Talmudisches

Spitznamen

Im Spiel ist manches erlaubt, was im wahren Leben verletzen kann. Foto: Getty Images

Die folgende Mischna erläutert eine Mizwa der Tora, indem sie konkrete Beispiele bringt: »Wie es eine Übervorteilung (Hebräisch: Onaah) bei Kauf und Verkauf gibt, so gibt es auch eine Kränkung (Hebräisch: Onaah) durch Worte. Man darf nicht nach dem Preis einer Sache fragen, wenn man sie nicht zu kaufen beabsichtigt. Hat jemand Buße getan, so darf man nicht zu ihm sagen: Denke an deine früheren Taten. Stammt jemand von Proselyten, so sage man nicht zu ihm: Denke an die Taten deiner Vorfahren« (Baba Metzia 58b).

Die Mizwa »Und ihr sollt nicht kränken einer den andern« (3. Buch Mose 25,17) bezieht sich auf verschiedene Sachverhalte; das Gemeinsame ist: Man darf anderen Menschen keinen Kummer bereiten!

STRAFE In der Gemara wird ein weiterer Fall erwähnt: »Rabbi Chanina sagte: Alle, die ins Fegefeuer hinabsteigen, kommen zurück herauf, ausgenommen drei, die hinabsteigen und nicht heraufkommen. Die drei Ausnahmen sind: Wer mit einer verheirateten Frau kohabitiert, wer seinen Nächsten öffentlich beschämt, und wer seinen Nächsten beim Spottnamen nennt.«

Der Talmud wendet ein: »Das Nennen beim Spottnamen gehört ja zur Beschämung« – warum spricht Rabbi Chanina von drei Ausnahmen? Die Antwort lautet: »Auch in dem Falle, wenn er sich schon daran gewöhnt hat (und durch den Spitznamen nicht mehr beschämt wird).« Raschi erklärt: Weil der Sprecher die Absicht hatte, den Genannten zu beschämen, hat er eine schwere Sünde begangen, auch wenn jener keine Beschämung verspürt hatte.

VERZEIHUNG Die von Rabbi Chanina mitgeteilte Strafe für die Benutzung eines Spottnamens mag uns sehr hart erscheinen. Bereits in einer Mischna heißt es: »Wer seinen Nächsten öffentlich beschämt, hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt« (Sprüche der Väter 3,15). Maimonides erklärt, dass die Weisen deshalb von einer schweren Strafe gesprochen haben, um vor den entsprechenden Verfehlungen eindringlich zu warnen. Jedoch kann der Sünder der himmlischen Bestrafung nach dem Tod entkommen, wenn er das Gesagte bereut, um Verzeihung bittet und zum Weg der Mizwot zurückkehrt (Hilchot Teschuwa 3,14).

Erklärungsbedürftig sind zwei Aussagen im Traktat Megilla (27b und 28a). Unabhängig voneinander wurden Rabbi Zakkai und Rabbi Zera von ihren Schülern gefragt, durch welche Verdienste sie ein langes Leben bekommen hätten. Beide Tora-Lehrer nannten mehrere Gründe, unter anderem die Tatsache, dass sie nie Spitznamen benutzt hätten. Wenn solche Namen verboten sind – wieso konnten Rabbi Zakkai und Rabbi Zera sich die Nichtverwendung als Verdienst anrechnen? Die Antwort der Tossafot auf diese Frage lautet, dass beide aus Frömmigkeit nicht einmal erlaubte Spitznamen in den Mund nahmen.

abkürzungen Doch sind keineswegs alle Beinamen verboten. Abkürzungen wie »Pinki« für Pinchas oder »Srulik« für Israel sind ganz unproblematisch. Kosenamen wie »Schatzi« oder »Liebling« sind harmlos und beliebt. Wie aber sind Bezeichnungen wie »Dummerchen« oder »Fantastikus« einzuschätzen? Die Empfindlichkeit der angesprochenen Person sowie die Intention des Sprechers spielen eine wichtige Rolle. Im Talmud (Bechorot 58a) wird berichtet, dass Ben Asai den berühmten Tannaiten Rabbi Akiwa »Kahlkopf« nannte. Sicher war Rabbi Akiwa diese Bezeichnung gewohnt, und Ben Asai wollte den Meister gewiss nicht kränken.

Rabbiner Yitzchak Zilberstein wurde einmal gefragt, ob man einen tüchtigen Lehrer entlassen darf, weil er Schülern, die bei Verfehlungen erwischt worden waren, Beinamen zu geben pflegte. So nannte er einen Zögling, der Kameraden verprügelt hatte, »Schläger«. Rabbiner Zilberstein entschied, dass man dem Lehrer die Chance geben muss, seine Erziehungsmaßnahmen zu ändern. Bleibe der Mann aber trotz Abmahnung bei seiner Gewohnheit, kränkende Beinamen zu verwenden, so sei dies tatsächlich ein Grund, den Arbeitsvertrag zu kündigen.

Religion

Israels Oberrabbiner erstmals auf Deutschlandbesuch

Kalman Ber startet seine Reise in Hamburg und informiert sich dort über jüdisches Leben. Ein Schwerpunkt: der geplante Neubau einer Synagoge

 10.12.2025

Thüringen

Jüdische Landesgemeinde und Erfurt feiern Chanukka

Die Zeremonie markiert den Auftakt der inzwischen 17. öffentlichen Chanukka-Begehung in der Thüringer Landeshauptstadt

 08.12.2025

Wajischlach

Zwischen Angst und Umarmung

Die Geschichte von Jakow und Esaw zeigt, wie zwei Brüder und zwei Welten wieder zueinanderfinden

von Rabbiner Joel Berger  05.12.2025

19. Kislew

Himmlischer Freispruch

Auch wenn Rosch Haschana schon lange vorbei ist, feiern Chassidim dieser Tage ihr »Neujahr«. Für das Datum ist ausgerechnet der russische Zar verantwortlich

von Chajm Guski  05.12.2025

Talmudisches

Freundlich grüßen

Was unsere Weisen über Respekt im Alltag lehren

von Yizhak Ahren  04.12.2025

Begnadigung

Eine Frage von biblischer Tragweite

Die Tora kennt menschliche Reue, gerichtliche Milde und g’ttliche Gnade – aber keine juristische Abkürzung

von Rabbiner Raphael Evers  03.12.2025

Geschichte

Wie Regina Jonas die erste Rabbinerin wurde

Die Ordination Ende 1935 war ein Ergebnis ihres persönlichen Kampfes und ihrer Kompetenz – ein Überblick

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  03.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 01.12.2025 Aktualisiert