Kundgebung

Blau-Weiß am Brandenburger Tor

Deutsche und israelische Fahnen sind bei der Solidaritätskundgebung am vergangenen Donnerstagabend zu sehen. Foto: picture alliance/dpa

Klare Worte kamen am vergangenen Donnerstag am Pariser Platz von Olaf Scholz. »Wer jüdisches Leben in Deutschland angreift, greift uns alle an«, betont der Vizekanzler anlässlich einer Israel-Solidaritätskundgebung in Berlin, zu der ein breites Bündnis aus 35 jüdischen und nichtjüdischen Organisationen unter Beteiligung zahlreicher Spitzenpolitiker aufgerufen hatte. Zugleich erklärt Scholz, dass die Sicherheit Israels nicht verhandelbar sei und deutsche Staatsräson bleibe. »Das gilt auch für die nächste Bundesregierung.«

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak unterstreicht zudem die historische Verantwortung Deutschlands sowohl für den jüdischen Staat als auch für die hierzulande lebenden Juden, weshalb »man nicht die Augen verschließen darf, wenn Menschen im Nahen Osten unter dem Bombenterror der Hamas leiden«. Ferner hebt er hervor, dass sich »der antisemitische Wolf in jüngster Zeit immer öfter im Schafspelz der Israelkritik« zeige.

Auch Christine Lambrecht spricht aus, was viele, die zum Brandenburger Tor gekommen sind, denken: »Judenhass darf in Deutschland keinen Platz haben«, sagt die Justizministerin. »Für die hier Geborenen gilt dieser Grundsatz ebenso wie für die hier heimisch Gewordenen.«

SICHERHEIT Der Anlass für die Kundgebung war gewiss kein schöner. Tagelang sah sich Israels Zivilbevölkerung dem Raketenterror aus dem Gazastreifen ausgesetzt. Zugleich fanden in Deutschland an vielen Orten propalästinensische Demonstrationen statt, auf denen man offen die Bombardierung Tel Avivs forderte oder die Teilnehmer antisemitische Parolen skandierten. Sogar Synagogen wurden angegriffen.

»Die Aggression der Hamas wirkt nicht nur im Nahen Osten«, bringt es daher Elio Adler zum Auftakt der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor auf den Punkt. »Auch in Deutschland kam es in den letzten Tagen zu schweren antisemitischen Attacken. Die Sicherheitslage für israelische und jüdische Menschen hat sich dadurch erneut verschlechtert«, so der Vorsitzende der WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen e.V.

Gegen diesen Hass wollten viele Berliner ein klares Zeichen setzen. Rund 1000 waren deshalb vor das Brandenburger Tor gezogen, manche von ihnen trugen Kippa. Viele waren mit einer Israelflagge oder Schildern gekommen, auf denen ein Ende des Raketenterror der Hamas gefordert wird – selbstverständlich alles unter Einhaltung der Hygieneregeln zum Schutz vor der Coronavirus-Pandemie.

Vereinzelt hatten sich Personen mit Palästinaflaggen auf dem T-Shirt unter die Teilnehmer gemischt.

»Gerade jetzt ist es dringend notwendig, an der Seite Israels zu stehen«, sagt Henri Armke, einer der Teilnehmer. »Das haben die Gewaltausbrüche der letzten Tage auf deutschen Straßen deutlich gezeigt«, so der Student und Referent für Antifaschismus im Referent_innenrat der Humboldt-Universität. Dem Berliner Gemeinderabbiner Jonah Sievers ist es ebenfalls wichtig, jetzt Gesicht gegen den Hass zu zeigen. Denn: »Was auf diesen Demonstrationen in Berlin und anderswo zu sehen war, hatte nichts mit Israelkritik zu tun. Das war purer Antisemitismus.«

Auch viele Jüngere sind unter den Teilnehmern. So wie die Abiturientin Leah-Marie Kasulin, die gleich mit einer ganzen Gruppe Freunden erschienen ist. »Wir sind jüdisch und möchten so unsere Stimme erheben«, erklärt sie selbstbewusst. Bereits in der Woche zuvor hatte sie an der Israel-Solidaritätsveranstaltung am Potsdamer Platz teilgenommen. »Ich freue mich sehr darüber, dass heute zehnmal mehr Menschen erschienen sind als noch vor ein paar Tagen. Das ist ein gutes Zeichen.« Und Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee Berlin, ergänzt: »Es ist schön zu sehen, dass die Kundgebung die breite Unterstützung aller demokratischen Parteien hat.«

SPITZENPOLITIKER Zu Störungen der Kundgebung kam es nicht. Zwar hatten sich vereinzelt Personen mit Palästinaflaggen auf dem T-Shirt unter die Teilnehmer gemischt. Auch schritt ein junger Mann mit um den Kopf gewickeltem Palästinenserschal, auch bekannt als Kufiya, und die Hände zur Siegerpose erhoben durch die Menge.

Doch alles, was er an Reaktionen erreichen konnte, war ein müdes Lächeln. Das Schlimmste, was ihm hätte drohen können, wäre wohl eine politische Diskussion gewesen – kaum ein anderes Bild hätte den Unterschied zwischen den propalästinensischen Demonstrationen der vergangenen Tage und der Israel-Solidaritätsveranstaltung am Donnerstag besser pointieren können.

Der ehemalige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warnt davor, den Konflikt entlang von Religionslinien zu definieren.

Zwei Themen dominieren die Redebeiträge aller Spitzenpolitiker: ihre Verbundenheit mit Israel und die Verurteilung der aktuellen antisemitischen Hetze und Gewalt. So zeigt sich FDP-Generalsekretär Christian Lindner entsetzt über die Kommentare in den sozialen Medien, die die Anwesenheit von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, auf dem FDP-Bundesparteitag vor wenigen Tagen bei manchen ausgelöst hatte. »Das waren schockierende Reaktionen, voller Ressentiments.«

Auch Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, verurteilt die jüngsten Ausschreitungen und zeigt sich beschämt: »Wer Jüdinnen und Juden anschreit, der schreit uns an.« Zugleich bedauert er, dass Deutschland wenig zur Konfliktlösung im Nahen Osten beitragen würde und die Europäische Union ebenfalls wenig Flagge in der Region zeige.

CHARTA Der ehemalige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warnt davor, den Konflikt entlang von Religionslinien zu definieren. Er selbst stamme aus einer muslimischen Familie. Darüber hinaus mahnt Özdemir zu Versöhnung und Frieden. »Die Palästinenser müssen akzeptieren, dass Israel niemals von der Landkarte verschwinden wird.«

Und wer glaube, die Hamas sei »irgendwie ein Gesprächspartner«, dem empfehle er dringend die Lektüre ihrer politischen Charta, in der viel von der Vernichtung von Juden die Rede ist. Deshalb könne mit dieser Terrororganisation kein Frieden möglich sein. »Der Schutz der israelischen Bevölkerung ist für Deutschland so relevant wie der Schutz der eigenen Bevölkerung.«

All das sind deutliche Worte der Solidarität, für die sich Aaron Sagui, der Gesandte des Staates Israel, bei allen Teilnehmern herzlichst bedankt. Für ihn sei es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass Deutschland »Schulter an Schulter« an der Seite Israels stehe.

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