Suizid

Im Widerspruch

Der Suizid ist das Ereignis, welches wir Psychiater als größtes Risiko unserer Arbeit mit den Patienten befürchten. Viele Krankheitsbilder haben Suizidalität und Suizidversuche als Symptome, so zum Beispiel die Depression, die Schizophrenie oder die Borderlinestörung. Wie steht aber die jüdische Religion zu diesem Thema?

Suizidversuche und Suizide hat es im Verlaufe der jüdischen Geschichte vielfach gegeben. Dies betrifft die Zeiten der Verfolgung. Ob es die Helden von Massada waren, König Schaul, in neuester Zeit Stefan Zweig, Kurt Tucholsky, Primo Levi, Joseph Wulf, Leo Lippmann.

Verfolgung Schon hier stellt sich die Frage, ob derjenige, der sich wegen der Verfolgung umbrachte, ein Held und Märtyrer war? Oder war es nicht auch gerade derjenige, der mutig weitermachte, so lange es ging, um der jüdischen Gemeinschaft in der Not zu helfen?

In den Synagogen lesen wir fast an jedem Schabbat das »Aw Harachamim«, wo es unter anderem heißt: »Gedenke erbarmungsvoll der Frommen, der Geraden und der Vollkommenen, der heiligen Gemeinden, die ihr Leben zur Heiligung des g’ttlichen Namens hingaben; … auch in ih-
rem Tod trennten sie sich nicht.« Dieses Gebet gedenkt der in den Kreuzzügen und späteren Verfolgungen umgekommenen jüdischen Frauen, Kinder und Männer, wobei nicht wenige durch Suizid starben, um den Häschern nicht in die Hände zu fallen. Sie heiligten damit G’ttes Namen.

Besteht aber hier nicht ein Widerspruch zu Mischna und Gemara, also zum Talmud, der den Suizid nicht positiv sanktioniert? Es scheint Situationen zu geben, in denen die Heiligung des g’ttlichen Namens höher einzustufen ist als das Leben. Eine solche Situation ist die Taufe, der Mord und die Verleitung zum Missbrauch Minderjähriger. Unsere Vorfahren haben den Tod eher vorgezogen als die Verleugnung ihres jüdischen Glaubens. Sie sind damit als Märtyrer in die Geschichte eingegangen.

Behandlung Die jüdische Religion nimmt in Bezug auf Medizin oft eine sehr fortschrittliche Haltung ein. Psychiatrische Diagnosen und Krankheiten haben den gleichen Stellenwert wie körperliche Krankheiten. Es ist wichtig, diese Störungen adäquat durch Fachleute behandeln zu lassen. Heute ist es sehr viel leichter und besser geworden, diese psychiatrischen Krankheiten zu behandeln, gar zu heilen. Deshalb ist es wichtig, dass man sich der Hilfe eines Psychiaters unterzieht, wenn man dies benötigt.
Es ist Brauch, die durch Suizid Gestorbenen an separaten Stellen des Friedhofs zu beerdigen.

Wir lesen in der Tora, dass uns die dort aufgeführten Gesetze gegeben wurden, um zu leben. Das Judentum ist eine lebensbejahende Religion. Trotz der zahlreichen Verfolgungen in unserer Geschichte, obwohl unser jüdischer Staat Israel seit seiner Gründung immer um seine Existenz zu kämpfen hat, bleiben wir Jüdinnen und Juden in und außerhalb Israels optimistisch. Wir haben unseren Herrn, Haschem, der uns behütet und schützt und Dem wir vertrauen können. Auch gerade in Zeiten der Not und Pein und des Leids.

Der Autor ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Hamburg

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024

Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Die Nathan Peter Levinson Stiftung erinnerte an ihren Namensgeber

 28.11.2024

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  28.11.2024

Berlin

Spendenkampagne für House of One startet

Unter dem Dach des House of One sollen künftig eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee Platz finden

von Bettina Gabbe, Jens Büttner  25.11.2024

Chaje Sara

Handeln für Generationen

Was ein Grundstückskauf und eine Eheanbahnung mit der Bindung zum Heiligen Land zu tun haben

von Rabbiner Joel Berger  22.11.2024