Titusbogen

Menora in neuem Licht

Wer schon einmal in Rom gewesen ist, hat ihn höchstwahrscheinlich bestaunt: den Titusbogen. Mitten im antiken Herzen der »Ewigen Stadt«, am Eingang des Forum Romanum, ragt das imposante Triumphportal mit seinen 15 Metern in die Höhe.

Das am Ende des ersten Jahrhunderts n.d.Z. errichtete Monument erinnert an das Leben und die militärischen Siege von Kaiser Titus. Das Bauwerk wurde von Titus’ Nachfahren errichtet, um ihn für die Niederschlagung des Aufstands in der Provinz Judäa und die Eroberung Jerusalems im Jahr 70 n.d.Z. für alle Zeiten zu ehren.

Triumphzug Als Blickfang steht die berühmte Reliefdarstellung am linken Torbogen. Detailgetreu ist dort der Triumphzug nach Rom dargestellt. Römische Soldaten bringen Beutestücke wie den siebenarmigen Menoraleuchter aus dem zerstörten Jerusalemer Tempel in die Hauptstadt des Imperiums.

Moment mal – Römer tragen die Beutestücke? Sind es nicht vielmehr gefangen genommene Juden, die unter der strengen Aufsicht der Eroberer die heiligen Tempelschätze in die Diaspora bringen? Und macht das überhaupt einen Unterschied? Allerdings, sagt Professor Steven Fine. Der amerikanische Historiker widmete sich den beiden Deutungsweisen des Reliefs am Titusbogen am vergangenen Donnerstag in seinem Vortrag mit dem Titel »Who is Carrying the Menorah?« im Jüdischen Museum Berlin.

Der Veranstaltungssaal war an diesem Abend trotz des akademischen Charakters des Themas gut besucht. Das lag zum einen sicherlich an der Prominenz des Redners – ist der an der Yeshiva University in New York lehrende Fine doch eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der historischen Forschung zum Titusbogen.

Zum anderen dürfte die Tatsache, dass im Rahmen der aktuellen Ausstellung Welcome to Jerusalem derzeit ein historisch wertvoller Gipsabguss des Reliefs aus dem Antikenmuseum in Leipzig im Jüdischen Museum zu bewundern ist, zusätzliches Interesse geweckt haben.

Fine begann seinen Vortrag mit der fesselnden Wirkung, die der Titusbogen bis heute hat. »Es gibt nur wenige römische Artefakte, die so viel Interesse und Faszination weltweit hervorrufen, wie der Titusbogen«, sagte Fine.

Wahrheit Das liege vor allem an den Legenden und Mythen, die sich insbesondere um das Triumphzugsrelief rankten. So existiere seit der Zeit der Renaissance in der jüdischen Welt und Israel eine bis heute überaus populäre Interpretation der Träger der Tempelschätze als versklavte Juden – dies allerdings entgegen jeglicher wissenschaftlicher Wahrheit.

»Die Träger der Tempelschätze aus Jerusalem sind anhand ihrer Darstellungsweise sowie des historischen Kontextes des Bauwerks als Triumphbogen eindeutig als Römer zu identifizieren«, stellte Fine fest. Archäologen seien sich in diesem Punkt einig.
Wieso aber hält sich dann die Legende von den jüdischen Trägern dermaßen hartnäckig? »Weil sie eine wichtige identitätspolitische Funktion insbesondere in Israel einnimmt«, so die Erklärung Fines.

Nehme man an, dass die in dem Relief dargestellten Träger Juden seien, erhalte das Narrativ von der Wiedergeburt des alten Israel im modernen Staat eine neue, bildliche Wirkung. »Der Zirkel des unabhängigen Israel, der mit der Eroberung Jerusalems durch Kaiser Titus für Jahrhunderte unterbrochen wurde, konnte mit der Staatsgründung 1948 wieder geschlossen werden«, erklärte Fine das Narrativ hinter der Interpretation.

Es ist Legende, dass die Träger der Tempelschätze Juden waren.
Der Professor führte aus, dass sich bereits die frühe zionistische Bewegung am Ende des 19. Jahrhunderts des Motivs des Triumphzugsreliefs bediente. Bilder aus jener Zeit zeigten nicht selten das Relief in Rom. Doch anstatt römischer Soldaten seien starke jüdische Menschen dargestellt, die die Menora tragen und in die entgegengesetzte Richtung wie ihre historischen Vorbilder marschieren.

»Statt unterjocht ins Exil zu wandern, tragen die neuen Juden die heiligen Tempelschätze von einst zurück in die alte Heimat, die wiederaufgebaut werden soll. Das ist ein sehr ausdrucksstarkes Bild«, sagte Fine.

Dass die Menora spätestens seit dem vierten Jahrhundert als »das« Symbol des Judentums gelte, lasse sich ebenfalls auf das Relief am Titusbogen zurückführen. Daher sei es kein Zufall, dass der siebenarmige Leuchter auf dem Staatswappen Israels demjenigen in Rom verblüffend ähnlich sehe. Die Botschaft sei Fine zufolge auch an dieser Stelle: »Die von den besiegten Juden ins römische Exil getragene Menora kehrt nach Hause zurück.«

Erinnerungspolitik Die wissenschaftlich nicht haltbare Interpretation, die Träger der Tempelschätze in Rom seien Juden, werde in Israel aber auch in Zukunft zum Mainstream gehören, schlussfolgerte der Historiker. Erinnerungspolitik lebe von starken Bildern und nicht zuletzt auch von Mythen.

Die Assoziationen und historischen Verbindungslinien von antiken Juden und modernen Israelis, von Unterjochung und Unabhängigkeit sowie von Diaspora und Heimat könnten mittels Interpretation auf das Bogenrelief projiziert werden. Fine will sich auch in Zukunft mit dem Titusbogen beschäftigen: »Es ist ein faszinierender Ort, der bis heute aktuell ist.«

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Korban Pessach

Schon dieses Jahr in Jerusalem?

Immer wieder versuchen Gruppen, das Pessachopfer auf dem Tempelberg darzubringen

von Rabbiner Dovid Gernetz  22.04.2024

Pessach

Kämpferinnen für die Freiheit

Welche Rolle spielten die Frauen beim Auszug aus Ägypten? Eine entscheidende, meint Raschi

von Hadassah Wendl  22.04.2024

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Mezora

Die Reinheit zurückerlangen

Die Tora beschreibt, was zu tun ist, wenn Menschen oder Häuser von Aussatz befallen sind

von Rabbinerin Yael Deusel  18.04.2024

Tasria

Ein neuer Mensch

Die Tora lehrt, dass sich Krankheiten heilsam auf den Charakter auswirken können

von Yonatan Amrani  12.04.2024

Talmudisches

Der Gecko

Was die Weisen der Antike über das schuppige Kriechtier lehrten

von Chajm Guski  12.04.2024

Meinung

Pessach im Schatten des Krieges

Gedanken zum Fest der Freiheit von Rabbiner Noam Hertig

von Rabbiner Noam Hertig  11.04.2024

Pessach-Putz

Bis auf den letzten Krümel

Das Entfernen von Chametz wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Dabei sollte man es sich nicht zu schwer machen

von Rabbiner Avraham Radbil  11.04.2024