Ki Tawo

Von Lego lernen

Foto: Getty Images

Seit mehr als 70 Jahren wachsen Kinder mit den berühmten kleinen Plastiksteinen des dänischen Spielzeugherstellers Lego auf. Aus den robusten Klötzchen in allen nur erdenklichen Formen und Farben kann man fast alles bauen, der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Doch die Anfänge von Lego waren schwer. Bis die bunten Bausteine ihren Siegeszug um die Welt antreten konnten, mussten zahlreiche Hindernisse überwunden werden.

So erlebte die Familie, die Lego gründete, viele drastische Veränderungen. Doch jedes Mal sollten die Situationen, in denen sie sich befand, Einfluss auf das Schicksal des kleinen Steins nehmen, der ursprünglich ein Spielzeug aus Holz war. Bankrott, Tod und Feuer begleiteten Lego auf dem Weg zum bekannten Markennamen, wie wir ihn heute kennen. Und wenn man es genau betrachtet, waren es gerade jene Ereignisse, die Lego zu dem machten, was es letztendlich wurde. Jeden Rückschlag, den die Gründerfamilie überwand, nutzte sie, um neue Erfahrungen zu machen, die ihr schließlich halfen, zu einem weltweit erfolgreichen Unternehmen zu werden.

In dieser Woche lesen wir in der Parascha Ki Tawo von den Segnungen und den Flüchen. Es ist schwer zu verstehen, dass, obwohl wir manchmal nach vorn streben und gute Absichten haben, die Dinge das genaue Gegenteil von dem zu sein scheinen, was wir eigentlich geplant hatten. Obwohl an anderer Stelle in der Tora, im Wochenabschnitt Bechukotaj, geschrieben steht, dass wir für unsere Mühen belohnt werden, scheint dies nicht immer der Fall zu sein.

Wenn wir die Tora befolgen, werden wir belohnt. Doch auch, wenn wir uns abmühen und abmühen, endet es nicht immer so, wie wir es geplant haben. Es scheint nicht, als würden wir belohnt, ganz so, wie sich die Familie, die Lego gründete, viele Jahre lang gefühlt haben mag, als sie sich durch Schwierigkeiten und Nöte kämpfte.

Wenn wir viel Mühe in etwas stecken, erwarten wir Ergebnisse und sind frus­triert, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es erhofft oder geplant haben. Das bringt uns zu unserer Parascha: »Wenn du die Gebote hältst (…), werde ich Regen in dein Land bringen.« Ist das nicht ein Versprechen von Belohnung in dieser Welt?

Wenn jemand die Gebote hält, dann schafft der Ewige eine Umgebung, die der fortgesetzten Erfüllung solcher Mizwot förderlich ist

Maimonides, der Rambam (1138–1204), erklärt, dass in unserer Parascha und anderen ähnlichen Wochenabschnitten in der Tora nicht von Belohnung die Rede ist, wie wir sie vielleicht verstehen. Diese Welt ist die Arena, die uns die Möglichkeit bietet, uns durch die Mizwot Haschem zu nähern. Wenn eine Person die Gebote hält, dann schafft der Ewige eine Umgebung, die der fortgesetzten Erfüllung solcher Mizwot förderlich ist: keine Belohnung, sondern die logische Folge der Taten.

Das bringt uns zu einem Verständnis der Tochacha, der harten und furchtbaren Strafen, die sich daraus ergeben, wenn wir unseren Verpflichtungen nicht nachkommen. »Und wenn ihr nicht auf mich hört« (5. Buch Mose 25,14), dann werden wir, Klal Jisrael, enorme Härten durchmachen, bis wir unsere Haltung und unser Handeln korrigieren.

Diese Tochacha ist in der Tat eigentlich ein Akt enormer Güte von Haschem. Versuchen wir, dies und allgemein die Härten zu verstehen, die Haschem uns auferlegt.

Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808–1888) bietet einen faszinierenden Einblick in die Vertreibung des ersten Menschen aus dem Garten Eden. Vor der Sünde, als er eine reine und unbefleckte Verbindung zu Haschem hatte, war Gan Eden die perfekte Umgebung für ihn. Nachdem er jedoch ins Physische gezogen wurde und das Böse als Teil seiner selbst integriert hatte, musste er aus dieser Umgebung entfernt werden. Er musste in einer Umgebung leben, in der die Freuden nicht so leicht zugänglich waren – eine Umgebung, in der er »im Schweiße seines Angesichts Brot aß«. Das wurde nun die perfekte Umgebung für ihn. Das wurde nun sein Gan Eden.

