Gerichtsprozess

Wittenberg bedauert antisemitische Schmähplastik

Protest gegen die sogenannte Judensau (Oktober 2019) Foto: dpa

Wenige Tage vor Beginn des Berufungsprozesses über die Sandsteinplastik »Judensau« an der Stadtkirche in Wittenberg hat die evangelische Kirchengemeinde Betroffenheit geäußert. »Die Stadtkirchengemeinde Wittenberg bedauert ausdrücklich, wenn Menschen sich von der antijüdischen Schmähplastik verletzt oder beleidigt fühlen«, hieß es in einer am Wochenende veröffentlichen Erklärung der Gemeinde. Die Kirchengemeinde sei offen für neue Wege und wolle die »Stätte der Mahnung« weiterentwickeln. Dabei solle künftig der Aspekt der christlich-jüdischen Versöhnung gestalterisch zum Ausdruck kommen.

Das Oberlandesgericht Naumburg wird am Dienstag in einem Berufungsprozess über die Entfernung der Plastik verhandeln. Der Kläger will die Entfernung der 700 Jahre alten »Judensau« erreichen, weil sie aus seiner Sicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Der Kläger ist Mitglied einer jüdischen Gemeinde. Die beklagte Stadtkirchengemeinde ist Eigentümerin der unter Denkmalschutz stehenden Kirche in der Lutherstadt.

Ein Urteil ist am Dienstag nicht zu erwarten, es wird voraussichtlich ein Verkündungstermin bestimmt. In der Vorinstanz hatte das Landgericht Dessau-Roßlau am 24. Mai 2019 die Klage abgewiesen. Der Kläger könne die Beseitigung nicht verlangen, weil die aus dem 13. Jahrhundert stammende Schmähplastik den Tatbestand der Beleidigung nicht erfülle, urteilte das Gericht.

Das Sandsteinrelief in etwa vier Metern Höhe an der Fassade ist als Schmähplastik gegen Juden erkenntlich. Mit Renovierungsarbeiten an der Kirche im Jahr 1983 entschloss sich die Gemeinde, das Sandsteinrelief an seinem Ort zu belassen. Im November 1988 weihte die Stadtkirchengemeinde unterhalb des Reliefs ein Mahnmal ein, das sich auf die Schmähplastik bezieht und die Wirkungsgeschichte des Antijudaismus und des Antisemitismus auf künstlerische Weise thematisiert.

Die Kirchengemeinde betonte in ihrer Erklärung: »Nach jüdisch-christlichem Verständnis gibt es keine tadellos perfekte Geschichte, aber es gibt die Kraft der Vergebung und Versöhnung, die durch die erlebe Geschichte hindurchschreitet und selbst aus Bösem Gutes werden lässt.« Bezüglich einer Weiterentwicklung der »Stätte der Mahnung« sei man bereits in Gespräch mit jüdischen Vertretern.

Die Gemeinde bekundet Respekt für die Gefühle ihrer Kritiker und bittet zugleich »um Respekt für ihre memorialgeschichtlichen Entscheidungen«. Die juristische Klage habe »die Fronten eher verhärtet und rückt die Stadtkirchengemeinde Wittenberg in eine Position, als sei sie Befürworterin oder gar Auftraggeberin der Schmähplastik«. Die Gemeinde sei aber vielmehr »Erbin eines schwierigen Erbes«.

Die mündliche Verhandlung des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg findet am Dienstag, 21. Januar, 13.30 Uhr, im Saal 400 statt.

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025

Talmudisches

Audienz beim König aller Könige

Was unsere Weisen über das Gebet und seine Bedeutung lehren

von Rabbiner Avraham Radbil  31.10.2025

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Interview

»Süßes gibt’s auch in der Synagoge«

Jugendrabbiner Samuel Kantorovych über Halloween, dunkle Mächte und Hexen im Talmud

von Mascha Malburg  30.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025