende Trio das Finale des Abends ein. Dann folgte »Hallelujah«. Dieser Song hatte jedoch weder mit dem Lied von Leonard Cohen zu tun noch mit dem Sieger von 1979 beim Grand Prix, vorgetragen von der Sängerin Gali Atari und der dreiköpfigen Popgruppe Milk & Honey.

Die Darbietung, geschrieben von Yair Rosenblum, arrangiert vom Mannheimer Kantor Amnon Seelig, war so ergreifend, dass man sie sich sogar noch einmal als Wiederholung gewünscht hätte. Unter begeistertem Applaus ging ein intensiver Nachmittag und Abend im Jüdischen Gemeindezentrum zu Ende.

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025