Birkat Hamason

Nahrung für die Seele

Nach der Bracha schmeckt das Essen noch besser. Foto: imago

Birkat Hamason

Nahrung für die Seele

Warum wir nach dem Essen Segenssprüche sagen

von Mosche Furer  22.07.2013 18:04 Uhr

Die Parascha Ekew handelt von einer Rede, die Mosche dem Volk hielt. Darin ruft er vor allem zu Gehorsam und zum Glauben an G’tt auf. Für all das Gute, was wir von G’tt erhalten, sollen wir ihm auch dankbar sein: »Und du sollst essen und satt werden und segnen den Ewigen, deinen G’tt, für das gute Land, das er dir gegeben hat« (5. Buch Mose 8,10).

Wir erhalten so viele wunderbare Dinge von G’tt! Ein jüdischer Mensch soll sich immer daran erinnern, woher alles kommt. Das fängt schon beim Essen und Trinken an. Hier gibt uns die Tora eine Mizwa: die Birkat Hamason, das Tischgebet. Dieser Segensspruch soll stets nach der Mahlzeit gesagt werden.

Was hat es mit Birkat Hamason, die uns ständig begleitet, auf sich? Sie enthält mehrere Segensprüche: Hasan – das Lob G’ttes, der die Welt erhält; Birkat Haaretz – Dankbarkeit an G’tt für alles, das sich auf das Land Israel bezieht; Boneh Jeruschalajim – Petition zum Schutz und Wiederaufbau Jerusalems; und Hatov ve hameitiv – allgemeines Lob und Dank G’tt gegenüber.

Einladung Wenn drei oder mehr Personen gegessen haben, wird der Birkat Hamason der Zimun, also eine Einladung, das Gebet zu sagen, vorangestellt. Die Gemara (Berachot 48b) erklärt, dass die vier Segenssprüche der Birkat Hamason dem oben genannten Toraabschnitt (5. Buch Mose 8,10) zu entnehmen sind: Und du sollst essen und satt werden und segnen … den Ewigen, deinen G’tt, – Birkat Hasan; für das (gute) Land – Birkat Haaretz (hier liegt die Betonung auf »das Land«; für das gute (Land) – Boneh Jeruschalajim (hier liegt die Betonung auf »gut«), das Er dir gegeben hat – Hatov ve hameitiv. Wenn du deinen Teil gegessen hast, sollst du segnen – Birkat Hazimun (Einladung zum Tischgebet).

Auch wenn bezüglich Hatov ve hameitiv und Zimun Meinungsverschiedenheiten über die genaue Herkunft bestehen, sind sich alle Kommentatoren darin einig, dass die ersten drei Segenssprüche direkt der Tora entstammen.

Grundideen Die Birkat Hamason erinnert uns mehrmals am Tag an die Grundideen des Judentums. Wir essen oft und gerne. Jeden Schabbat und Feiertag oder zu anderen – feierlichen oder traurigen – Anlässen wie einer Brit Mila (Beschneidung), einem Pidjon ha Ben (der Auslösung des erstgeborenen Sohnes) oder einer Jahrzeit dreht sich viel um das leckere Essen. Man könnte jedoch meinen, es wäre vielleicht besser, zu fasten, um spirituell zu wachsen und den jeweiligen Anlass gebührend zu begehen.

Rabbiner Baruch Mezibscher trägt hierzu eine passende Geschichte vor. Der Mensch würde durch das Fasten den eigenen Körper nur quälen, jedoch keinesfalls seine Eigenschaften verbessern oder die Gedanken reinigen. Das vergleicht Rabbiner Mezibscher mit einem Menschen, der in einer Kneipe sitzt und viel Alkohol trinkt, sein eigenes Pferd jedoch lässt er draußen verhungern. Das Pferd wäre in diesem Vergleich der fastende Körper.

Die nächste Frage ist, was man essen sollte: trockenes Brot mit Wasser oder roten Kaviar mit Ciabatta und dazu ein Glas Wodka? Diese Frage beantwortet die folgende Geschichte von Rabbiner Ytzchak Wurker. Ein sehr reicher und gleichzeitig sehr geiziger Mensch kam eines Tages zu einem chassidischen Rebben. Der Geizige war auch mit sich selbst sehr streng und nahm nur alle zwei Tage etwas zu sich: Schwarzbrot mit Wasser.

»Du musst jeden Tag Fisch und Fleisch essen und ein Glas Wein trinken«, sagte der Rebbe zu ihm. Die anderen Chassiden waren von solch einem Ratschlag überrascht. Später erklärte ihnen der Rebbe, was er meinte: »Ich habe das nicht gesagt, damit der Mann mehr isst und mehr Freude hat. Meine Absicht war, ihn zu motivieren, sich besser zu ernähren und den Armen zu helfen. Wenn er selbst jeden Tag Fleisch und Fisch isst und ein Glas Wein trinkt, dann gibt er den Armen vielleicht Schwarzbrot mit Hering.«

Schöpfung Verschiedene chassidische Werke stellen die Frage: »Wenn der Körper seine Nährstoffe aus dem Essen nimmt, woher bekommt die Seele ihre Nahrung?« Die Antwort ist, dass nichts in der Welt ohne einen Kern der G’ttlichkeit existieren könnte. Das Buch Tanya erklärt, dass es vor der Schöpfung nichts gab, und durch die Schöpfung wurde Materie ins Dasein gebracht. Es bedarf einer Kraft, die die Materie entsprechend existieren lässt, und dies ist nur mit einem Kern von G’ttlichkeit möglich.

Während die physischen Nährstoffe entsprechend zubereitet werden müssen, damit man sie zu sich nehmen kann, ist die Vorbereitung für die Aufnahme der geistigen Nährstoffe durch das Rezitieren der Brachot, der Segensprüche, notwendig. Hierbei bekräftigen wir, dass wir G’tt als Quelle der Existenz anerkennen und drücken unsere Dankbarkeit für die Befriedigung unserer Bedürfnisse aus. Der Mensch braucht, um zu leben, schließlich nicht nur physische Nährstoffe, sondern auch seelische Nahrung.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.

Paraschat Ekew
Der Wochenabschnitt zählt die Folgen des Gehorsams der Israeliten auf. Wenn sie sich an die Gesetze halten, würden die Völker jenseits des Jordans friedlich bleiben und sich materieller Fortschritt einstellen. Die bisherigen Bewohner
müssen das Land verlassen, weil sie
Götzen gedient haben – nicht, weil das Volk Israel übermäßig rechtschaffen wäre. Am Ende der Parascha verspricht Mosche, im Land Israel würden Milch und Honig fließen, wenn das Volk die Gebote beachtet und an die Kinder weitergibt.
5. Buch Mose 7,12 – 11,25

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025