Purim

Leckereien als Botschaft

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Ruven hat zwei gute Freunde: Schimon und Levi, die er beide sehr mag. Das Problem ist jedoch, dass Schimon und Levi sich gegenseitig nicht ausstehen können und nicht miteinander sprechen, auch wenn der Grund für ihr Zerwürfnis schon viele Jahre zurückliegt und niemand sich mehr daran erinnern kann, nicht einmal sie selbst.

Ruven würde zwischen den beiden sehr gerne wieder freundschaftlichen Kontakt herstellen, hat jedoch keine Gelegenheit dazu. Als sich das Purimfest nähert, kommt er plötzlich auf eine geniale Idee: Er erinnert sich an die Art und Weise, wie Aharon haKohen Feinde versöhnt hat, und sieht jetzt die Chance, dies auch bei Schimon und Levi zu erreichen.

Anonyme Pakete bringen nichts: Purim soll freundschaftliche Bindungen stärken.

Als Purim kommt, nimmt Ruven ein schönes Paket, in das er guten Wein, teure Früchte und leckere Kekse packt, und sendet es als »Mischloach Manot« zu Schimon. Allerdings: Statt als Absender die eigene Adresse anzugeben, schreibt er den Namen und die Adresse von Levi dazu!Schimon, als er von dem Boten das Paket bekommt, wundert sich sehr darüber, dass sein Feind Levi ihm plötzlich zu Purim gratulieren möchte. Jedoch entscheidet er sich, die ausgestreckte Hand von Levi anzunehmen, und sendet ihm ein schönes »Purimgeschenk« zurück.

Als sie sich wenig später in der Synagoge treffen, umarmen sich die beiden und werden erneut Freunde.Ruven ist sehr glücklich, dass seine Bemühungen erfolgreich waren. Jedoch fragt er sich nun, ob das Purimgeschenk, das er an Schimon gesendet hat, ihm eigentlich als Mizwa angerechnet wird, die er an Purim erfüllen sollte. Um die Sorge Ruvens richtig zu verstehen, müssen wir zunächst verstehen, was es mit diesen »Purimgeschenken« auf sich hat.

Geldspenden Neben zwei sehr bekannten Geboten wie der Lesung der Megillat Esther und einer großen festlichen Mahlzeit gibt es an Purim noch zwei andere Gebote zu erfüllen: »Mischloach Manot« (Essensgeschenke) und »Matanot leEwjonim« (Geldspenden für die Armen).

Während die Mizwa der Geldspenden leicht nachzuvollziehen und bei gefülltem Geldbeutel auch nicht schwer zu erfüllen ist, erscheint das Gebot, »Essen an Freunde zu senden«, in seiner Art einzigartig. Zudem gibt es dabei viele interessante Einzelheiten, die oft für Verwirrung sorgen.Das Gebot »Mischloach Manot«, das unsere Weisen für das Purimfest etabliert haben, basiert auf dem Vers im Buch Esther (9, 19–22):

Unsere Weisen betonen, dass in diesen Geschenken weder Kleider noch Schmuck sein sollten, sondern nur Essen.

»Darum machten die Juden, die auf den Dörfern und Flecken wohnten, den 14. Tag des Monats Adar zum Tag des Wohllebens und der Freude, und sandte einer dem andern Geschenke (…) nach den Tagen, darin die Juden zur Ruhe gekommen waren von ihren Feinden und nach dem Monat, darin ihre Schmerzen in Freude und ihr Leid in gute Tage verkehrt war; dass sie dieselben halten sollten als Tage des Wohllebens und der Freude und einer dem anderen Geschenke schicken und den Armen mitteilen.«

Unsere Weisen betonen, dass in diesen Geschenken weder Kleider noch Schmuck sein sollten, sondern nur Essen, das auch für die gebotene Mahlzeit benutzt werden kann. Deshalb soll dieses Essen schon fertig zum Verzehr sein: also kein rohes Fleisch oder frisch geangelter Fisch.

Außerdem soll ein solches Geschenk zwei verschiedene Speisen beinhalten. Es kann auch eine Speise und ein Getränk sein. Dabei glauben viele, dass diese zwei Speisen so verschieden sein sollten, dass man darüber verschiedene Segensprüche sagen soll. Jedoch ist das ein Irrtum: Auch mit Speisen, die dieselbe Bracha erfordern, wird die Pflicht erfüllt.

Das Essen in den Geschenkpäckchen soll fertig zum Verzehr sein: kein rohes Fleisch oder frisch geangelter Fisch.

Oft wird auch die Anzahl der Geschenke verwechselt. Im Gegensatz zu »Matanot leEwjonim«, die an zwei Arme gespendet werden sollen, reicht es, wenn man »Mischloach Manot« an eine einzige Person gesendet hat. Jedoch ist es lobenswert, die Geschenke an möglichst mehrere Freunde zu verteilen. Unsere Weisen haben auch verfügt, dass Männer ihre Pakete an Männer senden und die Frauen an ihre Freundinnen.

Boten Das Wichtigste an diesem spannenden Gebot ist, dass man es nicht selbst, sondern durch einen Boten übergeben muss, was auf den Wortlaut des Verses zurückzuführen ist. Dabei muss man dieses Geschenk unbedingt mit seinem Namen unterschreiben. Das ganze Ziel des Sendens ist, die freundschaftliche Beziehung zu stärken. Wenn das Paket anonym ist, bringt es nichts. Hat man jedoch keinen Boten gefunden und eigenes Essen selbst überreicht, hat man seine Pflicht trotzdem erfüllt.

Und was ist mit Ruven, der durch sein »Essensgeschenk« Frieden zwischen Schimon und Levi gestiftet hat? Hat er seine Pflicht erfüllt? Rabbiner Yitzchok Zilberstein, der diesbezüglich gefragt wurde, zweifelt daran. Auch wenn Ruven mit Friedenstiftung eine großartige Mizwa getan und zum Frieden in der Welt beigetragen hat, bedeutet das nicht, dass er seine Purimpflicht erfüllt hat. Denn seine persönliche Freundschaft zu beiden Prota­gonisten wurde dadurch nicht gestärkt!Gerade in unserer Zeit kann dieses einzigartige Gebot uns großen Dienst erweisen.

Heutzutage nehmen sich viele Menschen zu wenig Zeit, um Freundschaften zu pflegen. Statt gute Bekannte zum Essen einzuladen oder bei einer gemeinsamen Aktivität Zeit miteinander zu verbringen, werden lediglich Aktivitäten in den sozialen Medien verfolgt und Posts gelikt. Deshalb wäre das Senden eines kleinen Päckchens mit leckerem, am besten selbstgemachtem Essen eine schöne Geste, die sicherlich große Wirkung haben wird und die Freude über Purim hinaus wirken lässt.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinden zu Halle und Dessau und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD).

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