München

»Geschenk für uns alle«

Einblick ins Innere der Synagoge, die derzeit saniert wird Foto: picture alliance/dpa

Das unverputzte Gemäuer darf sich zeigen lassen. Denn die Synagoge Reichenbachstraße in der Isarvorstadt im Münchner Gärtnerplatzviertel feiert die Fertigstellung des Rohbaus als »Richt- und Lichtfest«. »Wenn man zehn Jahre Engagement hinter sich hat, ist es wie ein kleines Wunder, dass wir Licht am Ende des Tunnels sehen«, sagte Rachel Salamander.

Weil sie nicht zugucken wollte, wie ein »historisch und kunstgeschichtlich bedeutsames Baudenkmal« vor sich hindämmert und verfällt, ergriff sie vor zehn Jahren die Initiative und gründete zusammen mit Ron Jakubowicz den Verein »Synagoge Reichenbachstraße«. Und nicht wenige, die zum Fest gekommen sind, haben natürlich einiges an Erinnerungen an die Nachkriegs-»Reichenbachschul«, die jahrzehntelang Münchens Hauptsynagoge gewesen ist und da natürlich noch ganz anders ausgesehen hat. »Vor langer Zeit stand ich hier«, erzählt Ron Jakubowicz, »ja, ziemlich genau hier, als Barmizwa«.

gemeindeleben 2006 verschob sich dann mit dem Bau der großräumigen »Ohel-Jakob-Synagoge« der Schwerpunkt des Gemeindelebens an den St.-Jakobs-Platz. Die Synagoge in der Reichenbachstraße blieb sich selbst überlassen, kam herunter. Diesen Prozess aufzuhalten, die Synagoge wieder in ihren Originalzustand zu bringen, dafür steht der Verein »Synagoge Reichenbachstraße«. Wenn alles fertig ist, wird »die Farbenpracht der Synagoge eine absolute Attraktion sein«, weiß Rachel Salamander.

Als »ein Geschenk für uns alle« beschreibt Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Bündnis 90/Die Grünen) das Vorhaben. Für Staatsminister Florian Herrmann (CSU) ist das Synagogen-Projekt, an dessen Kosten sich die Stadt München, der Freistaat Bayern sowie der Bund beteiligen, ein »Beweis für den festen Platz, den die jüdische Gemeinde in München hat«.

In der »Pogromnacht« vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsten SA-Männer die Inneneinrichtung, schänden die Torarollen und legen einen Brand.

Die Geschichte des Gebäudes, die jetzt also weitergeht, begann damit, dass Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Hunderte von Juden aus Russland, Ost- und Ostmitteleuropa nach München kamen. Sie flohen vor Pogromen, Armut, politischem Terror. Viele ließen sich in der Isar-Vorstadt nieder. Kleine Betstuben entstanden, und irgendwann gab es den Wunsch nach einer eigenen Synagoge, weshalb sich die beiden Betsaalvereine Linath Hazedek und Agudas Achim zusammentaten und das Anwesen einer Brauerei kauften.

klarheit Der 30-jährige Gustav Meyerstein, der an der TU München studiert hatte, übernahm als Architekt. Im September 1931 stand das Gotteshaus, Bauhaus-Stil und Neuer Sachlichkeit verpflichtet, bereit. Es machte durch seine Klarheit, seine Nüchternheit auf sich aufmerksam (in München baute man nur sehr spärlich »modern«), auch durch seine ungewöhnliche Farbgebung, die ihr Spiel durch das Tageslicht, das über Oberlichter einfiel, ganz zauberhaft entfaltete.

Sieben Jahre später, in der »Pogromnacht« vom 9. auf den 10. November 1938, verwüsten SA-Männer die Inneneinrichtung, schänden die Torarollen, legen einen Brand, den man wegen der umliegenden Gebäude schnell wieder löscht.

Nach dem Krieg, im Mai 1947, sind es die Überlebenden, die sich zusammen mit hochrangigen Vertretern der amerikanischen Militärregierung, der Bayerischen Staatsregierung und der Stadtverwaltung zum ersten Mal wieder in der wiederhergestellten Synagoge versammeln. Sie hat in ihrem Erscheinungsbild nur bedingt etwas mit der Synagoge von 1931 zu tun, dafür fehlte die Zeit, das Material, das Geld. Dennoch war die Gemeinde, waren die Menschen hier über Jahrzehnte ein bisschen zu Hause.

Christoph Sattler, namhafter Architekt und Vorstandmitglied des Vereins, lässt beim Richtfest neue Bilder vor den Augen entstehen, indem er vor allem die »Lichtführung« in der Meyerstein-Synagoge erläutert. In einem in warmem Licht strahlenden Glaskasten, der neu im Boden eingelassen ist, werden die wichtigsten Stationen in der Chronologie der Reichenbach-Synagoge aufgeführt. Hinter »2024« steht: »Wiederherstellung nach den Plänen von 1931«.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025