Zeugnis

Bibel und Bilanzen

Feierlicher Moment: Rabbiner Nekrich (r.) mit dem Abschlusszertifikat Foto: Mike Minehan

»Lernen und Lehren sind eins, und jeder von euch ist nun auch ein Lehrer.« Rabbiner Meir Roberg brachte auf den Punkt, was die Teilnehmer des Jewish-Life-Leaders-Kurses in den vergangenen zwölf Monaten tief verinnerlicht haben. Im Berliner Lauder-Yeshurun-Zentrum erhielten sie vergangene Woche in schlichter, aber feierlicher Atmosphäre ihre Abschlusszertifikate.

So wie schon im Vorjahr, kommen die meisten Absolventen aus den kleineren Gemeinden der Republik. Rabbiner und Kantoren sind dort kaum vor Ort, oft mangelt es auch an Religionslehrern, erfahrenen Vorbetern und kundigen Vorständen. Komplizierter noch: Nicht selten fehlt den Gemeindemitgliedern auch die innere Verbindung zu Glaube, Tradition und Praxis. Lauder Germany, der deutsche Zweig der Ronald S. Lauder Foundation, will das gemeinsam mit den Gemeindeführungen ändern. Partner sind auch der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschlands.

Zusammengehörigkeit Jetzt, da der Jahreskurs abgeschlossen ist und die Studenten aus Rostock, Chemnitz, Osnabrück und Delmenhorst ihre schmucken Urkunden in den Händen halten, schwingt neben Freude und Stolz auch etwas Wehmut mit. Kein Wunder, denn im Laufe der vergangenen Monate sind die von ihren Gemeinden delegierten Laien eng zusammengerückt und haben teils verblüffende Erfahrungen geteilt.

»Ich habe jetzt viel klarere Vorstellungen, was es bedeutet, Jude zu sein«, sagt Mark Goldmann aus Osnabrück. »Das, was uns hier vermittelt wurde, kam über Intellekt und Emotionen gleichzeitig, und ich glaube, den anderen ging es genauso.« Von einem »fantastischen Seminar mit inspirierender Atmosphäre« spricht Arkady Leyenson aus Chemnitz.

»Am Anfang war ich etwas skeptisch, aber nach diesem Kurs bin ich überzeugt, dass das traditionelle Judentum weiterleben wird – auch im Osten.« Ähnlich inspiriert ist Arkadys 28-jähriger Sohn Boris, der in Leipzig Altorientalistik studiert und sich in den vergangenen Monaten parallel in der Lauder Yeshiva Beis Zion mit Tora, Talmud und jüdischem Recht beschäftigt hat.

Praxisnah Viel Anerkennung für die Ausbildung kommt auch von Leonid Bogdan, der in Rostock als Kantor und Vorbeter fungiert. Im Jewish-Life-Leaders-Kurs hat er unter anderem seine Hebräischkenntnisse verbessern können: »Ich bin sehr froh, dass ich jetzt in der Lage bin, die Wochenabschnitte problemlos lesen zu können.« Praxisorientierte Hebräischlektionen, Einführung in Tora, Talmud und grundlegende Gebetstexte, kleine musikalische Programme, jede Menge organisatorische Tipps und regelmäßige Frage-Antwort-Runden sind Teil des Erfolgsgeheimnisses der Seminare.

Zudem kommen die Teilnehmer auf ungezwungene Art in Kontakt mit der Yeshiva Beis Zion und anderen Bildungseinrichtungen von Lauder-Yeshurun, wo sie eine Atmosphäre konzentrierten Lernens und anregender Dispute finden.

»Anfangs gibt es manchmal diffuse Berührungsängste mit dem orthodoxen Judentum, doch das hat sich meist schon nach den ersten Begegnungen gelegt«, freut sich Programmdirektor Shaul Nekrich. »In diesem Jahr haben die Kursteilnehmer einen echten Quantensprung gemacht, und sie haben das Zeug, ihre Gemeinden zu verändern.«

Nun soll keine Zeit verloren gehen und auch die Kompetenz der neuen Absolventen kreativ genutzt werden. »In den nächsten Monaten wird das Jewish-Life-Leaders-Programm auf insgesamt vier Vorhaben ausgedehnt«, verrät Rabbiner Nekrich. Geplant sei eine Serie von Tagesseminaren in Chemnitz, in Osnabrück und mit wechselnden Veranstaltungsorten auch in Brandenburg. Parallel dazu beginne schon der nächste Kurs für Jewish-Life-Leaders. »20 Anmeldungen aus zehn verschiedenen Gemeinden liegen schon vor«, erzählt der Landesrabbiner aus Brandenburg.

Mittler Bei allen erreichten Fortschritten bleibt Shaul Nekrich Realist. Er kennt die Probleme der kleinen Gemeinden aus erster Hand. Den frisch zertifizierten Studenten gibt er in russischer Sprache mit auf den Weg: »Wir wollen das Licht der Tora, Offenheit und Jüdischkeit in die Gemeinden bringen. Genauso wichtig ist aber, dass ihr die Menschen so annehmt, wie sie sind, und dass ihr in Konfliktsituationen vermittelnde Rollen einnehmen könnt.«

Auch im niedersächsischen Osnabrück könnte das Jewish-Life-Leaders-Programm bald erste Wirkungen zeigen. Inessa Goldmann, die dieses Jahr ebenso wie Ehemann Mark ihr Kurszertifikat erworben hat, freut sich schon sehr auf die anstehenden Tagesseminare mit Unterstützung durch Lauder Germany. Dabei wollen die Goldmanns dann auch jüdische Künstler einladen und möglichst viele Gruppen miteinander vernetzen. Ihre große Hoffnung ist, dass sich auf diese Weise auch mehr junge Leute angezogen fühlen.

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