Frankfurt

Aufklärer und Verfassungspatriot

Bei der Erinnerungsfeier in der Frankfurter Paulskirche: Tarek Al-Wazir (3.v.l), Elke Büdenbender, Frank-Walter Steinmeier, Sybille Steinbacher und Peter Feldmann Foto: dpa

Fritz Bauer war einer der Helden der jungen Bundesrepublik. Er brachte Auschwitz vor Gericht und konfrontierte die Deutschen mit ihrer NS-Vergangenheit. Ende der 50er-Jahre gab er dem israelischen Geheimdienst die entscheidenden Hinweise zur Ergreifung von Adolf Eichmann, des Cheforganisators des Holocaust, in Argentinien.

Der 1903 in Stuttgart geborene Jurist ließ nicht locker bei der Vorbereitung und Inszenierung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses und ab 1965 bei der Voruntersuchung für einen weiteren Prozess, der sich gegen die juristischen Erfüllungsgehilfen der NS-Morde an Kranken und Behinderten richten sollte. Robert W. Kempner, NS-Verfolgter und Ankläger in den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, würdigte Fritz Bauer einmal als »größten Botschafter, den die Bundesrepublik hatte«.

Schlüsselfigur Am Sonntag, genau 50 Jahre, nachdem der damals 64-Jährige am 1. Juli 1968 Suizid begangen hatte, fand nun in der Frankfurter Paulskirche zu Ehren des früheren hessischen Generalstaatsanwalts ein Gedenkakt statt. Zu der Erinnerungsfeier hatte das nach Fritz Bauer benannte Institut für Holocaustforschung eingeladen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Fritz Bauer als eine der »Schlüsselfiguren in der jungen Demokratie«.

Der Jurist habe Deutschland den »Rückweg in die Gemeinschaft der Völker der Welt geebnet«, betonte Steinmeier. Die von Fritz Bauer initiierten Auschwitz-Prozesse seien »eine Wegmarke in der Geschichte der Bundesrepublik« gewesen. Auch Bauers Widerstand gegen ein Fortwirken des Personals und der Ideologie des NS-Regimes habe wesentlich dazu beigetragen, »dass aus dieser Republik der demokratische Rechtsstaat wurde, der er heute ist«, so Steinmeier weiter. »Es ging ihm darum, die Deutschen zu immunisieren, sie vor einem erneuten Rückfall in die Barbarei zu schützen. Er war ein Aufklärer und ein Verfassungspatriot.«

Der Jenaer Historiker Norbert Frei sagte in seiner Laudatio: »Es gibt keinen Grund, Fritz Bauer zu überhöhen. Er war ein Held. Keiner hat so konsequent die NS-Verbrechen aufgearbeitet wie er.« Laut Frei zähle dazu auch, dass der Jurist dem Staat Israel den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann übermittelte. Mutmaßlich habe der NS-Verbrecher allein durch Fritz Bauer verurteilt werden können, führte Frei aus. »Doch trotz dieser Lebensleistung hat Fritz Bauer nach seinem Tod von der Gesellschaft nicht die angemessene Anerkennung erfahren.«

Widerstände Die Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts, Sybille Steinbacher, hatte zuvor die Bedeutung des Juristen für die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit betont. Er habe maßgeblich dazu beigetragen, dass die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit zur politischen Kultur der BRD wurde, sagte Steinbacher. »Als Bauer 1949 aus dem Exil zurückkam, war seine Arbeit alles andere als einfach. Er musste gegen viele Widerstände in der Politik und in der Gesellschaft kämpfen.«

Der stellvertretende Regierungschef Hessens, Tarek Al-Wazir, hob in seiner Rede das Vermächtnis Fritz Bauers hervor, sich Tabubrüchen in der deutschen Geschichte und Hass und Gewalt gegen Andersdenkende zu widersetzen. Zudem betonte der Grünen-Politiker, dass heute alle Fraktionen im hessischen Landtag stolz auf Fritz Bauer seien. »Vor 60 Jahren ist dies noch ganz anders gewesen. Der Landtag hat es auch erst vor Kurzem geschafft, sich mit seiner eigenen Geschichte zu beschäftigen«, so Al-Wazir.

Am 2. und 3. Juli organisiert das Frankfurter Fritz-Bauer-Institut eine Tagung »Fritz Bauer und die 68er. Verbindendes und Trennendes«. Sie findet auf dem Campus Westend der Goethe-Universität statt. Das Fritz-Bauer-Institut wird seit 1995 vom Land Hessen und der Stadt Frankfurt unterstützt. Seit dem vergangenen Jahr wird die Einrichtung von Sybille Steinbacher geleitet, die zugleich Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt ist. ja/epd

Thüringen

Jüdisches Kulturfest will Haifa stärker einbeziehen

Beide Städte pflegen seit dem Jahr 2005 eine offizielle Städtepartnerschaft

 17.07.2025

75 Jahre Zentralrat

Zentralratspräsident: Zusammenlegung von jüdischen Gemeinden »schmerzlich«, aber denkbar

Zu wenig engagierter Nachwuchs und mögliche Zusammenschlüsse von jüdischen Gemeinden - so sieht die Lage laut Zentralrat der Juden derzeit aus. Präsident Schuster äußert sich auch zur Rabbinerausbildung in Potsdam

von Leticia Witte  17.07.2025

Stuttgart

Geige, Cello, Kickboxen

Die Musikerinnen Taisia und Elina über den Karl-Adler-Wettbewerb, Spaß und eigene Stücke

von Christine Schmitt  16.07.2025

Jiddisch

Der unerfüllte Traum

Im Rahmen der Scholem-Alejchem-Vortragsreihe sprach der Judaist Gennady Estraikh über die Geschichte von Birobidschan

von Nora Niemann  16.07.2025

München

»Unsere jüdische Bavaria«

80 Jahre Israelitische Kultusgemeinde München und 40 Jahre Präsidentschaft von Charlotte Knobloch: Am Dienstagabend wurde das Doppeljubiläum mit einem Festakt gefeiert. Für einen scharfzüngigen Höhepunkt sorgte der Publizist Michel Friedman

von Christiane Ried  16.07.2025

München

»Ich habe größten Respekt vor dieser Leistung«

Zum 40-jährigen Dienstjubiläum von Charlotte Knobloch wird sie von Zentralratspräsident Josef Schuster geehrt

 16.07.2025

Porträt der Woche

»Musik war meine Therapie«

Hagar Sharvit konnte durch Singen ihre Schüchternheit überwinden

von Alicia Rust  15.07.2025

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025