Talmudisches

In Roms schlechter Gesellschaft

Von Zirkus, Theater und anderen Volksbelustigungen

von Rabbinerin Antje Yael Deusel  18.06.2018 23:57 Uhr

Kolosseum in Rom Foto: Thinkstock

Von Zirkus, Theater und anderen Volksbelustigungen

von Rabbinerin Antje Yael Deusel  18.06.2018 23:57 Uhr

Glücklich zu schätzen ist der Mann, der nicht geht» – nämlich ins Theater und in den Zirkus der Gojim, sagt Rav Schimon ben Pasi im Talmud (Avoda Sara 18b). Er meint damit die Vergnügungsstätten der Griechen und Römer jener Zeit.

Dazu muss man sich vergegenwärtigen, worin die dortigen Volksbelustigungen bestanden. Zwar sind auch die Wahrsager, Possenreißer und Zauberkünstler in diesem Zusammenhang aufgeführt. Allerdings standen damals die Gladiatorenkämpfe, Kämpfe mit wilden Tieren und andere brutale Unterhaltungen wohl eher im Vordergrund. Entsprechend setzte sich auch das Publikum zusammen, und vulgäre Reden und Verhaltensweisen scheinen keine Seltenheit gewesen zu sein.

Spötter Die talmudischen Weisen nennen es «schlechte Gesellschaft», bestehend aus Tagedieben, Eckenstehern und sonstigen Müßiggängern, die nichts Besseres zu tun hatten, sowie «Spöttern», die dort lose Reden führten. Resch Lakisch sagt gar, die Spötter sollen alle in die Gehenna fahren, die Hölle, und vermutlich denkt er dabei an seine eigenen Erfahrungen als Gladiator.

Obendrein musste man gewärtig sein, dass dort auch Götzendienst betrieben wurde – nun, vielleicht nicht immer, aber die Möglichkeit bestand eben doch.

Wie könnte sich also ein anständiger Jude in eine solche Umgebung begeben? Bringt ihn das doch nur dazu, die Tora zu vernachlässigen, in Lehre und Praxis.

Götzendienst Ein Grenzfall waren diejenigen, die dort arbeiteten, weniger als Gladiatoren, sondern als Servicepersonal, wie man heute sagen würde, oder als Geschäftsleute. Dies wurde von unseren Weisen unterschiedlich beurteilt, doch einig waren sie sich darin, dass man keinen Profit mit einer Tätigkeit machen dürfe, die mit Götzendienst zu tun hat. Gemeinsame Sache sollte man also nicht machen mit den Veranstaltern der brutalen Kämpfe mit oft tödlichem Ausgang, indem man damit sein Geld verdiente.

Auch unter die Zuschauer sollte man sich nicht mischen, damit deren Verhalten nicht am Ende auf einen selbst abfärbte: Wenn du in deren Gesellschaft gehst, wirst du schließlich bei ihnen stehen, dann wirst du mit ihnen zusammensitzen und genauso reden wie sie, nämlich abfällig und vulgär, wie Spötter eben. Mit Spöttern wird es aber kein gutes Ende nehmen. Geh also gar nicht erst hin, dann kommst du auch nicht in die Versuchung.

«Glücklich zu schätzen ist der Mann, der nicht geht» – was übrigens genauso auch für Frauen gilt, wie Rav Amram im Namen von Rav sagt.

zuschauer Aber ist es denn wirklich so, dass alle Zuschauer ohne Ausnahme gleich als nichtswürdig gelten sollten? Darf man wirklich überhaupt nicht hingehen? Na ja, sagt Rav Nathan, es könnte durchaus auch sein Gutes haben, ab und zu einmal ins Stadion oder in den Zirkus zu gehen. Man könnte dort zum Beispiel einem Menschen das Leben retten, indem man laut schreit und das Publikum dazu bringt, am Ende eines Kampfes den Daumen zu heben, statt ihn zu senken. Falls das nicht erfolgreich sein sollte, kann man notfalls immer noch als Zeuge dafür dienen, dass der Mann tot ist, damit seine Witwe wieder heiraten kann.

Letztlich bedeutet das, es kommt mehr auf die eigene Einstellung und das eigene Verhalten an als auf die Umgebung. Wenn es auch durchaus nicht erstrebenswert ist, sich in schlechte Gesellschaft zu begeben, kann man doch überall anständig bleiben und vielleicht auch anderen als gutes Vorbild dienen. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler.

«Wenn aber einer sagt, ich gehe weder ins Theater noch in den Zirkus, und Tierkämpfe schaue ich mir auch nicht an, sondern ich will gehen und mich lieber schlafen legen», so heißt das noch lange nicht, dass er damit der Tora schon in ausreichendem Maße Genüge getan hat. Denn die Tora will aktiv gelehrt, gelernt und gelebt werden – und sei es notfalls auch in einer profanen Umgebung.

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