Talmudisches

Von menschlichen Bedürfnissen

Die Gelehrten diskutierten über alle Dinge des Lebens. Foto: Getty Images

Talmudisches

Von menschlichen Bedürfnissen

Was unsere Weisen über den Toilettengang lehrten

von Rabbinerin Yael Deusel  10.02.2023 11:16 Uhr

Über manche Dinge spricht man nicht gern, doch sind sie Teil des täglichen Lebens. Dazu gehören das sehr natürliche Bedürfnis der Blasenentleerung und auch damit verbundene Probleme. Das war in talmudischen Zeiten nicht anders als heute.

Der Talmud greift das Thema mehrfach auf, und das ausführlich sogar ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Gebet. So lesen wir unter anderem im Traktat Brachot, man solle erst seine Notdurft verrichten, bevor man mit dem Beten beginnt. Das ist überaus logisch, denn wenn man dringend zur Toilette muss, kann man sich nicht in gebührender Weise auf das Gebet konzentrieren. Jemand in einer solchen Situation wurde von unseren Weisen als ungeeignet zum Beten betrachtet, womit dann am Ende auch sein Gebet ungültig war.

drang Außerdem kann es durch den unterdrückten Drang dazu kommen, dass der Betende das Wasser nicht mehr zurückhalten kann (Brachot 22b). Er muss dann sein Gebet unterbrechen und es nach Beendigung des Wasserlassens wiederaufnehmen, womöglich sogar wieder ganz von vorn beginnen. Da Harn von jeher als verunreinigend gilt, weist Joma 3,2 darauf hin, man habe sich nach dem Wasserlassen, was man übrigens möglichst im Sitzen tun sollte (Brachot 40a), Hände und Füße zu waschen.

Auch muss man sich vor dem Rezitieren des Schma oder der Amida eine bestimmte Strecke weit von einem Bedürfnisort entfernen, um sicherzugehen, dass man an einem reinen Ort betet. Und man nimmt natürlich die Tefillin ab, wenn man die Toilette aufsucht. Doch gilt es, die Gebetsriemen sicher zu verwahren während des dortigen Aufenthalts, damit sie weder verunreinigt werden noch zu Boden fallen oder gar gestohlen werden.

Was soll nun jemand tun, der noch nicht allzu dringend zur Toilette muss, wenn er mit seinem Gebet womöglich schon spät dran ist? Wenn er sicher ist, dass er sich noch lange genug beherrschen kann, ist es ihm nach Meinung der Weisen erlaubt, in einem solchen Fall noch zu beten.

Allerdings sollte er das Wasserlassen auch nicht zu lange unterdrücken. Die Baraita (Brachot 25a) lehrt, dass man vom Zurückhalten von Harn Gelbsucht bekommen könne. Möglicherweise ist damit eine Urämie, also eine Harnvergiftung infolge eines länger bestehenden Harnverhaltens, gemeint, was zu einer grau-gelblichen Farbe der Haut führen kann.

NAchttöpfe Manchmal ist einem der Weg zur Toi­lette ein wenig zu weit, und man sucht eine andere Lösung für das Problem. So wird im Talmud, dem nichts Menschliches fremd ist und der über Körperliches ebenso spricht wie über Spirituelles, auch über Nachttöpfe diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Entsorgung ihres Inhalts.

So erfahren wir beispielsweise in Bava Batra 19b, dass das Sich-Entledigen des Ausscheidungsprodukts als eine Angelegenheit zu sehen ist, von der nicht auch noch der Grundstücksnachbar etwas haben sollte, ob nun auf direkte Weise oder über das Entleeren eines entsprechenden Gefäßes. Dies bezieht sich auf eine normale Blasenentleerung.

Unwillkürlicher Harnabgang dagegen ist von jeher etwas sehr Unangenehmes, vor allem dann, wenn es nicht nur der Betroffene selbst, sondern auch andere wahrnehmen. Dies galt verständlicherweise schon zu talmudischen Zeiten als etwas Entwürdigendes.

körperstrafe Im Traktat Makkot finden wir dazu ein Beispiel, das uns heute befremdlich erscheinen mag. Es geht darum, dass bei einer Person, die aus Angst oder vor Schmerzen während einer vom Gericht verhängten Körperstrafe einnässt, die Züchtigung sofort abzubrechen ist. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf 5. Buch Mose 25,3, wo es in diesem Zusammenhang heißt, »dass dein Bruder nicht entwürdigt werde vor deinen Augen«.

Die modernen Hilfsmittel bei Blasenschwäche waren unseren Weisen noch gänzlich unbekannt. Doch die damals wie heute weit verbreitete Problematik selbst ist vermutlich die Gleiche geblieben.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025