Kaschrut

Heuschrecken auf der Speisekarte?

Guten Appetit! Foto: Getty Images/iStockphoto

Die Europäische Kommission hat bisher vier Zulassungen für Insekten als Lebensmittel erteilt: Dies betrifft den Mehlwurm, die Wanderheuschrecke, den sogenannten Buffalowurm sowie seit Februar 2022 die Hausgrille und seit Januar 2023 teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille. Natürlich muss klar gekennzeichnet sein, dass ein Lebensmittel ein Insekt enthält, und entsprechende Allergiehinweise sind erforderlich. Was aber sagt die Tora dazu?

Obwohl die Tora ausdrücklich den Verzehr von Würmern sowie allen anderen Insekten verbietet, gibt es einige interessante Ausnahmen von dieser Regel. Das Verbot der Tora, Insekten zu konsumieren, gilt nur für die Lebewesen, die »in den Meeren und in den Bächen leben«, »in der Luft fliegen« und »am Boden kriechen« (3. Buch Mose 11).

verbot Das Verbot, solche ekelhaften Kriechtiere zu essen, ist so streng, dass der Verzehr eines einzelnen Insekts häufig eine gleichzeitige Verletzung mehrerer Toraverbote darstellt (Babylonischer Talmud, Makkot 16b). Somit ist das Verbot des Verzehrs von Insekten schwerwiegender als das Verbot, Schweinefleisch zu essen. Selbst Würmer, deren Verzehr theoretisch erlaubt wäre, sollen laut Talmud vermieden werden, da sie sowohl geistigen als auch körperlichen Schaden verursachen (Babylonischer Talmud, Schabbat 90a).

Zu den Insekten, die verzehrt werden dürfen, gehören Heuschrecken, die von der Tora ausdrücklich erlaubt sind (3. Buch Mose 11,22). Dennoch wird man in koscheren Restaurants selten Heuschrecken auf der Speisekarte sehen, da es unklar ist, welche der vielen Heuschreckenarten von der Tora tatsächlich zugelassen wurden.

Würmer im Fisch dürfen in vielen Fällen verzehrt werden – falls der Wurm nicht im Darm sitzt.

Aus diesem Grund wurde eine rabbinische Entscheidung getroffen, den Verzehr aller Heuschrecken zu verbieten – aus Angst, möglicherweise eine der verbotenen Arten zu essen, von denen viele fast identisch wie Heuschrecken aussehen, die Juden zu sich nehmen dürfen (Tas, Jore Dea 85,1). Es gibt jedoch bestimmte Gemeinden, insbesondere jemenitische, in denen der Verzehr bestimmter Heuschreckenarten zum Alltag gehört. Interessanterweise gibt es auch eine Reihe von Umständen, unter denen der Verzehr von Würmern gestattet ist. Zum Beispiel dürfen Würmer, die in einem Fisch gefunden werden, oft zusammen mit dem Fisch selbst gegessen werden.

Es gibt im Allgemeinen zwei Arten von Würmern, die in einem Fisch vorkommen – diejenigen, die sich im Fleisch des Fisches befinden, und die, die im Darm des Fisches sind. Zum Essen erlaubt sind nur die Würmer, die im Fleisch des Fisches eingebettet sind (Schulchan Aruch, Jore Dea 84,16). Würmer, die sich im Darm des Fisches befinden und mit größter Wahrscheinlichkeit kürzlich verschluckt wurden, sind weiterhin verboten (Babylonischer Talmud, Chullin 67b).

KÄSE Ebenso findet man häufig Würmer im Käse, der hart, gereift oder auf eine andere Weise zubereitet ist, die dem Milchprodukt einen sehr scharfen Geschmack verleiht. Diese Würmer sind koscher und dürfen, solange sie im Käse eingebettet bleiben, gegessen werden.
Wenn sie jedoch herausfallen oder sich auf eine andere Weise vom Käse trennen, ist es verboten, sie zu essen (Jore Dea 84,14, Rema 84,16). Einige Rabbiner gestatten sogar den Verzehr von Würmern, die sich vom Käse getrennt haben, solange sie nicht weiter als bis zum Tellerrand entwischt sind (Schach Jore Dea 84,46).

Außerdem darf ein Wurm, der in einer Frucht gewachsen ist, die sich von ihrer Wachstumsquelle gelöst und niemals der Luft ausgesetzt war, gegessen werden. Es ist jedoch verboten, Würmer und andere Insekten zu essen, die in einer Frucht gewachsen sind, als sie noch am Baum befestigt war (Jore Dea 84,6). Wenn man sich nicht sicher ist, ob ein in einer Frucht gefundener Wurm zur erlaubten oder zur verbotenen Art gehört, darf die Frucht nicht gegessen werden (Jore Dea 84,7).

Es ist erlaubt, Weizenhalme zu mahlen, die sich als wurmig herausstellen, solange das Mehl nach dem Mahlen gut durchgesiebt wird (Jore Dea 84,14). Es ist auch erlaubt, verbrannte oder pulverisierte Würmer, Insekten und andere nichtkoschere Produkte zu essen, wenn dies einen heilenden Effekt hat (Jore Dea 84,17). Eine weitere Ausnahme vom Verbot des Verzehrs von Insekten gilt für bestimmte aquatische Arten. Wie bereits erwähnt, sind Insekten nur dann verboten, wenn sie in Meeren, Flüssen oder Seen gewachsen sind. Würmer und Insekten, die im Wasser in Behältern oder Zisternen gewachsen sind, dürfen beim Schlucken direkt aus solch einer Quelle konsumiert werden (Jore Dea 84,1).

Insekten, die nur durch ein Mikroskop zu erkennen sind, gelten als essbar.

Wer beispielsweise gezwungen ist, Wasser direkt aus einem Brunnen zu trinken, darf dies tun, ohne vorher das Wasser auf Insekten untersuchen zu müssen.

wasser Andererseits müsste jemand, der Brunnenwasser in eine Tasse füllt, das Wasser zuerst überprüfen, bevor er es trinkt, da sich eventuell vorhandene Insekten nicht mehr in ihrer natürlichen Quelle befinden würden und daher verboten wären (Rema, Jore Dea 84,1).

Es ist interessant, festzustellen, dass die Tora nur Insekten verbietet, die mit bloßem Auge zu erkennen sind (Jore Dea 84,4). Insekten, die nur durch ein Mikroskop sichtbar sind, dürfen während des normalen Essensvorganges verzehrt werden (Igrot Mosche, Jore Dea 2,146).
Doch selbst wenn Würmer und Käfer in vielen Fällen rein technisch erlaubt wären, ist es empfehlenswert, sie nicht zu konsumieren, da dies ein Verbot von »baal teschaktzu« darstellt, nämlich ein Toraverbot, sich mit etwas zu beschäftigen, das als widerlich angesehen werden könnte (Awoda Sara 68b).

Der Autor ist Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

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