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Soundtrack der Suche

Rapper mit Hut: Nissim Black Foto: picture alliance / Sipa USA

Der wohl berühmteste orthodoxe Rapper hat ein neues Album vorgelegt: »Glory« heißt es, ein Wort, das im jüdisch-religiösen Kontext gar nicht so leicht zu übersetzen ist: In den deutschen Gebetsbüchern ist meist von Herrlichkeit, Ehre oder Ruhm die Rede. Und diese soll nicht wie sonst in diesem Genre üblich dem Rapper selbst gebühren, sondern nur Einem; vor der Veröffentlichung gab Nissim auf Instagram bekannt: »Das Album soll einzig und allein G’tt die Ehre erweisen.«

Für diejenigen, die noch nie von der sanften, schnellen Stimme Nissim Blacks gehört haben: Der Afroamerikaner hieß früher Damian Jamohl Black und wuchs als Muslim in Seattle auf. Er hatte keine leichte Kindheit. Seine Eltern handelten mit Drogen, und bereits in seinen Jugendjahren schloss er sich einer Gang an. Später konvertierte Nissim zum Christentum und wurde ein erfolgreicher Rapper.

Seine alten Videos findet man noch heute auf YouTube: Dicke Karren, tanzende Frauen, schwingende Goldkettchen, man kennt es. Doch in seinen 20ern kommt für Nissim die Wende. Er beschäftigt sich intensiv mit allen drei monotheistischen Religionen, verbringt bis zu acht Stunden täglich mit dem Lesen der Tora, des Korans und der Evangelien. Unerwartet für alle findet Nissim seine Wahrheit im Judentum. 2013 tritt er über. Er wird ein treuer Chassid von Rabbi Nachman von Bratzlaw und zieht mit seiner Familie nach Jerusalem. Doch der Rap bleibt in seinem Leben: Nur geht es nun nicht mehr um Gangsterkram, sondern um G’tt.

Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums lädt ein sichtbar müder Nissim ein Instagram-Video hoch. Nissim erzählt, er sei die ganze Nacht wach geblieben, um für den Erfolg seines Albums zu beten. »Mir geht es hier nicht um den kommerziellen Erfolg, sondern darum, dass die Botschaft dieses Albums möglichst viele Menschen berührt!«

Dicke Karren, tanzende Frauen, schwingende Goldkettchen – das war einmal.

Nissim wirkt nicht wie ein religiöser Fanatiker, er zeigt sich auf seinem neuen Album höchst selbstkritisch und empathisch. Seine Texte befassen sich mit der Erkenntnis der eigenen Schwächen und der eigenen Verwundbarkeit, die im Angesicht von G’ttes bedingungsloser Liebe Heilung erfährt. So rappt er in »Love Me«: »I try to follow you / I know I am hard to move / but my heart is true. / It is not always easy, but I am still here / cause’ I know that you love me« (»Ich versuche dir zu folgen / ich weiß, es ist hart, mich zu bewegen / aber mein Herz ist wahrhaftig- / Es ist nicht immer einfach, doch ich bin immer noch hier / weil ich weiß, dass du mich liebst«).

Nissim spricht vielen Orthodoxen aus dem Herzen: G’ttes Geboten zu folgen, bedeutet unweigerlich auch, die Grenzen zu spüren, die durch das Ego, die Triebe, den Körper geschaffen werden und die sich nicht den Geboten beugen wollen. Der innere Kampf um die tägliche Überwindung dieser Grenzen ist nicht immer siegreich, und doch bleibt man dran, weil man immer wieder kleine Liebesbotschaften des Schöpfers erhält.

Auch Nissim zweifelt, wie auf seinem Track »Ayeh«: »Where is the place of your glory? / You fill the heavens and the earth with your light / but for me it is not shining so bright« (»Wo ist der Ort deiner Herrlichkeit? / Du füllst die Himmel und die Erde mit deinem Licht / doch für mich leuchtet es nicht so stark.«)

Erste konvertierte der Muslim zum Christentum, 2013 dann zum Judentum.

Nissim zitiert hier die berühmte Frage der Engel, die auch Teil der Keduscha während des Mussaf-Gebets am Schabbat ist: »Die Engel fragen sich gegenseitig: Wo ist der Ort seines Ruhmes?« Diese Stelle lehrt uns, dass selbst die himmlischen Engel angesichts von G’ttes Erhabenheit in ihrem Verständnis begrenzt sind und nicht alle Antworten haben.

Auch Nissim stellt sich Fragen: »Wenn G’tt doch überall ist, sein Licht die Welt füllt, wieso ist mein Herz dann manchmal so verzweifelt?« Gleich König David in den Psalmen kämpft sich Nissim im Laufe des Textes zurück zum Glauben und zum Vertrauen und beendet den Track mit den Worten: »But you have never let me down / and your Name is holy / let me give you the glory« (»Aber du hast mich niemals enttäuscht / dein Name ist heilig / lass mich dir den Ruhm geben!«).

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