Purim

Schmeichler und Wichtigtuer

Als Esther vor den König trat, war Achaschweroschs Entscheidung sofort gefallen. Er ging zu ihr, ergriff ihre Hand und fragte sie nach ihrem Namen. Achaschwerosch spürte, dass sie nicht nur schön, sondern auch freundlich und klug war, und rief laut und für alle deutlich: »Die schöne Esther soll meine neue Königin werden. Ein Hoch auf Esther!« Und alle fielen ein.

Während die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren liefen, hatte Mordechai (Esthers Cousin und Adoptivvater, Anmerkung der Redaktion) Gelegenheit, noch einmal mit Esther zu sprechen. Er schärfte ihr ein, nicht zu sagen, dass sie Jüdin sein. »Dafür ist es noch zu früh«, sagte er. »Du musst deine Herkunft noch geheim halten.« (...) Ein paar Tage nach der Hochzeit war wieder der jährliche Der-König-verleiht-Orden-Tag.

lügen
Diesmal ging die Auszeichnung an Haman. Dieser Haman war ein grimmiger und böser Zeitgenosse, der sich seine Stellung bei Hofe vor allem dadurch erschlichen hatte, indem er andere schlechtmachte und Lügen über sie verbreitete, denn er wollte der wichtigste Mann im Land neben dem König sein. Achaschwerosch selbst erzählte er jedoch unentwegt Schmeicheleien, und darauf fallen alle Könige herein. Hamans Brutalität aber bekam bald auch Mordechai zu spüren.

Bei der großen Ordensverleihung mussten sich nämlich alle Angestellten des Palastes auf Knien vor demjenigen verneigen, der ausgezeichnet wurde. Mordechai wusste aber, dass Haman zu all seinen übrigen bösen Eigenschaften auch noch ein Judenhasser war, und weigerte sich, vor ihm niederzuknien. Verblüffte und erschrockene Blicke trafen ihn von allen Seiten. Als die anderen ihn später drängten, ihnen zu erzählen, warum er das getan hätte, erwiderte Mordechai stolz: »Ich bin Jude, und ich knie nicht vor Götzen, und vor schlechten Menschen schon gar nicht!«

rache
Haman erfasste eine unglaublich große Wut darüber, dass Mordechai ihn vor dem ganzen Hof so beleidigt hatte, und sann auf Rache. Und als ihm hinterbracht wurde, dass Mordechai Jude sei, beschloss er in seiner Grausamkeit, dass alle Juden des Landes büßen sollten. Mordechai und mit ihm alle anderen sollten sterben. (...) Esther war verzweifelt. »Was können wir nur tun, um Hamans schrecklichem Plan zu entgehen?«, fragte sie Mordechai. Mordechai sagte zu ihr: »Esther, dich liebt der König so sehr. Dir könnte er keine Bitte abschlagen. Du musst tapfer sein und zu ihm gehen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ihm zu sagen, dass du Jüdin bist. Vielleicht lässt er dir zuliebe uns alle am Leben. Nimm all deinen Mut zusammen und bitte für uns.«

Esther holte tief Luft, sie spürte ihren Herzschlag in den Ohren. »Wenn du mich wirklich so sehr liebst, dann schenke mir mein Leben und das Leben meines Volkes, denn wir sollen alle getötet werden.« Entsetzt sprang Achaschwerosch von seinem Sofa auf: »Aber was sagst du denn da? Ich verstehe kein Wort! Wer will meiner geliebten Königin auch nur ein Haar krümmen? Wo ist der Schurke?« »Dort sitzt er, mein König, der böse Haman da«, antwortete Esther. (...)

angst Haman unterdessen wurde grün-rot-gelb vor Überraschung und Panik. (...) Er rutschte auf seinem Sessel hin und her und überlegte fieberhaft, wie er die Lage noch retten konnte. Für einen Augenblick waren Esther und er allein, den musste er nutzen! Sollte er ihr einfach Angst einjagen oder sollte er versuchen, sich schnell noch bei ihr einzuschmeicheln? (...) Er setzte sich ganz dicht an Esther heran und wollte gerade mit honigsüßer Stimme in ihr Ohr zu sprechen anfangen, als König Achaschwerosch erhitzt wieder in der Tür stand und lospolterte: »Nimm sofort die Finger von der Königin, du gemeiner Hund! Willst du ihr etwa sogar in meinem Palast Böses antun?«

Da meldete sich ein Diener zu Wort und berichtete dem König, dass Haman vor seinem Haus einen Galgen für Mordechai errichtet hatte. Esther wurde blass vor Schreck und rief: »Oh mein König, Mordechai ist mein Cousin! Beschützt ihn, er hat auch Euch das Leben gerettet!«

galgen Der König tobte und befahl: »Haman soll an dem Galgen, den er für Mordechai errichtet hat, selber hängen!« Und so geschah es. Das Haus von Haman schenkte der König Mordechai, und zu Esther sagte er: »Dein Volk soll sich nicht fürchten. Wenn noch einer im Lande heute einem Juden etwas Böses will, dann sollen die Juden zurückschlagen und denjenigen so bestrafen, wie sie es für richtig halten.«

Große Erleichterung und Freude herrschte unter den Juden in Persien. An dem Tag, den das Pur, das Los Hamans, für ihre Vernichtung bestimmt hatte, versammelten und bewaffneten sie sich alle, und wer auch immer sie angreifen wollte, wurde von ihnen zurückgeschlagen. Glücklich und ausgelassen feierten die Juden Persiens am 14. Adar rauschende Feste und ließen Esther und Mordechai hochleben. In der Stadt Schuschan aber gab es am 15. Adar eine großartige Feier, und das Fest wurde Purim, nach Pur, dem Los, benannt. In Jerusalem und anderen Städten in Israel, die von Mauern umgeben sind wie die Stadt Schuschan damals, wird Purim auch heute noch am 15. Adar gefeiert: Schuschan Purim.

»Die Geschichte von Purim – Das Buch Esther.« Aus der Bibel für Kinder nacherzählt von Raquel Erdtmann. Erhältlich auf Deutsch, Russisch, Englisch und Niederländisch bei amazon.de. Auszüge drucken wir mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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