Potsdam

»Bedeutend und unterstützenswert«

Machten sich vor Ort ein Bild vom aktuellen Zustand des Alexander-Hauses: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und der Schriftsteller Thomas Harding Foto: picture alliance/dpa

Für Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Sache klar: Bei einem Ortstermin am Montag dieser Woche nannte der SPD-Politiker die Pläne für das ehemalige Sommerhaus in Groß Glienicke »wichtig, bedeutend und unbedingt unterstützenswert«. Hier soll künftig eine Begegnungsstätte für den interreligiös-weltanschaulichen Dialog entstehen.

Für das unscheinbare kleine Holzhaus am Ufer des Groß Glienicker Sees stand die Zukunft bis vor Kurzem auf wesentlich weniger stabilem Fundament, als es die eindeutigen Worte des Kanzlers vermuten lassen. Keineswegs so sicher, hat es eine dramatische und bewegte Geschichte. Um ein Haar nämlich wäre das sogenannte Alexander-Haus, das bis vor ein paar Jahren in erbärmlichem Zustand war, abgerissen worden.

SOMMERFRISCHE Dagegen wehrte sich der britische Schriftsteller und Journalist Thomas Harding, Urgroßneffe des einstigen Besitzers Alfred Alexander. Der seinerzeitige Chef der Berliner Ärztekammer hatte sich das Haus 1927 als Sommerfrische bauen lassen. Anfangs schien der Kampf seines Nachkommen um den Erhalt der Immobilie relativ hoffnungslos. »Wie kann man eine deutsche Behörde davon überzeugen, dass ein so unscheinbares Holzhaus einen echten Denkmalwert besitzt?«, stellte Harding im Jahr 2016 dieser Zeitung eine rhetorische Frage.

Das Haus war vor der Nazizeit ein Treffpunkt von prominenten Gästen wie Albert Einstein oder Max Reinhardt.

Das Haus war vor der Nazizeit ein Treffpunkt von prominenten Gästen wie Albert Einstein oder Max Reinhardt. Als die Familie 1936 nach England emigrierte, verpachtete Alexander es zwangsweise an den nationalsozialistischen Musikverleger Will Meisel, einen notorischen »Arisierungs«-Profiteur.

Bis 2003 war das Haus bewohnt, zu Mauer-Zeiten fehlte der Zugang zum See, am Ende rottete es als Junkie-Bleibe vor sich hin. Bis Thomas Harding (Sommerhaus am See) 2013 mit der Recherche zur Geschichte des Hauses begann. Er gründete mit weiteren Familienmitgliedern sowie engagierten Bürgern aus Groß Glienicke einen Verein mit dem Ziel, das Haus zu sanieren und zu einem Ort für Bildung und Versöhnung zu machen.

signal Die Familie wollte das Haus nicht zurück. »Nachdem wir so viel Engagement gesehen hatten und daraus neue Kontakte entstanden waren, beschlossen wir, ein Zeichen zu setzen.« Dieses wurde nach jahrelanger Vorarbeit von Harding und seinen Mitstreitern schließlich als Signal wahrgenommen.

Bei seinem Besuch am Montag zeigte sich der Bundeskanzler, der am Rande des Besuchs Gespräche mit jungen europäischen Führungskräften führte, beeindruckt von den Plänen des britischen Star-Architekten David Chipperfield für ein Seminarhaus auf dem Areal, zu dem das Alexander-Haus gehört. Das Alexander-Haus könne »eine wegweisende Plattform sein, die Menschen aus ganz Europa zusammenbringt«, betonte auch Harding am Montag. »Ich bin beeindruckt von der Energie und dem Engagement der Menschen, die hier zusammenkommen, um einen Raum für einen fruchtbaren und respektvollen Dialog zu schaffen.«

Die Zukunft des Holzhauses war lange unsicher.

Um den Eindruck, den der Ort auf Olaf Scholz gemacht hatte, noch zu vertiefen, gab es übrigens ein Geschenk von Thomas Harding. Er überreichte dem Kanzler beide Buchausgaben von Sommerhaus am See, in dem die Geschichte des Hauses, das Schicksal von vier Familien und 100 Jahre deutsche Geschichte erzählt werden – die Bilderbuchedition für Kinder (mit Illus­trationen von Britta Teckentrup) und das Sachbuch für Erwachsene.

Und vielleicht dachte Harding bei dem feierlichen Anlass auch noch einmal daran, was er dieser Zeitung 2016 in einem Interview gesagt hatte: »Diesem Grundstück ist so viel Geschichte widerfahren: Die Mauer verlief mitten durch den Garten, die Russen hatten das Dorf besetzt und die Menschen dort terrorisiert. Heute gehört es der Stadt Potsdam, und wir arbeiten gerade daran, in dem Haus ein Zentrum für Bildung und Aussöhnung zu errichten. Die Anwohner und die lokalen Politiker haben so wunderbare Arbeit geleistet, um dieses Projekt bis hierhin zu verwirklichen. Es wird ziemlich toll werden.«

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025

Meinung

Jewrovision: einfach jung und jüdisch sein

Junge Jüdinnen und Juden sind alltäglich Anfeindungen ausgesetzt. Für sie ist die Jewrovision ein Safe Space

von Katrin Richter  11.06.2025