Gottesdienste

Auf Abstand beten

Schofar nur draußen: In einigen Gemeinden wird das Widderhorn im Hof geblasen. Foto: Rafael Herlich

»Unsere Leute sehnen sich nach Gottesdiensten«, sagt Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg. Viele Monate hat die Gemeinde darauf verzichtet, doch in diesem Sommer, in dem die meisten bereits zweimal gegen Covid-19 geimpft sind, konnte es wieder losgehen. So werden auch zu Rosch Haschana die Gottesdienste ganz regulär stattfinden. Danziger rechnet mit etwa 60 Betern, die sich anmelden werden: »Natürlich werden alle Regeln eingehalten.«

Das heißt in Regensburg, dass alle singen dürfen, allerdings nur, wenn sie eine Maske tragen. Wenn jemand zur Tora aufgerufen wird, hat es sich in der Gemeinde bewährt, dass derjenige nur einen Schritt nach vorne geht. »Es hat sich alles gut eingespielt«, betont Danziger. Viele ältere Mitglieder seien nicht allzu interessiert an Zoom-Gottesdiensten gewesen, daher habe die Gemeinde keine angeboten. »Es hatte ja jeder die Möglichkeit, sich beim Zentralrat einzuklicken«, sagt Danziger.

ABSTAND Sie erinnert sich noch gut an den ersten Gottesdienst nach dem Lockdown: »Es waren viele Leute gekommen, natürlich hielten alle Abstand und waren vorsichtig.« Aber jeder betonte, wie sehr er sich freue. Es wird darauf geachtet, dass immer nur eine Person den Aufzug nutzt, es gibt Desinfektionsspender, und auch die Kippot werden gereinigt. Beim Kiddusch erhält jeder einen eigenen gefüllten Teller. »Selbstbedienung geht natürlich nicht. Allerdings ist alles gut machbar.«


Jeanne Bakal hofft, dass das Wetter es zulässt, den Kiddusch draußen
zu begehen.


In den vergangenen 18 Monaten hätten sie viel gelernt, meint auch die Vorsitzende der 460 Mitglieder zählenden Jüdischen Kultusgemeinde Trier, Jeanne Bakal. Sie hat nicht mehr so viel Angst wie im vergangenen Jahr: »Ich glaube, wir müssen Corona als Bestandteil unseres derzeitigen Alltags betrachten.« Glücklicherweise seien nur wenige ihrer Gemeindemitglieder mit Covid-19 infiziert gewesen, berichtet Bakal.

Sie hofft, dass das Wetter es zulässt, den Kiddusch draußen zu begehen. Etwa 20 Beter kommen normalerweise in die Synagoge, doch zu den Hohen Feiertagen haben sich 35 angekündigt, die fast alle geimpft sind: »Da haben wir eine gute Quote.« Zum Gottesdienst zu Rosch Haschana dürfen die Mitglieder nicht singen, da wird der Kantor als Solist agieren. Zwei Pulte stehen neben der Bima, sodass Beter aufgerufen werden können, um die Texte mitzulesen und diese nachvollziehen. Damit sich alle an die Abstandsregeln halten, werden einige Mitglieder beauftragt, die Beter daran zu erinnern, falls jemand es vergessen sollte.

ANZAHL In der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden sind dafür die Gabbaim zuständig, sagt Geschäftsführer Steve Landau. Wie viele Beter in der Synagoge zu den Hohen Feiertagen Platz finden werden, kann er noch nicht genau sagen, denn es mache natürlich einen Unterschied, ob viele Einzelpersonen oder Familien, deren Mitglieder zusammen sitzen können, kommen. Davon hängt dann die Anzahl der Plätze ab. 850 Mitglieder zählt die Gemeinde in der hessischen Landeshauptstadt. Die Synagoge bietet 200 Plätze.

Steve Landau rechnet damit, dass sich jeder verantwortungsbewusst verhält.


