Glossar

Scheitel

Seit dem 18. Jahrhundert die perfekte Alternative zur traditionellen Kopfbedeckung: Perücke Foto: Flash 90

Viele Uneingeweihte fragen sich, warum religiöse Frauen im Judentum Kopftuch, Hut oder Perücke tragen. Das Bedecken des Haares ist ein Toragesetz (Talmud Sota 72a) und wird auch später von Rambam, Maimonides (1135–1204), in Hilchot Issurei Biah (21,17) als Halacha bestätigt. Des Weiteren finden wir im Schulchan Aruch (Even HaEzer 21,2) folgende Aussage: »Jüdische Frauen sollten nicht mit bloßem Haupt zum Markt gehen.« Diese Halacha betrifft nur verheiratete Frauen.

Schon in Schir ha Schirim, dem Hohelied (6,5), wird das Haar als etwas sehr Sinnliches beschrieben, dessen Anblick im Rahmen der Bescheidenheit (Zniut) nur dem Ehepartner vorbehalten sein sollte. Es gibt eine klare Grenze zwischen Privatleben und dem Miteinander in der öffentlichen Gesellschaft. Das Bedecken des Haares ist nicht nur ein Zeichen an die Umwelt, dass die Frau verheiratet ist, sondern ermöglicht es auch, eine ganz besondere Intimsphäre zu wahren.

Traditionsgemäß bedecken religiöse Frauen ihr Haar entweder mit einem Tichel (Kopftuch), Hut oder einem Scheitel (Perücke). Rav Moshe Feinstein (1895–1986) ist nach intensiver Recherche zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es Frauen erlaubt ist, ihr Haar an der Stirn zwei Daumen breit zu zeigen. Der Sohar jedoch, das Hauptwerk der Kabbala, besteht darauf, dass die Frau ihr ganzes Haar ohne Ausnahme bedecken muss (Band 3, Seite 126a), und beschreibt auch ausführlich, welchen Segen die Frau und ihre Familie sich damit verdienen.

Perücken Bis Ende des 17. Jahrhunderts haben jüdische Frauen sich die Haare vor allem mit einem Tichel bedeckt. Als dann in Frankreich Perücken in Mode kamen, machte der Hype auch vor jüdischen Frauen nicht Halt. Die Perücke war die perfekte Alternative zur traditionellen Kopfbedeckung.

Die Debatte, ob eine verheiratete Frau eine Perücke tragen darf, hat schon die Mischna beschäftigt (unter anderem Berura 75,15). Ein bekannter Perückengegner späterer Zeiten war der Chatam Sofer (1762–1839). Viele befürchteten, dass das künstliche vom echten Haar kaum zu unterscheiden sei und daher den Sinn der Sache verfehlen würde.

Andere Rabbiner wie Rav Joshua Boaz ben Simon Baruch (gest. 1557) wiederum haben das Tragen einer Perücke ausdrücklich erlaubt. Seine Entscheidung wurde sogar in den Schulchan Aruch aufgenommen. Er meint, dass eine Frau ihr äußeres Erscheinungsbild nicht aufgeben darf. Wie wir heute sehen können, gelang es den Frauen, sich gegen den Protest vieler damaliger Rabbiner hinwegzusetzen. Heute sind Scheitel bei den meisten religiösen Frauen die Norm.

Interessanterweise hat der Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson (1902–1994) das Tragen eines Scheitels für Frauen besonders propagiert. Er war überzeugt davon, dass Frauen sich eher mit Perücke als mit Tichel oder Hut anfreunden würden, vor allem, wenn es heißt, sich in der modernen Gesellschaft zu zeigen oder zur Arbeit zu gehen.

Sefarden Obwohl viele in religiösen Kreisen das Tragen eines Scheitels heute als normal ansehen, gibt es immer noch prominente Stimmen, die sich dagegen äußern. Dazu gehört Israels sefardischer Oberrabbiner Ovadja Josef. Das Tragen von Perücken ist unter sefardischen Frauen daher eher selten.

Egal für welche Kopfbedeckung man sich entscheidet: So wie die Frauen beim Schabbatkerzenzünden die Augen verschließen, um die Außenwelt für wenige Momente auszublenden, wahrt die Frau auch ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit, um sich auf das Wesentliche in ihrem Leben zu konzentrieren.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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