Hohe Feiertage

»Wir sollten dankbar sein«

Rabbiner Julian-Chaim Soussan Foto: Mike Minehan

Herr Rabbiner, wer sollte Rosch Haschana in die Synagoge gehen – und wer nicht?
Alle, die gesund sind, andere nicht gefährden und selbst nicht gefährdet sind, sollten auch in diesem Jahr die Synagoge besuchen. Dort sind die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Die Hygienekonzepte mit Abstand, Maskenpflicht und Durchlüftung haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten bewährt. Doch wer erkrankt ist, zu einer Risikogruppe gehört oder bei sich oder im Umfeld eine Infektion vermutet, sollte auf jeden Fall zu Hause bleiben. Auch damit erfüllt man eine Mizwa.

Die Gottesdienste dauern mehrere Stunden. Sind diesmal Kürzungen vorgesehen?
Es gibt Elemente im Gottesdienst, die obligatorisch sind. Aber es gibt andere, zum Beispiel Pijutim, Gesänge aus dem Mittelalter, die man durchaus kürzen kann. Einige Gemeinden sehen davon ab, den Vorbeter bestimmte Gebete vorsingen zu lassen. Es ist bedauerlich, dass wir diesmal das spirituelle Erleben von Musik und Gebeten, das uns sonst an die Hohen Feiertage bindet, nicht in gewohnter Weise haben. Doch wir müssen Prioritäten setzen. Der Schutz der Gesundheit, gerade wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind, hat Vorrang.

Woran können sich Beter zu Hause orientieren?
Es gibt Tutorials im Internet, man sollte sich vorher Machsorim, Gebetbücher für die Feiertage, kaufen oder ausleihen. Und man sollte den Rabbiner fragen, welche Gebete und Segenssprüche zu Hause gesagt oder nur in der Gemeinschaft des Minjans gesprochen werden sollten. Doch auch im privaten Gebet sollte man nicht nur an sich selbst denken. Wenn schon nicht miteinander, sollten wir wenigstens füreinander beten.

Und der Schofar?
Das Hören des Schofars ist die herausragende Mizwa. Auch dabei sollten wir an diejenigen denken, die diese religiöse Pflicht nicht in der Synagoge erfüllen können. Wir und andere Gemeinden veranstalten am Nachmittag ein Schofarblasen eigens für die, die zuvor nicht beim Gebet waren. Und wir hoffen, dass viele zu Hause selbst Schofar blasen können und dies für Familie, Freunde und Nachbarn vielleicht auf der Straße oder im Park tun.

Welche rabbinische Weisheit gilt für dieses ganz besondere Rosch Haschana?
Vielleicht die, dass wir spüren sollten, dass Gott uns gerade in diesen Tagen besonders nahe ist. Das ist angesichts der sich weiter ausbreitenden Pandemie nicht immer für jeden zu realisieren. Aber denken wir an den Schofar, der nur erklingt, wenn wir genug Luft hineinpusten. Der Hauch des Atems versinnbildlicht das Leben. Wir haben an diesem Rosch Haschana eine ganz besondere Chance, das Geschenk des Lebens wahrzunehmen. Dafür sollten wir dankbar sein.

Mit dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sprach Detlef David Kauschke.

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