Die Mitarbeiter der Gemeinde hatten sich, so Landau, gleich zu Beginn, als Termine für die Impfungen angeboten wurden, darum gekümmert, Zeiten vereinbart und die Fahrdienste organisiert. Und auch viele Ehrenamtliche haben älteren Mitgliedern geholfen, für sie eingekauft und sie im Alltag unterstützt: »Das läuft jetzt ohne unser Zutun weiter, also, sie sind gut versorgt.« Landau geht davon aus, dass sich jeder verantwortungsbewusst verhält. Ferner werde noch darüber nachgedacht, auch ein Online-Angebot aufrechtzuerhalten, berichtet er.

VERORDNUNG In Berlin ist die Sieben-Tage-Inzidenz mittlerweile auf über 60 gestiegen, sodass die Stadt von anderen Ländern zum Risikogebiet erklärt wurde. Die Synagoge Pestalozzistraße wird zu Rosch Haschana einen Präsenzgottesdienst anbieten, der zusätzlich im Internet verfolgt werden kann. Das Schacharit-Gebet wird allerdings nur online stattfinden, das Schofarblasen unterdessen im Hof.

Für die Gottesdienste in der Synagoge gilt nach der Berliner Verordnung, dass die Beter entweder geimpft, getestet oder genesen sein müssen. Ferner besteht eine Masken- und Anmeldepflicht. Und zum Zweck der Nachverfolgung soll auch der Synagogensitzplatz angegeben werden. »Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es eine Mizwa ist, sich impfen zu lassen«, betont Rabbiner Jonah Sievers.
Falls jemand in Schwierigkeiten gerät und Hilfe beim Einkaufen braucht, weil er in Quarantäne geschickt wurde, gibt es das Angebot von Synagogenmitgliedern, den Einkauf zu erledigen.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern steigt die Zahl der Neuinfizierten täglich, mittlerweile auf über 25. Die Rostocker Gemeinde befindet sich derzeit noch in Urlaub. Bisher war die Corona-Lage in der Gemeinde sehr gut, zumal es keine Todesopfer gab. »Ich weiß, dass viele unserer Beter geimpft sind, und es kamen auch mobile Impfteams zu uns, um gegen das Virus zu spritzen«, so der Vorsitzende Juri Rosov. Er geht davon aus, dass die Gottesdienste zu Rosch Haschana gefeiert werden können. »Zumal die Beter, die immer kommen, zwei Mal geimpft sind.«


Juri Rosov geht davon aus, dass die Rosch-Haschana-Gottesdienste gefeiert werden können.


Es sei, so Rosov, ein »ernster Feiertag«, der bei vielen Gemeindemitgliedern nicht ganz so beliebt sei wie etwa Chanukka oder Purim. 50 bis 60 Beter würden wohl in die Synagoge kommen, und dann werde die Tür zum Gemeindesaal geöffnet, sodass alle mit großem Abstand beten können. Auch ein Kiddusch sei geplant, sagt der Rostocker Gemeindevorsitzende.

ANMELDUNG In Halle müssen die Beter vollständig geimpft, genesen oder getestet sein. »Und man muss sich vorher anmelden, spontan kann man nicht den Gottesdienst besuchen«, so Gemeindevorsitzender Max Privorozki. Was gelockert werden konnte, sind die Abstandsregeln, sodass statt 19 nun doch 50 Beter in die Synagoge kommen können. Dennoch gilt die Maskenpflicht.

Der Kiddusch soll stattfinden, aber ohne Selbstbedienung und auch lieber draußen. Singen darf nur der Kantor. Derjenige, der zur Tora aufgerufen wird, steht auf, bleibt aber an seinem Platz. »Online können wir keine Übertragung anbieten«, so Privorozki. Die Gemeinde hat sich für die 30 bis 50 Mitglieder, die nicht zur Synagoge kommen können, etwas überlegt: Sie werden zu Hause besucht und bekommen dort Geschenke und Essen.

Die Gemeinde sei von der Pandemie stark betroffen, denn acht Mitglieder seien im Zusammenhang mit Corona gestorben, berichtet Privorozki. »Das kann man nicht vergessen. Deshalb bleiben wir vorsichtig. Aber ich wünsche mir – wie wahrscheinlich alle anderen auch, dass der Horror der Pandemie zu Ende geht und wir endlich wieder normal leben können.«

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