Talmudisches

Krankheitserreger

Bakterien unter dem Mikroskop Foto: Getty Images

Talmudisches

Krankheitserreger

Was unsere Weisen über Keime im Wasser lehrten

von Rabbinerin Yael Deusel  21.02.2025 13:29 Uhr

Mehrfach warnt der Talmud vor dem Trinken von Wasser aus einem Gefäß, das über Nacht offen gestanden hat. In Gittin 69b heißt es dazu, es könnte womöglich eine Schlange daraus getrunken haben und von ihrem Gift etwas in das Wasser gelangt sein. Hat man dennoch davon getrunken, dann sollte man danach zur Sicherheit ein Viertel Log, also etwa einen achtel Liter unverdünnten Wein trinken, was wohl zur Desinfektion durch den Alkohol dienen sollte oder vielleicht auch nur zur Beruhigung der betreffenden Person.

Wahrscheinlicher als Schlangengift war aber tatsächlich etwas anderes, das zur Verseuchung des unbedeckt stehenden Wassers geführt haben könnte, auch wenn der Ansteckungsweg zur damaligen Zeit noch nicht bekannt war. Vielleicht waren es anstelle von Giftschlangen nämlich andere Tiere, vor allem Nagetiere wie Mäuse und Ratten, deren Ausscheidungen womöglich ins Wasser geraten waren. Das war nicht nur eklig, sondern man konnte sich dadurch leicht mit Bakterien, Parasiten oder Viruserkrankungen anstecken. Zur Übertragung reichte schon der Speichel der Nager aus.

So konnte sich der Mensch beispielsweise mit Typhus oder Amöbenruhr infizieren, gefährlichen Magen-Darm-Erkrankungen mit heftigen Durchfällen. Auch Hepatitisviren, vor allem die Hepatitis A, gelangen so in den menschlichen Organismus. Verunreinigtes Trinkwasser gilt bis heute als häufigste Infektionsquelle für alle diese Erkrankungen.

Sie können aber nicht nur übertragen werden, wenn man das verseuchte Wasser trinkt, sondern auch dann, wenn man rohes Obst oder Gemüse damit gewaschen, und sogar, wenn man die Gemüse­beete zuvor mit dem Wasser gegossen hat. Interessanterweise schreibt der Talmud in Awoda Sara 30b, dass man sich mit Wasser, das offen gestanden hat, nicht waschen dürfe, weder Gesicht noch Hände oder Füße, und es auch nicht den Tieren zum Trinken geben solle. Man sollte es nicht einmal zum Putzen verwenden oder es auf der Straße ausgießen, damit niemand versehentlich hineintritt.

Manche unserer Weisen meinten, Gelbsucht sei ein Kennzeichen für eine gehässige Person

Und wenn man sich nun doch infiziert hat? Ein Teil dieser Erkrankungen geht mit Gelbsucht einher. Zwar meinten manche unserer Weisen, Gelbsucht sei ein Kennzeichen für eine gehässige Person (Schabbat 33a). Andere beschreiben die Symptome dagegen als ernsthafte Krankheit, gegen die sie als Heilmittel einen Trank namens Kos Ikarin empfahlen, jedoch mit der ausdrücklichen Warnung, dass für die Patienten ein hohes Risiko bestand, durch die Einnahme ihre Fortpflanzungsfähigkeit zu verlieren.

Die Ursache für diese Nebenwirkung ist unklar. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Gelbsucht einen relativ schweren Krankheitsverlauf anzeigt, wodurch der betroffene Mensch an sich schon sehr beeinträchtigt ist. Das Heilmittel war offenbar auch nicht harmlos und konnte die körperliche Schwäche noch weiter verstärken. Seine genaue Zusammensetzung war variabel und möglicherweise Beschwerde-abhängig. Die Bestandteile waren alexandrinisches Gummi, also Gummi arabicum, dazu Alaun und Gartensafran, jeweils entsprechend dem Gewicht einer Sus-Münze (circa vier Gramm). Zwei dieser Bestandteile sollte man zerreiben und in Bier zu sich nehmen (Schabbat 110a).

Gummi arabicum dient der lokalen Schmerzbehandlung, wirkt entzündungshemmend und sogar antiviral und hilft gegen den Juckreiz, der bei Gelbsucht auftreten kann. Alaun wirkt ebenfalls antibakteriell. Und der Gartensafran, auch Saflor oder Färberdistel genannt, lindert Schmerzen und wirkt fiebersenkend. Außerdem enthält er Vitamin K, hilfreich bei Störungen der Blutgerinnung, wie sie bei schweren Lebererkrankungen auftreten können.

Damit erscheint Kos Ikarin aus heutiger Sicht als ein frühes Arzneimittel, das sowohl Begleiterscheinungen der Gelbsucht lindern als auch einen ersten Ansatz zur Heilung bei einer Infektion darstellen konnte.

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025

Sarah Serebrinski

Sukkot: Freude trotz Verletzlichkeit

Viele Juden fragen sich: Ist es sicher, eine Sukka sichtbar im eigenen Vorgarten zu bauen? Doch genau darin – in der Unsicherheit – liegt die Botschaft von Sukkot

von Sarah Serebrinski  05.10.2025

7. Oktober

Ein Riss in der Schale

Wie Simchat Tora 2023 das Leben von Jüdinnen und Juden verändert hat

von Nicole Dreyfus  05.10.2025

Übergang

Alles zu jeder Zeit

Worauf es in den vier Tagen zwischen Jom Kippur und Sukkot ankommt

von Vyacheslav Dobrovych  03.10.2025

Kirche

EKD: Gaza-Krieg nicht zum Anlass für Ausgrenzung nehmen

Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs: »Offene und gewaltsame Formen des Antisemitismus, besonders in Gestalt israelbezogener Judenfeindschaft, treten deutlich zutage«

 03.10.2025

Ha’asinu

Mit innerer Harmonie

Nur wer sich selbst wertschätzt und seine Fähigkeiten kennt, kann wirklich wachsen

von Abraham Frenkel  03.10.2025