Schwerin

Blick ins Wohnzimmer

Mittelpunkt der Ausstellung: Landesrabbiner William Wolff Foto: Rolf Walter

Eigentlich wollte Manuela Koska-Jäger die Stände auf dem Schweriner Markt fotografieren. Doch dann lief ihr ein kleiner älterer Mann mit schwarzem Hut und dunklem Mantel über den Weg. Ein interessanteres Motiv als Markthändler, entschied sie sofort. Der zierliche Mann und die Fotografin kamen ins Gespräch, und Koska-Jäger tauchte in eine neue Welt ein: das jüdische Leben der Schweriner Gemeinde.

Resolut hatte sie ihr vormaliges Leben als Kauffrau und Inhaberin einer Reproduktionsfirma beendet und sich ihrem Hobby, der Fotografie, zugewandt. Die wollte sie nun zu ihrer Profession machen, hatte sich einen Mentor und ein Projekt gesucht, das schließlich zu dem wurde, was im Dezember 2010 als Buch erschien und nun als Ausstellung zu sehen ist: »Abraham war Optimist«, Bilder und Texte über Landesrabbiner William Wolff und seine Gemeinde.

»Er ist ein Typ«, charakterisiert Hermann Simon, Direktor des Centrum Judaicum Berlin, seinen langjährigen Freund bei der Festrede zur Ausstellungseröffnung in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin. Ein Typ, der sich ablichten lässt in einem riesigen Sessel versunken, als schmächtige Rückenansicht vor einem übermannshohen Kühlschrank, oder mit einem valentinesk schlanken jungen Mann an seiner Seite, allein auf weiter Flur mit Plastiktüten in den Händen.

»Ehrlicherweise muss ich sagen, ist es mir noch nie passiert, dass mir eine junge Frau nachläuft und das fast zwei Jahre lang«, kokettiert der knapp 85-Jährige. Wolff ist Mittel- und Kristallisationspunkt von Buch und Ausstellung.

Nähe In ihrer zupackenden und doch empfindsamen und distanzierten Art verfolgte Koska-Jäger das Leben der jüdischen Gemeinde, reiste mit Rabbiner und Mitgliedern nach Amsterdam und Auschwitz und verbrachte Abende mit Wolff in dessen englischem Domizil. Entstanden sind eindrucksvolle Bilder, die menschliche Nähe und einen interessierten Blick auf ein auflebendes Judentum offenbaren.

Auch Gemeindemitglieder hat Koska-Jäger abgebildet, etwa auf einem Sofa sitzend in einem psychedelisch anmutenden Wohnzimmer. Junge und Alte, die teils unsicher auf ihre neue Umgebung blicken, teils sie selbstsicher erobern. Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, die ihr Judentum in Deutschland zurückerlangt haben, aber – wie Wolff sagt – nur einem Teil. »Das Synagogale gelingt ganz gut.« Doch ob die Tradition zu Hause weitergelebt werde, das bezweifelt er.

Im Februar werden die Bilder in Brüssel ausgestellt, danach können sie wieder in Deutschland gesehen werden. Interessenten müssen die Ausstellung nur anfordern.

www.manuela-koska.de

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025