Tradition

»Von Krankheit zu völliger Genesung«

»Gelobt seist Du, Ewiger, der Du die Kranken Deines Volkes Israel heilst.« Foto: Rafael Herlich

In mehreren Büchern der Bibel findet man Gebete für die Genesung von Erkrankten. So lesen wir im 1. Buch Mose: »Awraham betete zu Gott; da heilte Gott Awimelech, seine Frau und seine Magde, und sie gebaren. Denn ganz verschlossen hatte der Ewige jede Gebärmutter des Hauses Awimelech um Saras willen, der Frau Awrahams« (1. Buch Mose 20, 17–18).

Auch von Awrahams Sohn Jizchak erfahren wir, dass er sich an Gott wandte: »Und Jizchak betete zum Ewigen für seine Frau, denn sie war unfruchtbar. Und der Ewige ließ sich ihm erbitten, und seine Frau Rivka wurde schwanger« (1. Buch Mose 25,21). Ein drittes Beispiel für eine Fürbitte, die jemand für eine andere Person sprach: Als Miriam aussätzig wurde, setzte sich ihr Bruder, Mosche Rabbenu, für sie ein: »Und Mosche schrie zum Ewigen und sprach: Gott, oh heile sie doch« (4. Buch Mose 12,13).

Bracha Eine Bracha, in der es um die Heilung von Seele und Körper geht, finden wir im zentralen Achtzehngebet (bekannt als »Ami- da«), das ein Jude an gewöhnlichen Wochentagen – also nicht am Schabbat und an Feiertagen – dreimal täglich rezitiert. Die achte Bracha der Amida lautet: »Heile uns, Ewiger, so werden wir geheilt, hilf uns, so wird uns geholfen, denn du bist unser Ruhm. Und bringe vollkommene Heilung für unsere Leiden, denn Du, Gott, bist ein König, der zuverlässig und barmherzig heilt. Gelobt seist Du, Ewiger, der Du die Kranken Deines Volkes Israel heilst.«

In diesem Segensspruch wird für jeden Kranken, an welcher Krankheit er auch leiden mag, gebetet – sowohl Leib als auch Seele sollen ihm gesunden. Rabbiner Shimon Schwab übersetzt die Aussage des ersten Satzes, der auf Jeremia 17,14 basiert, in eine moderne Sprache: »Wenn ich ge-heilt bin, werde ich nicht den Arzt loben noch die Medikamente, sondern dich, denn du hast mir geholfen.« Erwähnenswert ist, dass die Möglichkeit besteht, in die achte Bracha der Amida ein Gebet fur einen be-stimmten Kranken einzuschalten.

In manchen Gebetsbüchern, so zum Beispiel im »Siddur Schma Kolenu« (Basel 1996), ist der in die achte Bracha einzufügende Text angegeben: »Möge es Dein Wille sein, Ewiger, unser Gott und Gott unserer Väter, dass du schnell vollkommene Heilung vom Himmel sendest, Heilung der Seele und Heilung des Körpers, dem Kranken inmitten der übrigen Kranken Israels«. Viele Autoren haben die praxisrelevante Tatsache unterstrichen, dass Gebete keineswegs medizinische Behandlungen ersetzen können. Juden dürfen sich in ihrem Leben nicht auf Wunder verlassen. Erst muss man sich um fachärztliche Hilfe bemühen, und dann erst darf man himmlischen Beistand erflehen.

Schulchan Aruch
Den drohenden Tod eines Schwerkranken abzuwenden, unternehmen Juden, indem sie den Namen des Kranken ändern; dieser Brauch ist im Schulchan Aruch erwähnt (Glosse von Rabbiner Mosche Isserles zu Jore Dea 335,10). Die entsprechende Zeremonie nennt man »Schinui Schem«.

Bei einer solchen Namensänderung spricht die Gemeinde zuerst einige Psalmen, dann sagt man das folgende Gebet: »Und ist auch in Deinem gerechten Gericht der Tod über ihn (den Kranken) beschlossen, so haben doch unsere heiligen Lehrer gesagt, dass drei Dinge das über einen Menschen be-schlossene Verhängnis abzuwenden vermögen, wovon eines die Namensänderung ist. Und so haben wir ihre Worte erfüllt und seinen Namen geändert. Er ist ein anderer, er ist nicht mehr der, welcher mit dem ersten Namen genannt wurde. Wie sein Name geändert, so möge das Verhängnis sich für ihn wandeln von Recht in Erbarmen, von Tod zu Leben, von Krankheit zu völliger Genesung.«

In der Praxis gibt man den Erkrankten einen zusätzlichen Namen. So wird zum Beispiel aus einem Awraham ein Raphael Awraham und aus einer Rachel eine Chaja Rachel. Leben die Erkrankten dann mehr als 30 Tage mit ihrem neuen Namen, so bleibt dieser nach der Gesundung bestehen und soll später sogar auf dem Grabstein verzeichnet werden.

Der Autor ist Psychologe und lehrte an der Universität Köln. Auszug aus seinem Text »Jüdische Gebete um Gesundheit von Körper und Seele«, erschienen im oben erwähnten Sammelband »Bikkur Cholim«.

Wajikra

Zeichen der Zuwendung

So wie sich die Engel gegenseitig rufen, wird Mosche vom Ewigen gerufen

von Rabbinerin Gesa Ederberg  24.03.2023

Talmudisches

Urteile, die zum Himmel schreien

Was unsere Weisen über die Gerichtsbarkeit in der Stadt Sodom lehrten

von Yizhak Ahren  24.03.2023

Interview

»Unser Einfluss wird größer«

Ilana Epstein über die Rolle der Rebbetzin, Veränderungen und ein Treffen in Wien

von Imanuel Marcus  23.03.2023

Debatte

Für die Freiheit des Glaubens

Moskaus früherer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt sprach in Berlin über die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für das jüdische Leben in Europa

von Gernot Wolfram  23.03.2023

Konferenz

Rat für Ratgeberinnen

Rebbetzins aus ganz Europa tauschten sich in Wien über ihre Herausforderungen im Alltag aus

von Stefan Schocher  23.03.2023

Technologie

Beten mit Handy

Warum spezielle Apps viel mehr sein können als Siddurim auf dem Smartphone

von Chajm Guski  21.03.2023

Kleidung

Wann ist ein Jude religiös?

Äußerlichkeiten können in die Irre führen – auch die Befolgung der zwischenmenschlichen Gesetze ist von zentraler Bedeutung

von Daniel Neumann  17.03.2023

Talmudisches

Korpulente Rabbiner

Was unsere Weisen über Leibesfülle und körperliche Gesundheit lehrten

von Vyacheslav Dobrovych  17.03.2023

Wajakhel–Pekude

Herausforderungen angehen

Die Tora lehrt: Der Mensch muss den ersten Schritt tun, dann wird G’tt ihm helfen

von Shlomo Rottman  17.03.2023