Zu einem guten Arbeitsklima gehört mehr als Mitarbeiter, die ihre Jobs erledigen und Arbeitgeber, die diese Mitarbeiter den gesetzlichen Vorschriften entsprechend behandeln. Motivation ist alles. Im Eingangsbereich von Supermarktketten sieht man Porträtaufnahmen von »Peter Müller, Verkaufsleiter«. Eine Schweizer Gemeinde veröffentlichte unlängst eine Anzeige mit dem Dank an den Mitarbeiter des Monats.
Motivation und Anerkennung, die sicher auch in den deutschen jüdischen Gemeinden Anklang fänden. Die Mitarbeiter bei Laune zu halten, sei ein ganz wichtiges Thema, sagt Max Privorozki von der jüdischen Gemeinde in Halle an der Saale. »Natürlich reichen die finanziellen Mittel nie aus, um alles, was man sich wünscht, erfüllen zu können, umso wichtiger ist es mit dem Geld, das zur Verfügung steht, das Maximale zu schaffen.«
Geschenke Zum Purimfest gibt es in Halle kleine Geschenke für die Mitarbeiter, zu Pessach bekommen sie, neben dem kostenlosen Kilo Mazze, das jedes Gemeindemitglied erhält, noch ein zweites Mazzepäckchen hinzu. »Ich bin zufrieden, unsere Mitarbeiter leisten sehr gute Arbeit«, freut sich Privorozki, »natürlich gibt es manchmal Kritik, aber die gehört dazu, denn man kann immer alles besser machen.«
Die Motivation der Mitarbeiter fange bei den kleinen Dingen an, sagt Geschäftsführer Michael Rubinstein von der Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen. »Man kann wirklich sagen: Kleinigkeiten erhalten die Freundschaft.« Und große auch: Die Gemeinde hat für ihre fest angestellten Mitarbeiter eine Betriebsrente vereinbart, die jeder freiwillig abschließen kann. 50 Prozent der Beitragssumme übernimmt der Arbeitgeber, 50 Prozent der Arbeitnehmer. Ein attraktives Angebot, sicherlich, aber wenn das Betriebsklima nicht stimmt, hilft auch die Aussicht auf Altersversorgung nicht weiter, sagt Rubinstein. »Wir sind stolz darauf, dass in den letzten sechs Jahren keiner unserer Mitarbeiter mehr von selbst gekündigt hat, und das liegt sicher nicht an der zusätzlichen Rente.« Sondern an dem, was der Geschäftsführer »die kleinen Gesten« nennt.
»Wenn jemand Geburtstag hat, dann gibt es ein Geschenk und wir sitzen mittags ein Stündchen zusammen und essen und trinken.« Für die fest angestellten Mitarbeiter wird zu Chanukka ein eigenes Essen ausgerichtet, die ehrenamtlichen Helfer können sich einmal im Jahr als Dankeschön auf einen ausgedehnten Kaffeenachmittag freuen, »außerhalb der Feiertage«, wie Rubinstein betont, »denn dieses kleine Fest soll seinen ganz eigenen Charakter haben.«
rücksicht Ganz wichtig sei es, »auch einmal fünfe gerade sein zu lassen«, und auf die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter einzugehen. Gerade in der letzten Woche sei beispielsweise der Vater einer Mitarbeiterin ins Krankenhaus gekommen. »In so einer Situation muss es selbstverständlich sein, dass sie an seiner Seite sein kann.« Und so werde bei Notfällen oder wichtigen Ereignissen auch »ganz sicher nicht darauf beharrt, dass jemand keine Urlaubstage mehr zur Verfügung hat. Anerkennung sei im Übrigen keine Frage des Geldes. »Das alltägliche Miteinander lässt sich mit ein wenig gegenseitiger Aufmerksamkeit ganz einfach positiv beieinflussen.«
Dazu können Mitbringsel für die Kollegen gehören, ein Blumenstrauß als Dankeschön oder auch ein spendierter Kuchen, findet Rubinstein. »Besonders dann, wenn man gerade viel Stress hat oder gehabt hat, sind solche Kleinigkeiten ganz wichtig.« Grundsätzlich sei »jeder einzelne Mitarbeiter wichtig, und das kann man auf unterschiedliche Arten zeigen: mit einem Danke, einem Lob oder auch mit einer kleinen Überraschung.« Und das nicht nur unter vier Augen, betont Rubinstein: »Man sollte immer bedenken, dass jeder ein Recht darauf hat, als Individuum wahrgenommen zu werden – klar, jeder hat seinen Hintergrund, jeder hat gute und schlechte Tage, aber grundsätzlich sollte man Lob durchaus auch im größeren Rahmen aussprechen, das motiviert ungemein.«
Wie viele Vorstände jüdischer Gemeinden in Deutschland arbeitet auch der in Hamburg ehrenamtlich. Für Personalfragen ist in der Gemeinde der Hansestadt der 28-jährige David Tichbi zuständig, ein Jurist, der hauptberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni tätig ist und gerade seine Doktorarbeit schreibt. »Wir freien Mitarbeiter sehen es als Belohnung an, wenn wir etwas Positives für die Gemeinde erreichen«, sagt er. »Denn das ist es doch, für was wir uns aufgestellt haben: Die Gemeinde voranzubringen.« Natürlich gibt es auch in Hamburg die kleinen oder großen Belohnungen für die ehrenamtlichen Mitarbeiter. »Sie können am Pessach-Seder kostenlos teilnehmen«, erzählt Tichbi. In Hamburg gehören dazu die Minjanim und die Mitglieder der Chewra Kaddischa.
Angebote Auch die Möglichkeit, an Fortbildungen des Zentralrats oder der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland teilzunehmen, wird den Mitarbeitern geboten. »Für sie ist es eine schöne Möglichkeit, Neues zu erfahren und zum Beispiel durch den Kontakt zu Menschen aus anderen Gemeinden über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, und umgekehrt profitiert auch die Gemeinde davon.«
»Ich finde es wichtig, immer ansprechbar zu sein, und auf Fragen sofort zu reagieren, obwohl man natürlich noch einen Beruf und ein Privatleben hat«, umreißt Tichbi seine Aufgaben. »Die Kommunikation mit den Mitarbeitern zu halten und Lösungen parat zu haben oder wenigstens bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten zu helfen, sollte selbstverständlich sein.«
Träume Und was würde er sich wünschen, wenn mehr Geld vorhanden wäre? »Wir würden einen eigenen Geschäftsführer einstellen«, zögert Tichbi keine Sekunde mit der Antwort. Jemand, der ständig vor Ort und damit ständig ansprechbar sei, sei immens wichtig, »denn so sehr wir uns auch alle bemühen, wir können als Ehrenamtliche natürlich nicht alles leisten.«
Und es gebe noch einen weiteren Traum, verrät Tichbi: »Betriebsausflüge machen zu können, das wäre wirklich schön.« Bis es so weit ist, würde der ehrenamtliche Vorstand gern eine kleine Lösung realisieren. Regelmäßige »Stammtischtreffen der Mitarbeiter einmal im Monat«. »Wenn man dabei nicht nur die vergangenen Wochen Revue passieren lässt, sondern auch ruhig mal privat werden kann – so etwas würde das Zusammengehörigkeitsgefühl immens stärken.«