Regeln

Zeit der Bedrängnis

Synagogengottesdienst Foto: Flash 90

Regeln

Zeit der Bedrängnis

Was an Tischa be Aw und in den Tagen davor zu beachten ist

von Rabbiner David Goldberg  01.08.2011 22:50 Uhr

Die drei Wochen zwischen dem 17. Tamus und dem 9. Aw (Tischa be Aw) nennt man die Zeit der Bedrängnis (Bejn Hamezarim). Dies bezieht sich auf einen Vers aus dem biblischen Buch Echa: »Kol Rodfeha Hissiguha Bejn Hamezarim – alle seine Verfolger erreichten es mitten in der Bedrängnis«. Unsere Weisen sagen: »Dies sind die Tage der Not.« Das hebräische Wort Mezarim kommt von Zara, was übersetzt Bedrängnis, Enge oder Not bedeutet.

Diese Tage waren immer verhängnisvoll für das Volk Israel. Beide Tempel wurden in dieser Zeit zerstört und viele andere schreckliche Ereignisse trugen sich in diesen drei Wochen zu. Mehr als alle anderen Tage des Jahres ist dies eine Zeit der Trauer.

besinnung Gläubige Juden feiern keine Hochzeiten und andere fröhliche Feste. Man soll während dieser Periode auch keine Musik hören, keine Vergnügungsreisen unternehmen, keine neue Kleidung erwerben, sich und seinen Kindern nicht die Haare schneiden. Es sollen diese Tage zur Besinnung aufrufen, man soll nachdenken und trauern über die Zerstörung der Jerusalemer Tempel.

Der 17. Tamus und der 9. Aw sind zwei Fasttage. Man verzichtet auf Essen und Trinken, um an das Leid des Volkes Israel zu erinnern. Sinn solcher Fasttage ist es, die Herzen der Menschen zur Rückkehr (Tschuwa) zu öffnen. Sie sollen uns als Mahnung für den Lebenswandel unserer Väter dienen, denn immer, wenn wir vom rechten Weg abweichen, ereilt uns das Unglück. Aus diesem Grund ist jeder Jude verpflichtet, an diesen Fasttagen in sich zu gehen und sich eines Besseren zu besinnen.

Das Wichtigste beim Fasten ist die Tschuwa, die Rückkehr zu G’tt und den Geboten, so wie es heißt: »Wajar Ha’elok-him et Ma’asejhem« – und G’tt sah ihre Taten (Jona 3,10). Unsere Weisen bemerken hierzu: »Es heißt nicht, er sah, wie sie sich in Trauerbekleidung hüllten, und ihr Fasten«, sondern G’tt sah ihre Taten.

Fasten Der Fasttag ist also nur die Vorbereitung zur Tschuwa. Aus diesem Grund muss man sich an diesen Tagen nicht sorglos mit unwichtigen Dingen beschäftigen. Es gilt, das Wesentliche zu erfassen, das Unwesentliche zu unterlassen. Doch nicht mit Reue allein erfüllt man seine Pflicht. Das Fasten ist Anordnung unserer Propheten, und an diesem Gebot wird in allen Generationen Israels überall streng festgehalten.

Wenn der Monat Aw beginnt, soll man jegliche Freude vermeiden. Man soll auch keine Gerichtverhandlung in diesem Monat festsetzen oder zumindest bis nach dem 9. Aw warten. Ab dem 1. Aw ist es auch verboten, Fleisch zu essen und Wein zu trinken, da es ab diesem Zeitpunkt keine Opfer und Gussopfer im Tempel mehr gab. Ausgenommen davon ist der Schabbat vor dem 9. Aw. Der wird auch Schabbat Chason genannt, was auf die Haftara zurückgeht, die an diesem Tag gelesen wird (Chason Jeschajahu).

Am Vorabend von Tischa be Aw wird vor Tagesende die Seudat Hamafseket, die abschließende Mahlzeit, eingenommen. Es ist Brauch, zu dieser Mahlzeit Linsen oder ein hartgekochtes Ei zu essen, beides sind Zeichen der Trauer. Einige andere haben den Brauch, das Brot in Asche einzutauchen. Auch ist es üblich, die Mahlzeit auf der Erde sitzend einzunehmen.

Vorschriften Am 9. Aw selbst gelten verschiedene Vorschriften (Halachot), verboten ist: Essen, Trinken, Waschen, Salben, das Tragen von Lederschuhen und der eheliche Verkehr. Dies gilt vom Sonnenuntergang des Vorabends bis zum Ausgang des 9. Aw. Man pflegt, sich nicht zu begrüßen. Wird man von anderen begrüßt, so soll man den Gruß nur so weit erwidern, dass keine Beleidigung entsteht. Alle Arbeiten und Tätigkeiten sollen vermieden werden, die uns von der Stimmung der Trauer und somit der Tschuwa ablenken.

Es werden auch zum Schacharit (Morgengebet) kein Tallit und keine Tefillin angelegt, beides wird erst zum Mincha (Nachmittagsg’ttesdienst) genutzt.

Nach Ausgang von Tischa be Aw ist es Sitte, sich die Hände zu übergießen, da man das am Morgen nicht gemacht hat. Nach dem Abendgebet wird der »Kiddusch Lewana«, die Segnung des Neumondes, gesprochen. Einige warten aber bis zum 10. Aw, weil der Tempel noch bis zum Morgen dieses Tages brannte.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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