An Sommertagen verbringen Eltern gern Zeit mit ihren Kindern im Schwimmbad. Dabei sieht man häufig Väter oder Mütter, die ihren Kindern das Schwimmen beibringen. Laut einer talmudischen Meinung ist das Schwimmenlernen nicht nur hilfreich, sondern erfüllt sogar ein gʼttliches Gebot.
So heißt es im Traktat Kidduschin 29a: »Ein Vater ist seinem Sohn gegenüber verpflichtet, ihn zu beschneiden, ihn beim Kohen auszulösen, ihn die Tora zu lehren, ihn mit einer Frau zu verheiraten und ihn ein Handwerk zu lehren. Und einige sagen: Ein Vater ist auch verpflichtet, seinem Sohn das Schwimmen beizubringen.«
Was ist die gemeinsame Grundlage all dieser elterlichen Pflichten? Die erste Pflicht, die Beschneidung, ist der Beginn des Bundes mit Gʼtt. Das hebräische Wort »Brit« bedeutet »Bund« sowie »Beschneidung« – und hat den Zahlenwert 612. Die Tora kennt 613 Gebote, und die Beschneidung ist eines davon. Symbolisch verweist die Beschneidung darauf, dass alle übrigen 612 Gebote mit diesem Bund mit Gʼtt in Zusammenhang stehen.
In den Dienst des Schöpfers gestellt
Die Beschneidung des Penis ist ein Zeichen dafür, dass der Mann seine Sexualität in den Dienst des Schöpfers stellt. Sexualität wird nicht bloß als körperliche Bedürfnisbefriedigung verstanden, sondern als schöpferische Kraft, durch die neue Generationen entstehen, getragen von Liebe und Verantwortung. Dieser Bund wurde erstmals mit Awraham geschlossen und bildet die Grundlage des jüdischen Lebens.
Die nächste Pflicht ist das Gebot der Auslösung des erstgeborenen Sohnes, das sogenannte Pidjon haBen. Nach dem biblischen Bericht verschonte Gʼtt beim Auszug aus Ägypten die erstgeborenen Söhne Israels, während jene der Ägypter starben. Als Folge wurden die israelitischen Erstgeborenen ursprünglich für eine priesterliche Rolle vorgesehen. Doch nach dem Götzendienst mit dem Goldenen Kalb wurde dieser Dienst auf die Leviten und Kohanim übertragen.
Ein Vater, der weder Levi noch Kohen ist, muss seinen erstgeborenen Sohn vom Kohen für fünf Schekel Silber auslösen.
Seitdem gilt: Ein Vater, der weder Levi noch Kohen ist, muss seinen erstgeborenen Sohn vom Kohen für fünf Schekel Silber – heute etwa 80 Euro – auslösen. Dieses Ritual erinnert daran, dass unser Leben nicht uns selbst gehört, sondern dem Dienst an Gʼtt verpflichtet ist. Auch wenn wir keine Kohanim oder Erstgeborenen sind – ganz Israel wird in der Tora als »mein erstgeborener Sohn« bezeichnet (2. Buch Mose 4,22).
Darauf folgt die Verpflichtung, den Sohn Tora zu lehren. Ohne Tora kann man keine der anderen Gebote kennen oder verstehen. Sie bietet nicht nur religiöse Anweisungen, sondern ist eine Lebensschule. Rabbi Akiva fasst sie in einem zentralen Prinzip zusammen: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«
Unterstützung bei der Gründung einer Familie ist eine Pflicht der Eltern
Auch die Unterstützung bei der Gründung einer Familie gehört zu den Pflichten des Vaters. Ob durch finanzielle Hilfe oder praktische Unterstützung – ein Vater soll seinem Sohn helfen, eine Ehe zu schließen. Denn die Gründung einer Familie bedeutet den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt, in dem man nicht mehr nur für sich selbst lebt, sondern Verantwortung für andere übernimmt.
Eng damit verknüpft ist die Pflicht, dem Sohn ein Handwerk beizubringen. Ein Beruf sichert nicht nur das Einkommen, sondern ist Ausdruck von Würde und Selbstständigkeit und ein Schutz vor Kriminalität.
Abschließend wird auch das Schwimmen genannt – scheinbar eine rein praktische Fähigkeit, doch von tiefem symbolischem Wert. Schwimmen zu können bedeutet, sich im Notfall selbst oder andere retten zu können.
All diese Pflichten, so unterschiedlich sie im Einzelnen erscheinen mögen, verfolgen dasselbe Ziel: einen Menschen auf das Leben vorzubereiten – körperlich, geistig, moralisch und spirituell. Ein Vater hilft seinem Sohn, ein Mensch zu werden, der in der Welt bestehen kann und zugleich im Dienste des Höchsten lebt. So entsteht ein ganzheitliches, verantwortungsbewusstes Leben im Zeichen des Bundes mit Gʼtt.