Erinnerungsarbeit

Aufbruch in Epe

Micaela Pageners Eröffnungsbild »Die Sicht des kleinen Mädchens« Foto: Martin Borck

Im Gronauer Stadtteil Epe steht die einzige von einst 13 im Kreis Borken existierenden Synagogen, die noch erhalten ist. Um das 1907 erbaute Gebäude vor dem drohenden Verfall zu retten, haben engagierte Bürger der 50.000-Einwohnerstadt an der niederländischen Grenze, in der heute keine Juden mehr leben, vor Kurzem einen Initiativkreis gegründet. Genutzt werden soll die Alte Synagoge als musealer Ort des Erinnerns, um jüdische Geschichte und jüdisches Alltagsleben darzustellen, sowie als Ort der Begegnung und des Lernens für die Bevölkerung.

Es soll dort ein Mahnmal für Versöhnung und gegenseitige Toleranz der Religionen entstehen. Ermöglicht hatte dies ein Bürgerantrag im Haupt- und Finanzausschuss, der, für viele überraschend, einstimmig angenommen worden war.

Förderverein Am 18. September wurde dieser Initiativkreis der Gronauer Bürger durch die Gründung des Fördervereins »Alte Synagoge Epe« ersetzt. Die Gründungversammlung fand in dem ehemaligen Wohnhaus einer der beiden jüdischen Familien statt, die sich als Erste zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Epe angesiedelt hatten. Die Familie Pagener war im Jahre 1805 höchstwahrscheinlich aus dem benachbarten Holland nach Westfalen gekommen.

Zu Beginn des NS-Regimes war die jüdische Bevölkerung auf knapp 40 Personen angewachsen. Für die fünf letzten Mitglieder der Familie Pagener waren 2009 Stolpersteine vor dem Haus in der Merschstraße 21 verlegt worden, sie waren teils direkt von dort aus, teils über das holländische Westerbork in Vernichtungslager deportiert worden.

Nachfahren Seit 1977 ist in dem Gebäude die Kunstgalerie Georg van Almsick untergebracht. Micaela Pagener, bildende Künstlerin und letzte in Deutschland ansässige Nachfahrin der Familie, stellt anlässlich des 40. Galerie-Jubiläums bis zum 22. Oktober ihre Werke aus. Zur Eröffnung am 17. September trafen sich in dem Haus ihrer Vorfahren viele Familienmitglieder aus Israel, Holland, Frankreich und der Schweiz, ein Zusammentreffen, das für sie zu einer aufwühlenden Reise in die Vergangenheit wurde. Dies umso mehr, als eigens für sie eine Führung durch das jüdische Epe organisiert wurde.

Zum anderen nahm Micaela Pagener das Thema auch in ihrem Eröffnungsbild »Die Sicht des kleinen Mädchens« auf. Es stellt verfremdend dar, wie ein Kind die Grausamkeiten und Verbrechen des Holocaust wahrnimmt. Das, was das Mädchen erfährt, bindet es in eine kindliche Fantasiewelt ein und setzt die Traumata der Erwachsenen nach seinen Bewusstseinsmöglichkeiten um. So verliert etwa die auf dem Bild sichtbare Gasfabrik in den Augen des Kindes ihren Schrecken.

Material Micaela Pageners surreale Kunstwerke und skurrilen Assemblagen sind aus aussortiertem, vermeintlich wertlosem Material zusammengefügt: vermeintlich wertlos und aussortiert wie ihre Vorfahren, die auf dem Grundstück in Epe lebten, durch das NS-Regime? Oder, wie die Künstlerin selbst formuliert: »In meiner künstlerischen Arbeit kann ich das gestalterische Potenzial von Übersehenem, übrig Gebliebenem, Entsorgtem, Verramschtem, Kaputtem durch die Einbindung in einen ästhetisch neu definierten Zusammenhang zum Vorschein bringen.«

»Wenn es den Holocaust nicht gegeben hätte«, so Rudolf Nacke, einer der Gründerväter des Initiativkreises »Alte Synagoge Epe« und profunder Kenner der lokalen Geschichte, »dann wäre der Name Pagener heute sicher einer der bekanntesten und häufigsten in Epe.«

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025

Porträt der Woche

Ein Überlebenswerk

Nicolaus Blättermann fand nach der Schoa die Kraft zum Neubeginn

von Lorenz Hartwig  09.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Karoline Preisler  08.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025