Seminar

Austausch und Fortbildung

Gabriela Schlick-Bamberger ist Leiterin der Frankfurter Religionsschule »Jeschurun«. Seit mehr als vier Jahren unterrichtet sie dort Schüler der fünften Klassenstufe bis zum Abitur, die nachmittags im Anschluss an den Unterricht in allgemeinbildenden Schulen alles über Tora, Feiertage und Gebete erfahren. Schlick-Bamberger ist eine erfahrene Pädagogin, freut sich aber über eine Gelegenheit, andere Religionslehrer zu treffen und sich »über Erfolg und Misserfolg im schulischen Alltag« austauschen zu können.

Ebenso ist für Markus Sternecker dieser Austausch sehr wichtig. Und im Gegensatz zu der Kollegin aus der großen Frankfurter Gemeinde ist er der einzige jüdische Lehrer an seiner Schule, dem Richard-Wagner-Gymnasium in Baden-Baden, wo er neben Geschichte und Gemeinschaftskunde auch Religion unterrichtet. Für ihn ist die Begegnung mit anderen Kollegen besonders wichtig. »Darüber hinaus ist es immer wertvoll, neue Ideen und andere Perspektiven kennenzulernen«, sagt er.

Gabriela Schlick-Bamberger und Markus Sternecker sind zwei von etwa 50 Teilnehmern der dreitägigen Fortbildung für Religions- und Hebräischlehrer aus ganz Deutschland, die im Max-Willner-Heim in Bad Sobernheim stattfand. Organisiert wurde die Veranstaltung, die im vergangenen Jahr zum ersten Mal in dieser Form angeboten wurde, wieder vom Zentralrat der Juden und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Workshops Auf dem Programm standen unter anderem Angebote zu »Bishvil Ha-Ivrit«, einem modernen Lernprogramm, das vom israelischen Centre for Educational Technology speziell für Schülerinnen und Schüler außerhalb Israels entwickelt wurde. In Seminaren und Workshops ging es zudem um kooperative Lernformen, Binnendifferenzierung im Unterricht, kritisch-kommunikative Didaktik oder Methoden der Textarbeit.

Zum Auftakt der Fortbildung am vergangenen Sonntag warf Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann einen Blick zurück auf die eigene Schulzeit. Dabei müsse er konstatieren, dass die Lehrer in der Vergangenheit weitestgehend alleingelassen wurden, ohne Material, Unterrichtsbücher, Handreichungen und auch ohne den Kontakt zu anderen Kollegen und Angebote der Fortbildung. Dieses habe man beim Zentralrat erkannt und biete nun »eine gewisse Vernetzung und Struktur« an. So gebe es seit mehreren Jahren das Programm »Jeled«, bei dem diskutiert werden sollte, ob es eine Fortentwicklung brauche. Dann sei das 2015 herausgegebene Lehrbuch zur jüdischen Ethik zu erwähnen, wie auch das im vergangenen Jahr veröffentlichte Leselernbuch für Hebräisch, »Schalom Uwracha«, das durch ein Arbeitsheft mit Schreibübungen ergänzt wird. »Sie zählen zu einer ganzen Reihe von Projekten, mit denen der Zentralrat die jüdische Bildung in unseren Gemeinden voranbringen will«, sagte Botmann. Man sei noch nicht optimal aufgestellt, betrachte das aber als Herausforderung für die nächsten Jahre. Besonders wichtig sei, dass die Programme in Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft entstehen. Geleitet werden die Projekte von der Kultus- und Bildungsreferentin des Zentralrats, Shila Erlbaum, die auch die Lehrerfortbildung organisiert hat.

Judentum Der stellvertretende ZWST-Direktor Aron Schuster betonte bei der Begrüßung der Lehrer, dass das Max-Willner-Heim im rheinland-pfälzischen Bad Sobernheim der ideale Ort für eine solche Fortbildung ist: »Denn dies ist ein jüdisches Haus.« Damit sei die ZWST-Bildungs- und Erholungsstätte auch ideal für Schüleraufenthalte, da man in der Umgebung »Judentum erfahren kann«, unter anderem bei Besuchen der nahe gelegenen SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz.

