Emor

Heilige Zahl

Was die Sieben mit dem Schabbat, Schawuot und dem Schwur zu tun hat

von Vyacheslav Dobrovych  05.05.2023 09:55 Uhr

Foto: Getty Images/iStockphoto

Was die Sieben mit dem Schabbat, Schawuot und dem Schwur zu tun hat

von Vyacheslav Dobrovych  05.05.2023 09:55 Uhr

Im Wochenabschnitt Emor geht es unter anderem um die Anordnungen für die verschiedenen Feste. Der Schabbat soll an jedem siebten Tag der Woche gefeiert werden (23,2). Pessach, die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, soll sieben Tage lang gefeiert werden (23,8). Daraufhin sollen sieben Mal sieben Tage gezählt werden (23,15) – eine Zeit, die als Omer-Zählung bekannt ist –, woraufhin Schawuot gefeiert wird, das Fest des Empfangs der Tora.

Direkt im Anschluss daran wird erwähnt, dass man am ersten Tag des siebten Monats einen »Ruhetag zum Gedächtnis« (23,23) abhalten soll. Es handelt sich hierbei um das Neujahrsfest Rosch Haschana. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die Sieben eine wichtige Rolle in der jüdischen Religion spielt.

VOLLKOMMENHEIT In der Kabbala symbolisiert die Sieben die Vollkommenheit der Schöpfung: die sieben Tage der Woche, die sieben Flächen des Magen David, die sieben Noten in der Musik, die sieben Farben des Regenbogens, sieben räumliche Sphären (Norden, Süden, Osten, Westen, unten, oben und der Ort, an dem man steht). Laut den Mystikern hat alles einen Bezug zu den sieben Schöpfungstagen im Buch Bereschit, dem ersten Buch der Tora.

Auf Hebräisch ist das Wort für Sieben, »Schewa«, eng verwandt mit dem Wort für »Schwua« – Schwur. Interessanterweise klingt das deutsche Wort »Schwur« so ähnlich wie das hebräische »Schwua«. Von diesem Wort kommt auch das hebräische Wort für Woche: »Schawua«. Das Fest, dass nach dem Abzählen von sieben Wochen gefeiert wird, heißt daher auch »Schawuot« – wörtlich: »Wochen«.

Worin besteht die Verbindung zwischen der Sieben, der Woche und dem Schwören? Das Heiligen des Schabbats gilt im Judentum als Schwur, als Zeugnis dafür, dass Gʼtt die Erde tatsächlich erschaffen hat, als Zeugnis dafür, dass der Schöpfer in alles Erschaffene involviert ist. Weil alles in sechs Tagen erschaffen wurde und der siebte Tag der Schabbat ist, dauert eine Woche immer sieben Tage.

kiddusch Das jüdische Gesetz, die Halacha, verpflichtet den Beter, während des Kidduschs, des Rituals zur Heiligung des Schabbats, zu stehen, weil man im Gericht während einer Zeugenaussage stehen muss. Den Kiddusch zu machen, gleicht einem Schwur im Gerichtssaal.

Die Zehn Gebote wurden von Mosche auf zwei Tafeln mit jeweils fünf Geboten empfangen. Die Rabbinen lehren, dass das erste Gebot auf der ersten Tafel mit dem ersten Gebot auf der zweiten Tafel (also dem sechsten Gebot) korrespondiert, das zweite Gebot der ersten Tafel mit dem zweiten Gebot der zweiten Tafel (also dem siebten Gebot) und so weiter. Die erste Tafel symbolisiert hierbei das Verhältnis zwischen dem Menschen und G’tt, während die zweite Tafel das Verhältnis der Menschen untereinander behandelt.

Wenn ein Gebot an einer bestimmten Stelle der ersten Tafel auftaucht, bedeutet dies, dass das korrespondierende Gebot auf der zweiten Tafel dieselbe Idee ausdrückt, bloß auf zwischenmenschlicher Ebene. So sind Gebot Nummer vier und das Gebot Nummer neun eigentlich nur zwei Seiten derselben Medaille.

gebot Das vierte Gebot der Zehn Gebote ist der Schabbat. Das neunte Gebot ist das Verbot von falschen Zeugenaussagen. Die Verbindung zwischen den beiden ist klar. Der Schabbat gilt im Judentum als Statement: Gʼtt hat alles erschaffen. Er ist der Schöpfer und Inhaber des Universums. Wir schwören mit unserem Kiddusch – wir schwören, indem wir den Schabbat halten.

