Bornplatzsynagoge

Hamburg gibt Jüdischer Gemeinde Grundstück zurück

Rekonstruktion der Bornplatzsynagoge in Hamburg, die in der Pogromnacht 1938 verwüstet und 1939 auf Kosten der jüdischen Gemeinde abgerissen wurde

Mehr als 80 Jahre nach der Zerstörung durch die Nationalsozialisten erhält die Jüdische Gemeinde Hamburg das Grundstück, auf dem die ehemalige Bornplatzsynagoge stand, zurück. »Mit dem heutigen Tag stellen die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft ein konkretes Stück Gerechtigkeit wieder her«, sagte Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, am Mittwoch in Hamburg. »Die Nazis wollten alles jüdische Leben unsichtbar machen. Der heutige Tag zeigt, dass Unrecht nicht siegt und das jüdische Hamburg eine Zukunft hat.«

In einem symbolischen Akt übergaben die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen, CDU und Linken anschließend das Grundstück an die Jüdische Gemeinde zurück. Dafür wurde die Kopie eines Nazi-Dokuments, das die Zerstörung anweist, von den Politikern zerschnitten.

Die Bürgerschaft stimmte dem interfraktionellen Antrag zur Rückgabe des Grundstücks später einstimmig zu. Vertreter aller Parteien bezeichneten den Schritt, mit dem der Grundstein zum Wiederaufbau gelegt werde, als historisch und längst überfällig. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte an die Vertreter der jüdischen Gemeinde gerichtet: »Wir bitten um Entschuldigung, dass wir so spät zu dem Entschluss kommen, ihnen ihr Grundstück zurückzugeben.«

Vor der Bürgerschaftssitzung hatte Daniel Sheffer, Vorsitzender des Stiftungsrats Bornplatzsynagoge, an seinen Vater erinnert, den er als Kind gefragt habe, warum er als Jude in den 1970er Jahren nach Deutschland zurückgekehrt ist. »Er antwortete einen Satz: «Weil es andere Deutsche sind»«, sagte Sheffer. »Dieser Moment heute ist ein Wendepunkt für unsere jüdische Geschichte in Hamburg. Es ist der Sieg der Gerechtigkeit und des jüdischen Lebens in Hamburg über die Barbarei der Nazis.«

Für Kienscherf ist der gemeinsame Beschluss der Bürgerschaft ein bedeutendes Zeichen »für unsere weltoffene Stadt und gegen Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung«.

Auch Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg betonte: »In Zeiten, in denen sich Antisemitismus, Ausgrenzung und totalitäres Denken vielerorts wieder ausbreiten, ist das mehr als ein symbolischer Akt. Heute wird das Fundament dafür gelegt, dass das jüdische Leben inmitten der Stadt seinen rechtmäßigen Platz zurückerhält.«

»Heute ist ein historischer Tag«, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge werde ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Hamburg sein. »Wer sich die Ausgrabungen ansieht, der sieht, dass hier unglaublich viel Unrecht passiert ist.« Auch Linkenfraktionschefin Cansu Özdemir freute sich, dass jüdisches Leben im Grindelviertel bald wieder sichtbarer wird.

Die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel war bei ihrer Einweihung 1906 das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland. Während der Novemberpogrome 1938 setzten Nationalsozialisten das Gebäude in Brand. Ein Jahr später zwangen sie die Jüdische Gemeinde, die Synagoge auf eigene Kosten abzureißen. Das Grundstück wurde enteignet und teils mit einem Hochbunker überbaut.

Eine vor einem Jahr von Senat und jüdischer Gemeinde vorgestellte Machbarkeitsstudie kam zu dem Schluss, dass ein Wiederaufbau möglich ist und die Bornplatzsynagoge wieder ein Wahrzeichen des jüdischen Lebens im Herzen der Stadt werden kann.

Seit Anfang des Monats forscht das Archäologische Museum auf dem Joseph-Carlebach-Platz nach Überresten der alten Synagoge. Dabei fanden die Archäologen bereits Reste von Keramik, Buntglasfenstern und Marmorplatten. Die Ergebnisse sollen für die Gestaltung eines architektonischen Wettbewerbs bereitgestellt werden, der noch in diesem Jahr beginnen soll. dpa

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025