Talmudisches

Von falschen Zähnen

Zähne haben nicht nur eine lebenswichtige Funktion, sondern auch eine ästhetische Bedeutung. Foto: Getty Images/ lucaprestia

Zahnschmerzen und Zahnfleischprobleme beschreibt der Talmud an unterschiedlichen Stellen, nicht nur auf den Menschen beschränkt, sondern sogar bei Tieren. Was aber doch dem Menschen vorbehalten bleibt, das ist der Zahnersatz. Und auch dieses Thema wird im Talmud behandelt, lange vor den heutigen Möglichkeiten der Zahnprothetik.

Es war unseren Weisen bewusst, dass Zähne nicht nur eine ästhetische Bedeutung haben, sondern auch eine lebenswichtige Funktion. So ist in Nidda 65a dargelegt, dass durch das Fehlen von Zähnen die Nahrungsaufnahme erschwert wird.

Um dem entgegenzuwirken und auch um aus kosmetischen Gründen unschöne Zahnlücken zu schließen, bediente man sich bereits in talmudischer Zeit eines Zahnersatzes, Schen totevet genannt, wörtlich »herausnehmbarer Zahn« (Nedarim 66b, Schabbat 65a).

Elfenbein Wer es sich leisten konnte, verwendete falsche Zähne aus Elfenbein oder Edelmetall. Archäologische Funde zeigen, dass sogar schon Vorläufer von Zahnbrücken in Gebrauch waren, Metallschienen, in die auch mehrere solcher Zähne eingesetzt werden konnten, im Fall von größeren Zahnlücken.

Allerdings war wohl auch schon zur damaligen Zeit die Form und Qualität des Zahnersatzes eine Frage des Geldes. Falsche Zähne aus Tierknochen verloren ihre Färbung und mussten aus ästhetischen Gründen häufig erneuert werden. Ganz Unbegüterte verwendeten sogar Holzstückchen, was der Kosmetik sicherlich abträglich war, selbst wenn damit zumindest vorübergehend eine gewisse Funktion erreicht werden konnte.

Goldzahn Einen minderwertigen Zahnersatz hatte offenbar auch jenes Mädchen, dem der mitleidige Rabbi Jischmael einen Goldzahn von seinem eigenen Geld bezahlte (Nedarim 66b), weil sie so entstellt war durch den hässlichen falschen Zahn, den sie zuvor hatte. So wurde das Mädchen attraktiver.

Rabbi Jischmael befand nämlich: »Die Töchter Israels sind schön, nur die Armut verunstaltet sie.« Und als er starb, betrauerte man ihn mit den Worten: »Weint um Rabbi Jischmael, Töchter Israels, der euch kleidete.«

Neben Zähnen aus Gold waren auch welche aus Silber im Gebrauch, wobei Letztere als weniger kleidsam galten, wohingegen ein Goldzahn als ein Schmuckstück betrachtet wurde. Aber auch ein solcher wertvoller Schen totevet war, wie der Name sagt, herausnehmbar. Und wie jegliche Zahnprothetik konnte auch ein Goldzahn zur Unzeit herausfallen.

Schabbat Der Talmud diskutiert daher die Frage, ob es einer Frau erlaubt sei, am Schabbat mit einem Zahnersatz aus dem Haus zu gehen, insbesondere wenn dieser aus Gold ist (Schabbat 65a).

Bei einem falschen Zahn aus weniger wertvollem Material, auch einem aus Silber, waren sich unsere Weisen allerdings einig, dass dies gestattet sei. Die Mischna besagt nun, dass alles, was eine Frau in ihrem Mund trägt, am Schabbat erlaubt sei. Daher entschied Rabbi Meir, dass darunter auch der goldene Zahn falle. Andere widersprachen ihm, mit dem interessanten Argument, der teure Zahn könnte herausfallen, dann würde die Frau ihn gewiss aufheben und in der Hand tragen – was am Schabbat verboten sei. Oder die Frau könnte den schönen Zahn sogar absichtlich herausnehmen, um ihn herumzuzeigen.

Als Gegenargument wurde jedoch angeführt, dass die Frau damit gleichzeitig auch ihre unschöne Zahnlücke präsentieren würde, was die Sache eher unwahrscheinlich mache. Und so wurde entschieden, dass das Ausgehen mit einem solchen Zahn auch am Schabbat gestattet sei.

Über Männer mit Zahnersatz wird an dieser Stelle von unseren Weisen kein Wort verloren. Jedoch ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass diese Entscheidung wohl auch für einen goldenen Schen totevet im Munde eitler Männer galt.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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