Talmudisches

Respekt in der Beziehung

Geben und Nachgeben – eine gute Basis für lange Beziehungen Foto: Getty Images

Rabbi Helbo sagte: »Ein Mann muss immer darauf bedacht sein, die Ehre seiner Frau zu erhalten, denn nur wegen seiner Frau ist Segen im Haus eines Menschen zu finden. Heißt es doch (1. Buch Mose 12,17): ›Awraham wurde ihretwegen (wegen seiner Frau Sara) gütig behandelt‹« (Bava Metzia 59a).

Unsere Weisen sagen weiter: »Ein Mann sollte (…) seine Frau und seine Kinder ehren, (indem er ihnen) sogar mehr gibt, als er besitzt« (Chulin 84b).

Maimonides, der Rambam, ermahnte die Frauen, darauf zu achten, »ihren Mann sehr zu ehren«. Denn es sei für eine Frau leichter und natürlicher, ihren Mann zu lieben, als ihm gegenüber Respekt zu empfinden. Um das zu können, müsse sie an sich arbeiten. Dem Mann sei es ein Bedürfnis, respektiert zu werden.

Jede der oben genannten Quellen lehrt: Mann und Frau sollen sich gegenseitig ehren. Aber warum ist dies so wichtig? Sind Liebe, Zuneigung und Freundschaft nicht genug? Unsere Weisen sagen: Sogar »wer seine Frau so sehr liebt wie sich selbst«, müsse darauf achten, »sie noch mehr zu ehren, als er sich selbst ehrt«.

EHRE Manche Rabbiner fragen, wie man diese Ehre einander zum Ausdruck bringen könne. Jemanden wirklich zu ehren, bedeute, dass man bereit sei, sich vor dem anderen zu »verbeugen« – das heißt, das eigene Ego und den eigenen Willen zu beugen und zuzulassen, dass die Bedürfnisse und Anliegen des anderen Vorrang haben vor den eigenen.

Das ist kein leichtes Unterfangen, sondern ein Prozess, der auch mit Wachstumsschmerzen verbunden sein kann. Dies ist ganz normal, und wenn man weiß, dass Schwierigkeiten, Meinungsverschiedenheiten und hin und wieder auch Streit zum gemeinsamen Leben gehören, gerät man nicht sofort in Panik, wenn es einmal nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.

Vielleicht ließe sich im Kleinen anfangen. Man kann darauf achten, was der andere mag oder eher nicht mag, und es dementsprechend tun oder lassen. Oft muss die Frau ihrem Impuls widerstehen, ihren Mann »auseinanderzunehmen« und ganz anders »zusammenzusetzen«, nämlich so, wie sie es gern hätte. Sie mag es durchaus gut meinen, aber mit Liebe und Respekt hat dies nichts zu tun. Dasselbe gilt natürlich für den Mann.

Vor allem wäre es hilfreich, sich stets vor Augen zu halten: Wenn man dem anderen etwas gibt oder ihm gegenüber nachgibt, verliert man nicht zwingend etwas.

Oft kann man in einer Beziehung deshalb nicht nachgeben, weil man Angst hat, etwas zu verlieren. Sich innerlich vorzurechnen, wer wovon mehr macht und wem mehr zusteht, führt in eine Sackgasse. Die Rechnung geht nicht auf, denn der Mensch und auch die Beziehung leben vom gegenseitigen Geben.

GEBEN Auf Hebräisch heißt Liebe »Ahava«. Davon abgeleitet ist das Wort »hav« – geben. Je mehr man gibt, desto mehr liebt man. Dies gilt für alle Beziehungen, deshalb lieben Eltern ihre Kinder auch mehr, als die Kinder sie lieben.

Daher ergibt es auch Sinn, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht logisch erscheint, dem Menschen, den man nicht so mag, aber zu dem man die Beziehung verbessern möchte, kleine Komplimente zu machen oder einen Gefallen zu tun. Mit der Zeit verändert sich die Wahrnehmung, und oftmals entwickelt sich die Beziehung in eine positivere Richtung.

Beziehungsarbeit heißt nicht nur so, sondern sie ist tatsächlich Arbeit – und Arbeit macht nicht immer Spaß. Man sehnt sich zuweilen nach der anfänglichen Leichtigkeit in der Beziehung, als alles so unkompliziert schien. Oft wünscht man sich diese romantische Zeit zurück.

Der Londoner Rabbiner Akiva Tatz hat dazu in einem Vortrag sehr schön erklärt, was Romantik ist: nämlich eine Illusion. In der Tora kommt das Wort Romantik nicht vor, also muss man bei diesem Begriff auf der Hut sein. Denn nach der Phase des Kennenlernens kommt die ganz normale Phase des eigentlichen Zusammenlebens. Und da treffen zwei sich bisher fremde Menschen aufeinander, mit eigener Geschichte, Gewohnheiten und Vorstellungen, und bauen von da an ihre eigene, gemeinsame Geschichte. Durch das gegenseitige bedingungslose Geben – und vor allem Nachgeben – wird dieses Bauen erst möglich gemacht. Damit aus zwei Ichs ein Wir wird.

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