Talmudisches

»Mögen deine Setzlinge so sein wie du«

Spielen für die Lebenserhaltung des Menschen eine wichtige Rolle: Bäume Foto: Getty Images / istock

Jüdische Quellen heben die Bedeutung der Bäume für die Natur hervor. Tu Bischwat gibt uns die Gelegenheit, uns wieder auf G’ttes Schöpfung zu besinnen und unsere Umwelt zu würdigen. Auf diese Weise können wir ein positives Beispiel für andere sein.

Bäume als Symbol des Lebenserhaltungssystems für den Menschen spielen auch eine wichtige pädagogische Rolle. Ursprünglich, so unsere Quellen, sollten Bäume vollständig zu unserem Lebensunterhalt beitragen. Stamm und Äste sollten wie Früchte schmecken. Da Bäume von G’tt als Hauptnahrungsquelle des Menschen vorgesehen waren, konnte der gesamte Baum zum unmittelbaren Nutzen gebraucht werden. Doch hätte dies seine Produktionskapazität zerstört.

Die Alternative war also, den Baum intakt zu lassen, damit er immer wieder Früchte hervorbringt, die der Mensch nutzen kann, ohne den Baum selbst zu zerstören (Raschi, Midrasch Bereschit Rabba).

Umwelt Es ist kein Zufall, dass wir Tu Bischwat mit Sensibilität für die Umwelt verbinden. Bäume nehmen im jüdischen Denken einen besonderen Platz ein. Unsere Geschichte aus dem Talmud zeigt dies auf einprägsame Weise:

In der Gemara, im Traktat Taanit 5b und 6a, lesen wir von Rabbi Nachman Bar Jitzchak und Rabbi Jitzchak. Beide saßen an einem Tisch und aßen. Als sie sich voneinander verabschiedeten, sagte Rabbi Nachman zu Rabbi Jitzchak: »Meister, gib mir einen Segen, wie vor einer Reise üblich.«

Rabbi Jitzchak sagte darauf zu ihm: »Ich werde dir ein Gleichnis erzählen. Deine Lage ist mit einem Menschen vergleichbar, der durch die Wüste wandert und hungrig, müde und durstig ist. Da findet er einen Baum. Dessen Früchte sind süß, und sein Schatten ist angenehm. Und wie durch ein Wunder fließt auch noch ein Wasserstrom zu Füßen seines Stammes. Der müde und hungrige Mann isst von den Früchten des Baumes und trinkt vom frischen Wasser. Glücklich und zufrieden setzt er sich in den Schatten des Baumes, um auszuruhen.

Nach einiger Zeit macht er sich auf, um weiterzugehen. Doch er will sich bei dem Baum dafür bedanken, dass er seine Lebenskräfte gestärkt hat. Er wendet sich dem Baum zu und sagt: Baum, womit soll ich dich segnen?

Wenn ich dir wünsche, dass deine Früchte süß sein mögen – dies wäre doch vergeblich, denn deine Früchte sind ja bereits süß. Wenn ich dich damit segnen will, dass du eine angenehme Farbe haben sollst – deine Farbe ist doch bereits angenehm. Womit könnte ich dich noch segnen? Wenn ich darum bitte, dass ein Wasserstrahl zu deinen Füßen fließen soll – es fließt bereits ein Bächlein unter dir. Ja, womit kann ich dich segnen?

Er denkt nach und überlegt. Plötzlich weiß er, was er für den Baum erbitten soll. Und er segnet ihn wie folgt: Möge es G’ttes Wille sein, dass alle Setzlinge, die aus dir hervorsprießen, genauso wie du sein mögen.«

Nachkommen Rabbi Jitzchak fährt fort und spricht zu Rabbi Nachman: »Siehst du, mein Freund, genauso verhält es sich mit dir. Womit soll ich dich segnen? Wenn ich dich mit großem Torawissen segne – du besitzt ja bereits großes Wissen. Soll ich dich mit Reichtum segnen? Du hast doch bereits alle Reichtümer dieser Welt. Wenn ich darum bitte, dass du mit Kindern gesegnet sein mögest – du hast doch bereits viele Kinder. Möge es vielmehr G’ttes Wille sein, dass deine Nachkommen so sein werden wie du. Das ist mein Wunsch und mein Segen für dich!«

Um diesen Segen bat Rabbi Jitzchak. In seiner Analogie zum Baum sagt Rabbi Jitzchak zu Rabbi Nachman, dass es in dem Gleichnis nicht um seine eigene Person geht. Er, Rabbi Nachman, braucht den Segen eigentlich nicht. Das Hauptaugenmerk muss auf seinen und unseren Nachkommen liegen, auf der nächsten Generation. Wir müssen alles tun, um unser Vertrauen in G’tt an unsere Kinder weiterzugeben.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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