Talmudisches

Zwölf Jahre im Höhlenversteck

Rabbi Schimon und der Johannisbrotbaum

von Noemi Berger  07.05.2018 12:17 Uhr

G’tt ließ am Eingang des Verstecks einen Johannisbrotbaum wachsen. So ernährte sich Rabbi Schimon zwölf Jahre lang von Johannisbrot. Foto: Thinkstock

Rabbi Schimon und der Johannisbrotbaum

von Noemi Berger  07.05.2018 12:17 Uhr

Eines Tages diskutierten die führenden Weisen Rabbi Jehuda, Rabbi Jose der Galiläer und Rabbi Schimon Bar Jochai darüber, welche Haltung man gegenüber den römischen Besatzern einnehmen sollte (Schabbat 33b). Rabbi Jehuda schlug vor, man solle ihnen freundlich begegnen, Rabbi Jose äußerte keine Meinung, und Rabbi Schimon plädierte für harten Widerstand gegen die Römer – denn er konnte niemals den schrecklichen Anblick seines geliebten Meisters und Lehrers Rabbi Akiva vergessen, der von den Römern zu Tode gefoltert worden war.

Die Weisen merkten nicht, dass ihr Gespräch von einem Mann, Juda ben Gerim, mitangehört wurde. Einst ein Schüler von Rabbi Schimon, wurde er später Spitzel für die römische Obrigkeit. Heimtückisch berichtete er den Römern von der Unterhaltung der Weisen. Sofort gaben sie Rabbi Jehuda Ehre und Rang, weil er ihnen gegenüber freundlich gesinnt war, das Exil für Rabbi Jose, weil er geschwiegen hatte, und den Tod für Rabbi Schimon, der es gewagt hatte, sie herauszufordern.

Da floh Rabbi Schimon und versteckte sich mit seinem Sohn, Rabbi Elasar, in einer Höhle. Doch G’tt ließ am Eingang des Verstecks einen Johannisbrotbaum wachsen und erschuf eine Quelle mit frischem Wasser. Zwölf Jahre lang lebte Rabbi Schimon mit seinem Sohn in der Höhle und ernährte sich von Johannisbrot und Wasser. Während dieser Zeit studierten und beteten die beiden und wurden die heiligsten Weisen ihrer Zeit.

Begnadigung Nach zwölf Jahren brachte ihnen der Prophet Elijahu die frohe Botschaft von einem Regierungswechsel und ihrer Begnadigung. Da verließen sie die Höhle. An einem Feld, auf dem jüdische Bauern pflügten, sagten sie: »Die Menschen geben das heilige Studium der Tora auf für weltliche Angelegenheiten!«

Kaum hatten sie diese Worte gesprochen, ging alles auf dem Feld in Rauch auf. Da hörten sie eine himmlische Stimme sagen: »Bist du herausgekommen, um Meine Welt zu zerstören? Geh zurück in deine Höhle!« So kehrten sie für weitere zwölf Monate in die Höhle zurück und verließen sie erst wieder, als sie dieselbe himmlische Stimme vernahmen, die sie aufforderte zu gehen.

Diesmal kamen sie mit einer anderen Einstellung heraus. Als sie am Freitagnachmittag einen Juden sahen, der zwei Myrtenbündel trug und nach Hause rannte, fragten sie ihn, was er mit der Myrte machen wolle.

»Sie soll mein Haus zu Ehren des Schabbats schmücken«, antwortete der Mann. »Würde nicht ein Bündel ausreichen, um dein Haus mit Duft zu füllen?«, fragten sie.

Der Fremde antwortete: »Ich nehme zwei Bündel, einen für ›Erinnere dich an den Schabbattag‹ und den anderen für ›Heilige den Schabbattag‹.« Da sagte Rabbi Schimon zu seinem Sohn: »Sieh, wie wertvoll die Gebote der Tora für unsere Brüder sind!«
Trotz aller Dekrete und Verfolgungen der grausamen römischen Herrscher hielten die Juden immer noch die Gebote und besonders den Schabbat. Rabbi Schimon und sein Sohn fühlten sich dadurch sehr ermutigt.

Weisheit Auf ihrem Weg begegneten sie Rabbi Pinchas ben Jair, einem anderen berühmten Gelehrten, sowie Rabbi Schimons Schwiegervater, der herauskam, um sie zu begrüßen. Als er die schrecklichen Auswirkungen des anhaltenden Höhlenlebens auf die Gesundheit seines Schwiegersohns sah, brach er in Tränen aus. Doch Rabbi Schimon tröstete ihn damit, dass er niemals ein solch hohes Maß an Gelehrsamkeit und g’ttlicher Weisheit erlangt hätte, wenn er nicht so viele Jahre in der Höhle gewesen wäre.

Kurz darauf brachen wieder Zeiten der Verfolgungen an. Die Römer verboten es, den Schabbat und andere wichtige jüdische Gebote zu halten. Da beschlossen die Weisen, eine Delegation nach Rom zu entsenden, und wählten Rabbi Schimon als Wortführer.

Als sie dort ankamen, hörten sie, dass die Tochter des römischen Kaisers ihren Verstand verloren hatte und niemand sie heilen konnte. Da ging Rabbi Schimon zum Palast und bat um Erlaubnis, die Patientin zu behandeln. Und siehe da – nach einigen Tagen der Behandlung wurde die Prinzessin gesund.

Aus Dankbarkeit sagte der Kaiser zu Rabbi Schimon, dass er sich das Kostbarste aus seiner Schatzkammer aussuchen könne. Rabbi Schimon fand dort die ursprünglichen Dekrete der Verfolgung und verlangte sie als seine Belohnung. So gelang es ihm, seinem Volk große Errettung zu bringen.

Basel

Basler Rabbiner übersetzt Talmud-Traktat über Purim 

Zu seinem Abschied hat Moshe Baumel das kürzeste Talmud-Traktat ins Deutsche übersetzt

von Peter Bollag  25.03.2024

Wajikra

Sozial gestaffelt

Die Tora lehrt, dass arme Menschen für ihre Vergehen Tauben statt Schafe oder Ziegen opfern müssen

von Rabbiner Avraham Radbil  22.03.2024

Purim

Der große Plot-Twist

Von der Megillat Esther lernen wir, das Schicksal zu wenden und unsere Zukunft besser zu gestalten

von Rabbiner Akiva Adlerstein  22.03.2024

Berlin

Purim für Geflüchtete

Rabbiner Teichtal: »Jetzt ist es wichtiger denn je, den Geflüchteten die Freude am Feiertag zu bringen«

 21.03.2024

Berlin

Neue Ausstellung über Sex im Judentum

Zu sehen sind rabbinische Schriften, Skulpturen, Filme, Fotografien, tiktok-Videos, Ritualgegenstände und Gedichte

 21.03.2024

Talmudisches

Vom Wert der Arbeit

Was unsere Weisen darüber lehrten, warum man seinen Beruf schätzen sollte

von Yizhak Ahren  21.03.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 18.03.2024

Pekudej

Ort des Gebens

Die Tora lehrt, warum »das jüdische Haus« von so grundlegender Bedeutung ist

von Rabbiner Bryan Weisz  15.03.2024

Talmudisches

Die Eule – Symbol der kommenden Zeit

Was unsere Weisen über den nachtaktiven Vogel lehren

von Chajm Guski  15.03.2024