Den Eröffnungsvortrag hielt Rabbiner David Bollag. Der Lehr- und Forschungsbeauftragte der Universität Luzern, der als Gemeinderabbiner in Zürich und Köln tätig war, widmete sich der Frage, welches Judentum Schülern beigebracht wird. Bollag, der selbst Religionsunterricht erteilt hat, kennt die ganz praktischen Herausforderungen aus eigener Erfahrung. Er berichtete von Schülern, denen im Unterricht die Bedeutung des Kiddusch vermittelt werden sollte, während sie in einer familiären Realität lebten, in der weder der Schabbat noch der Segen am Freitagabend oder Samstagmittag eine Rolle spielte. »Das hat eine Dynamik, der wir uns sehr bewusst sein müssen«, meint Rabbiner Bollag.

Er führte seine Idee unter anderem entlang der Deutung der talmudischen Diskussionen der Lehrhäuser von Schamai und Hillel aus, gab auch Einblicke in eine Diskussion der jüdischen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig und Martin Buber. Er sprach über Lehrer, Lernen und Gesetz, kehrte dabei immer wieder zur Frage zurück: »Gibt es das eine Judentum?« Seine Position, mit der er aber nicht überzeugen, vielmehr zum Nachdenken anregen wolle, lautete: »Es gibt für jeden Einzelnen sein Judentum!«

Individuum Rabbiner Bollag meinte, dass dem Schüler vermittelt werden müsse, dass er als jüdisches Individuum das Recht, wenn nicht sogar die Verpflichtung habe, selbst zu entscheiden, was er annehmen werde oder nicht. Und zurückkehrend zum praktischen Beispiel des Kiddusch sagte er: »Wenn Sie dem Schüler diese Verpflichtung und Verantwortung an die Hand geben, selbst zu entscheiden, dann wird er sich auch mit seiner familiären Tradition auseinandersetzen können. Er wird nicht mehr den Konflikt zwischen Religionsunterricht und häuslicher Realität erleben.« Und dann werde er auch selbst beginnen, den Schabbat für sich zu definieren.

Wichtig sei die Erkenntnis beim Schüler, dass nicht der Rabbiner oder Lehrer, sondern er selbst etwas tun müsse. »Die Aufgabe des Religionsunterrichtes ist es nicht, den Kindern das Judentum beizubringen, sondern Dynamik, Herausforderung, Vorleben und Miterleben zu präsentieren, Prozesse, die dem Schüler die Möglichkeit geben, sein eigenes, subjektives, individuelles Judentum zu definieren.«

Diskussion Eine kontroverse Position, die von den Teilnehmern der Fortbildung anschließend diskutiert wurde. Dabei berichtete eine Lehrerin von ihrer Erfahrung, dass es Jahre brauche, Kindern eine jüdische Identität zu vermitteln, wenn Grundlagen nicht familiär gelegt seien. Eine andere meinte, dass der Religionsunterricht vielleicht so etwas wie eine Initialzündung auslösen könne, die erst einige Jahre später wirken würde. Ein Lehrer machte deutlich, dass Religion keine Art Rosinenbrötchen sei, aus dem sich der Schüler herauspicken könne, was ihm gefalle. Man könne niemanden zwingen, aber es gebe eben doch objektive Dinge, die gelehrt werden sollten.

Die Frankfurter Religionslehrerin Gabriela Schlick-Bamberger verfolgte Vortrag und Diskussion aufmerksam und war schon zum Auftakt überzeugt: »Das ist eine wichtige Bereicherung, und ich kehre mit sehr positiven Eindrücken und vielen neuen Erkenntnissen zu meiner Arbeit zurück.«

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