Interpretation

Nomen est Omen

»Kinder des Verstehens, acht Tage lang sangen und frohlockten sie«: Textzeile aus dem Chanukkalied »Maoz Tzur« Foto: dpa

Interpretation

Nomen est Omen

Erst die richtige Auslegung des Wortes Chanukka liefert den Schlüssel zu seiner Bedeutung

von Rabbiner Yisrael Rutman  03.12.2012 18:21 Uhr

Chanukka ist ein beliebtes Fest, das Wort Chanukka selbst ist wohlbekannt. Aber wie viele von uns, die Chanukkakerzen anzünden, wissen, was es bedeutet? Chanukka ist ein hebräisches Wort, aber eines, das im Tanach, der hebräischen Bibel, nicht vorkommt. Es wurde Hunderte von Jahren nach der Überreichung der Tora am Sinai geprägt, als das Fest in der Zeit des Zweiten Tempels eingeführt wurde. Eine der Bedeutungen des Wortes ist Einweihung.

Nachdem die Hasmonäer die Griechen aus dem Heiligen Tempel in Jerusalem vertrieben hatten, reinigten sie ihn von der Schändung durch die Eindringlinge und weihten ihn neu. Doch nicht der militärische Sieg wird gefeiert, sondern die Wiederherstellung des geistigen Zentrums des jüdischen Volkes. Der Krieg, den sie geführt hatten, war nur Mittel zu diesem Zweck.

opferriten Der Talmud berichtet, dass sie, nachdem sie den Tempel wieder in Besitz genommen hatten, den Tempelgottesdienst wieder einführten, einschließlich der Opferriten und des Anzündens der Ner Tamid, der ewigen Flamme, auf der Menora im Tempel. Nirgendwo in der Überlieferung wird eine Militärparade oder ein sportlicher Wettkampf erwähnt; ebenso wenig fiel es irgendjemandem ein, ein Bier oder eine Versicherungsgesellschaft nach den Makkabäern zu benennen, um das Ereignis zu feiern. Für diese Dinge mussten wir auf den Anbruch der Moderne warten.

Eine andere Erklärung legt dar, dass Chanukka sich zusammensetzt aus dem Wort Chanu – was bedeutet: Sie ruhten aus (von dem Krieg) – und den beiden letzten hebräischen Buchstaben, Chaf und Heh, deren numerische Entsprechung (Gematria), die Zahl 25, auf den 25. Tag des Monats Kislew verweist, den Tag, an dem der Sieg errungen wurde. Obwohl Chanukka rabbinischen Ursprungs ist, enthält die Tora Hinweise darauf: Das 25. Wort im 1. Buch Moses ist Ohr, was Licht bedeutet. Und der 25. Ort, an dem das wandernde jüdische Volk in der Wüste lagerte, war Chasmonah.

ursprung Damit kommen wir zu einem weiteren Schlüsselnamen in der Liste der Namen von Chanukka: dem der Hasmonäer oder Chashmonaim. Auch hier gibt es verschiedene Meinungen über Ursprung und Bedeutung. Einige behaupten, es sei schlicht der Familienname von Matisyahu und seinen Söhnen, Anführer des Aufstandes gegen die syrisch-griechischen Unterdrücker und ihre assimilationswilligen jüdischen Unterstützer. Andere sind der Ansicht, es handle sich um einen Ehrentitel, etwa »die Großen«. Vielleicht hießen die Chashmonaim auch nach ihrer Heimatstadt Chashmon in der Wüste von Judäa.

Ein anderer Name für Hasmonäer ist Makabbäer, und auch dieses Wort ist Gegenstand von Diskussionen. Während der Begriff »Chashmonaim« talmudischer Herkunft ist, trifft das auf »Makabbäer« nicht zu. Der Name stammt aus Chroniken jener Zeit. Einige behaupten, Makabbäer sei eine Abkürzung für die hebräische Wendung: Mi Kamocha B’Elim Hashem? Wer ist dir gleich unter den Göttern, oh Herr? So lautete das Motto des Aufstands, das auf dem Schild von Jehuda, dem dritten Sohn von Matisyahu, stand. Jehuda hatte nach dem Tod des Vaters die Führung übernommen. Eine andere Interpretation sieht in dem Namen die Abkürzung für Matisyahu Kohen ben Yochanan, Matisyahu der Priester, Sohn des Yochanan.

spitzname Makabbäer könnte auch »Hammer« bedeuten. Wie in Jehuda der Hammer anfangs Spitzname war, wurde der Zusatz im Lauf der Zeit auch auf seine Anhänger übertragen, die sich durch ihren großen Mut im Kampf gegen die überwältigende Übermacht des griechischen Reichs auszeichneten.

Manche halten Makabbäer für ein griechisches Wort, das eine heroische Persönlichkeit bezeichnet. Obwohl es paradox scheint, dass die jüdischen Krieger mit einem griechischen Begriff bezeichnet wurden, wo doch der ganze Zweck des Aufstands darin bestand, die griechische Kultur aus dem Haus Israel zu vertreiben und zu einer authentischen jüdischen Lebensweise in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Tora zurückzukehren.

maoz tzur In dem Lied von Maoz Tzur, dem traditionellen Lied von Chanukka, gibt es einen Verweis auf Bnei Binah, die Kinder des Verstehens. Das hebräische Wort »binah« impliziert eine ganz bestimmte Art und Weise des Verstehens, nämlich die Fähigkeit, aus einer Sache auf eine andere Sache zu schließen. Aus dem Wunder des Ölkrugs, der acht Tage lang brannte, obwohl sein Inhalt eigentlich nur für einen Tag reichte, erkannten sie, dass die Entdeckung dieses Gefäßes – des einzigen, heil gebliebenen Gefäßes im Tempel, dessen Reinheitssiegel nicht zerbrochen war – bereits ein Wunder war.

Daraus ergibt sich eine neue Antwort auf die berühmte Frage, warum das Fest, das an das Wunder des Öls erinnert, acht Tage lang dauert, obwohl das Wunder selbst doch nur sieben Tage anhielt. Chanukka dauert acht Tage, um das Wunder der Entdeckung dieses einen Gefäßes von reinem Öl einzubeziehen. Diese Erkenntnis scheint auch in den Worten des Lieds »Maoz Tzur« auf: »U’Minosar kankanim, na’aseh nes la’shoshanim; bnei binah, y’mei shmoneh, kavu shir u’renananim« – »Aus den Resten der Flaschen (von Öl), wurde ein Wunder für die Shoshanim (die Juden) vollbracht; Kinder des Verstehens, acht Tage lang sangen und frohlockten sie«.

Nun können wir die Bedeutung des Verses verstehen: Aufgrund des Wunders, dass der eintägige Ölvorrat sieben Tage lang brannte, erkannten sie, dass der erste Tag (der dadurch möglich wurde, dass überhaupt reines Öl entdeckt wurde) ebenso ein Wunder war. Und das ist der Grund dafür, dass sie das Fest auf acht Tage festlegten, mit Singen und Frohlocken.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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