Über das Jahr verteilt finden wir also den Schabbat als Fest der Ruhe, Pessach als Freiheitsfest, das Omer-Zählen als Vorbereitung und Schawuot als Offenbarungsfest. Nachdem diese Feste, die allesamt mit der Zahl sieben verbunden sind, besprochen wurden, betrachtet der Text den (heiligen) siebten Monat, den Monat Tischri, genauer.

Am ersten Tag des siebten Monats soll Rosch Haschana gefeiert werden, Jom Kippur am zehnten des siebten Monats (23,27) und zum Vollmond des siebten Monats das siebentägige Sukkotfest (23,34).

Interessanterweise beginnt die Tora mit dem Wort Bereschit (deutsch: »am Anfang«) – der Beginn des Schöpfungsberichts. Die Rabbinen weisen darauf hin, dass die Buchstaben des ersten Wortes der Tora auch die Wörter »Alef be Tischri« (der 1. Tischri) ergeben. Der siebte Monat der Tora ist also gleichzeitig der erste Monat der Schöpfung.

SCHÖPFER Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahl sieben die Schöpfung symbolisiert und die Schöpfung eine Erinnerung daran ist, dass es einen Schöpfer gibt, und wenn wir uns vor Augen halten, wie oft uns die Tora durch die verschiedenen Feste und Rituale immer wieder in Erinnerung ruft: »Die Welt hat einen Schöpfer!«, dann lässt sich die Frage stellen: Warum ist das wichtig? Wen interessiert es, ob es einen Schöpfer gibt oder nicht? Ich denke, die Frage, ob es den Schöpfer gibt oder nicht und wer oder was der Schöpfer ist, ist die wichtigste Frage unseres Lebens.

Der Prophet Jirmejahu spricht von G’tt als von der »Hoffnung Israels« (14,8). Denn Glauben heißt, hoffen können, dass ein Eingriff in den natürlichen Gang der Dinge jederzeit geschehen kann. Es ist ein allmächtiger, zeitloser und bedingungslos liebender Schöpfer, der einen Masterplan hat, einen Plan, der den freien Willen der Schöpfung zulässt und sich dennoch durch einen in die Schöpfung eingebauten Mechanismus der Erlösung durchsetzt.

Ein G’tt, der dafür sorgen wird, dass unsere Gebete einen Einfluss auf das Geschehen der Welt haben und alles letztendlich zu unserem Besten passiert. Ein G’tt, der nicht in der Welt ist, sondern es ist eine Welt in ihm. Ein G’tt, der hinter uns steht, und alles, selbst die Dunkelheit, ist ein Ausdruck seiner Barmherzigkeit. Ein G’tt, der uns in seinen Wundern und seiner Gnade beistehen und uns helfen kann, unsere selbst zerstörenden Tendenzen zu überwinden und in Liebe und Erfolg zu leben.

symbolik Die Symboliken der Tora erinnern uns daran, dass G’tt da ist!
Im Buch Tehilim, den Psalmen, heißt es: »G’tt ist gut für alle, barmherzig gegenüber seiner gesamten Schöpfung« (145,9).

G’tt ist gut für alle – für alle Fragen: Er ist der beste Investor, der beste Heiratsvermittler, der beste Heiler und der beste Richter. Er wartet auf unsere Bitten und ist bereit, uns zu helfen.

Der Autor hat am Rabbinerseminar zu Berlin studiert und ist Sozialarbeiter.

inhalt
Am Anfang des Wochenabschnitts Emor stehen Verhaltensregeln für die Priester und ihre Nachkommen. Ferner wird beschrieben, wie die Opfertiere beschaffen sein müssen. Außerdem werden kalendarische Angaben zu den Feiertagen gemacht: Schabbat, Rosch Haschana, Jom Kippur und die Wallfahrtsfeste Pessach, Schawuot und Sukkot werden festgelegt. Gegen Ende des Wochenabschnitts wird erzählt, wie ein Mann den G’ttesnamen ausspricht und für dieses Vergehen mit dem Tod bestraft wird.
3. Buch Mose 21,1 – 24,23

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