Kaschrut

»Wir wollen die Koscher-App für Europa«

Rabbiner Nechemia Rotenberg bei einem Vortrag in Berlin Foto: Eli Itkin

Herr Rabbiner Rotenberg, Sie haben jetzt zum ersten Mal eine europäische Koscher-Liste veröffentlicht. Wie viele Juden in Europa essen tatsächlich koscher?
Wir haben keine genaue Statistik. Wir glauben aber, dass es über zwei Millionen sind. Von den 700.000 Juden in Frankreich essen die meisten koscher. Zusätzlich leben in Europa etwa 200.000 bis 300.000 Juden, darunter Charedim, die Wert auf einen »koscher lemehadrin«-Stempel legen, also auf ein sehr strenges Zertifikat. Aber wir wollen Dienstleister für alle Juden sein. Deswegen zertifizieren wir auch milchige Produkte, die aus »Chalaw Akum« erzeugt wurden – aus Milch, die nicht dezidiert unter jüdischer Aufsicht hergestellt wurde. Jeder, der unsere Dienste in Anspruch nehmen möchte, kann das tun.

Wie viele Produkte stehen auf Ihrer Liste?
Vergangene Woche waren es 8000. Aber morgen könnten es schon 8500 sein. Ich gehe davon aus, dass es in Zukunft mehrere Zehntausend sein werden.

Gibt es neue Produkte auf Ihrer Liste?
In Italien gibt es eine Firma, die Eis aus Sojamilch herstellt. Das haben wir als parve zertifiziert, und Juden in ganz Europa stürzen sich in den Supermärkten darauf!


Im Moment sieht die Liste im Internet nicht gerade benutzerfreundlich aus. Wird sich das noch ändern?

Auf jeden Fall. Wir werden in den nächsten Wochen eine Such-Software installieren, mit der man Produkte leicht finden kann.

Warum war es Ihnen wichtig, eine europaweit gültige Koscher-Liste zu erstellen?
In Slowenien beispielsweise gibt es heutzutage viel jüdischen Tourismus, aber keinen Rabbiner und keine Kaschrutaufsicht. Und deshalb haben wir auch für Slowenien eine Liste erstellt. Wir haben dazu die deutsche Liste von Rabbiner Tuvia Hod genommen, mit Firmen gesprochen und gefragt, ob sie ihre Produkte nach Slowenien exportieren. Und so können einzelne Listen ständig aktualisiert werden, indem wir vergleichen, welche Produkte in welche Länder exportiert wird. Aber wir haben noch größere Ziele: Wir wollen eine App entwickeln, mit der ein Kunde überall in Europa sein iPhone an den Strichcode eines Produkts halten und sofort erkennen kann, ob es koscher ist und welches Siegel es trägt.

Steht das Oberrabbinat in Israel hinter Ihrer Arbeit?

Aber natürlich! Das Oberrabbinat ist froh, mit uns zusammenzuarbeiten, unter anderem deshalb, weil alle Rabbis, die zu unserer Liste beitragen, automatisch vom Oberrabbinat anerkannt werden. Und deshalb schicken uns auch relativ unbekannte Rabbiner Informationen für unsere Koscher-Liste.

Geht es auch um Pessach-Kaschrut?

Ja, das ist sehr wichtiger Punkt. Viele Juden legen an die Pessach-Kaschrut besondere Maßstäbe an. Das ganze Jahr kaufen sie Getränke in normalen Läden. Aber zu Pessach wollen sie strengere Standards anwenden. Deshalb haben wir neue Vereinbarungen mit Firmen getroffen, die Kaffee, Tee und Zucker produzieren und die wir schon als koscher zertifiziert hatten. Wir haben sie nun zusätzlich als »koscher für Pessach« zertifiziert, und nun müssen Getränke oder Zucker nicht mehr für teures Geld aus Israel importiert werden. Unsere Rabbiner in Deutschland, England und anderen Ländern unterhalten gute Kontakte zu muslimischen Gemeinden, auch wegen der Themen Beschneidung und Schächten. Und viele Muslime sind bereit, unsere Koscher-Produkte als »halal« zu kennzeichnen, was unser Siegel für große Firmen interessanter macht.

Erscheint Ihre Liste auch im Druck?
Wir wollen sie kurz vor Pessach veröffentlichen. Im Internet wird sie aber ständig aktualisiert.

Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden von »Kashrut Europe« der Conference of European Rabbis (CER) sprach Ayala Goldmann.

www.confeurorabbis.org

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025

Anti-Judaismus

Friedman: Kirche hat »erste globale Fake News« verbreitet

Der gebürtige Pariser warnte zudem vor weltweiten autokratischen Tendenzen und dem Verlust der Freiheit

 02.09.2025

Schoftim

Recht sprechen

Eine Gesellschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich an ihrer moralischen Gesetzgebung orientiert

von Rabbiner Avraham Radbil  29.08.2025

Talmudisches

Der heimliche Verbrecher

Über Menschen, die nicht aus Wahrheit, sondern aus Selbstdarstellung handeln

von Vyacheslav Dobrovych  29.08.2025

Kiddusch Haschem

»Ich wurde als Jude geboren. Ich werde als Jude sterben«

Yarden Bibas weigerte sich gegenüber den Terroristen, seinen Glauben abzulegen. Wie viele vor ihm lehnte er eine Konversion ab, auch wenn ihn dies beinahe das Leben gekostet hätte

von Rabbiner Dovid Gernetz  28.08.2025

Israel

Rabbiner verhindert Anschlag auf Generalstaatsanwältin

Ein Mann hatte den früheren Oberrabbiner Jitzchak Josef um dessen religiöse Zustimmung zur »Tötung eines Aggressors« ersucht. Die Hintergründe

 26.08.2025 Aktualisiert