Die perfekte Umgebung für uns ändert sich, wenn wir uns ändern

Die perfekte Umgebung für uns ändert sich, wenn wir uns ändern. Oft verstehen wir die Wege von Haschem nicht. Wir glauben, dass Streben und Mühe uns belohnen. Die harte Realität ist, dass die Dinge manchmal nicht so laufen, wie wir es geplant haben. Natürlich werden wir für unsere Anstrengungen viel mehr belohnt, als wir uns vorstellen können, wir können eine spirituelle Belohnung erhalten, die unbezahlbar ist. Stellen Sie sich einen Elternteil vor, der sein Kind am Rand einer Klippe entlanglaufen sieht und beschließt, keine Warnung zu rufen, aus Angst, das Kind zu verärgern. Unverantwortlich! Ein Schrei ist die freundlichste mögliche Tat. Ein zustimmender Blick – die grausamste mögliche Reaktion. Die Lektion, die wir aus der Tochacha lernen müssen, ist, dass Freundlichkeit manchmal die größte Grausamkeit und Grausamkeit manchmal die größte Freundlichkeit sein kann.

Angesichts der Schwierigkeiten, die Menschen durchmachen, ist es manchmal schwierig, die Wege von Haschem zu verstehen. Wir können die Geschichte von Lego so sehen, dass es trotz Schwierigkeiten möglich ist, vorwärts zu streben, und hoffentlich gibt es trotz der Schwierigkeiten wie bei Lego vielleicht ein positives Ergebnis. In den frühen Jahren des Unternehmens Lego passte sich die Familie nach jedem Rückschlag an und führte die Firma am Ende trotz dieser Rückschläge zu einem Erfolg, der Generationen von Kindern mit dem besonderen Spielzeug inspirierte.

Wenn Sie jemals eine Lego-Packung geöffnet haben, um ein neues Set zu bauen, schauen Sie vielleicht in die Schachtel und sehen ein Teil, das nicht zu passen scheint. Erst nach einer Weile des Zusammensetzens stellen Sie fest, dass dieses Teil, obwohl es sehr seltsam aussieht, intakt ist, ein zentrales Teil der Konstruktion, ohne das das Ganze auseinanderfallen würde.

Während unseres Exils haben wir Juden viele schwierige Zeiten durchgemacht, die wir nicht verstehen

Während unseres Exils haben wir Juden viele schwierige Zeiten durchgemacht, die wir nicht verstehen. Als Nation, aber auch als Individuen haben wir Perioden und Situationen erlebt, die nicht zusammenzupassen schienen. Unser Volk wurde zu einem robusten Baustein geformt, genau wie Lego. All das Gewicht und der Druck können den Baustein nicht zerstören. Und gleichzeitig können wir die entscheidende Bedeutung dieser Perioden, die wir durchlebt haben, nur in der Gesamtheit der Geschichte verstehen.

Wir können manches lernen von Lego, diesem robusten kleinen Baustein, der enorm robust bleibt und sich anpassen und für alle möglichen Zwecke verwendet werden kann. Manchmal scheinen Dinge unmöglich. Wenn wir uns diesen kleinen Baustein das nächste Mal ansehen, können wir an all die Herausforderungen und Hindernisse denken, die Lego überwinden musste, um zu dem zu werden, was es ist. Wenn wir Schwierigkeiten und Herausforderungen auf diese Weise betrachten, können auch wir versuchen, sie zu überwinden, und die Welt zu einem besseren Ort machen.

Der Autor ist Rabbiner in London.

inhalt
Im Wochenabschnitt Ki Tawo sollen die Israeliten aus Dankbarkeit für die Ernte und die Befreiung aus der Sklaverei ein Zehntel der Erstlingsfrüchte opfern. Und sie sollen die Gebote des Ewigen auf großen Steinen ausstellen, damit alle sie sehen können. Danach schildert die Tora Fluchandrohungen gegen bestimmte Vergehen der Leviten. Dem folgt die Aussicht auf Segen, wenn die Mizwot befolgt werden.
5. Buch Mose 26,1 – 29,8

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