Berlin

Generalprobe für Schawuot

Die Fünftklässler bei der Lesenacht in der Synagoge Pestalozzistraße Foto: Uwe Steinert

Wir freuen uns, Arved Ben Ralph auf die Bima zu rufen!» Aufgeregt stehen zwei Fünftklässler des Berliner Moses-Mendelssohn-Gymnasiums auf der Bühne der Synagoge Pestalozzistraße und warten, bis Arved – ein Junge mit schwarzer Kippa – seinen Platz am Pult einnimmt.

Die Elf- und Zwölfjährigen gestalten einen Lesemarathon der besonderen Art: Vier Tage vor Schawuot lesen die Schüler – fast die ganze Klasse – von 20 bis 23 Uhr ausgewählte Stücke aus der Tora, den Fünf Büchern Mose. Angeleitet wird die Kindertoralesung von Rabbiner Jonah Sievers und der Religionslehrerin der sechsten Klasse des Gymnasiums.

Die Veranstaltung ist an den «Tikkun Leil Schawuot» angelehnt, die lange Lesenacht zum Feiertag – und imitiert zugleich die Alija, den Aufruf zur Toralesung während des Gottesdienstes. Zwar besuchen nicht alle Kinder regelmäßig eine Synagoge, doch wirken sie auf der Bima fast so geübt, als würden sie jeden Schabbat zur Tora aufgerufen.

Barmizwa Der zwölfjährige Ruven kennt die Brachot, die Segenssprüche zum Toraaufruf, schon aus seinem Barmizwa-Unterricht. «Baruch haschem hamevorach le-olam va-ed!» Der Schüler mit der blauen Kippa intoniert die Melodie perfekt.

Im Lauf des Abends erhalten fast alle Jungen und Mädchen aus der Klasse eine Probe-Alija. «Ihr habt ja alles unter Kontrolle und macht schon euren eigenen Gottesdienst», freut sich Myriam Halberstam, Gründerin des Ariella Verlags für jüdische Kinderbücher, die den Lesemarathon gemeinsam mit dem Moses-Mendelssohn-Gymnasium und der Synagoge Pestalozzistraße organisiert hat.

In diesen Tagen erscheint im Ariella Verlag der fünfte und letzte Band «Devarim – Worte» der Kindertora Erzähl es Deinen Kindern. Das Projekt wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland unterstützt. Band 1 Bereschit – Am Anfang war im Frühjahr 2014 erschienen und wurde von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur als «Buch des Monats» ausgezeichnet.

Kinderbibel In ihrer Einführung zu Band 5 schreiben die Herausgeber Hanna Liss, Professorin für Bibel und Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, und ihr Mann, der Theologe und Judaist Bruno Landthaler: «Mit dem fünften Buch unserer Torah für Kinder beschließen wir ein Projekt, das auf dem deutschsprachigen Kinderbibelmarkt – sowohl christlichen als auch jüdischen – einmalig ist und viel Resonanz hervorgerufen hat.»

Man habe die Tora «nicht in leicht verdaulichen Häppchen serviert, sondern durchaus auch Brocken vorgesetzt». Wenn Kinder von schwierigen biblischen Stoffen nicht verschont blieben, dann «drücken in erster Linie auch wir Erwachsene uns um die Auseinandersetzung und die Aufgabe der Vermittlung», so Liss und Landthaler.

Den Schülern in der Synagoge Pestalozzistraße ist trotz später Stunde die Freude an der Auseinandersetzung anzumerken. Aus den fünf Bänden der Tora Erzähl es Deinen Kindern lesen sie einzelne Abschnitte – auf Deutsch, aber manche Kinder auch in fließendem Hebräisch. Kurz vor 22 Uhr sind sie bei den Zehn Geboten angekommen, die Mosche laut Tradition an Schawuot am Berg Sinai auf zwei Steintafeln ausgehändigt wurden.

«Schkoyach!», freut sich Ruven über die gelungene Toralesung und steigt zufrieden von der Bima. «Ich hätte nicht gedacht, dass es so cool wird», sagt er kurz darauf. Eine andere Schülerin findet: «Das war wie ein Rollenspiel, es hat wirklich Spaß gemacht, weil wir alle beteiligt waren.»

Nach einem koscheren Imbiss beginnt der zweite Teil der Lesung, bevor die Schülerinnen und Schüler auf zwei verschiedenen Seiten des Kidduschraums der Synagoge übernachten. Für manche ist das vielleicht ein Vorgeschmack auf die lange Lernnacht an Schawuot, die am Samstagabend beginnt.

Erzähl es deinen Kindern – Die Tora in fünf Bänden

Band 1 «Bereschit – Am Anfang»
Band 2 «Schemot – Namen»
Band 3 «Wajikra – Er rief»
Band 4 «Bamidbar – In der Wüste»
Band 5 «Devarim – Worte»

Übertragen von Hanna Liss und Bruno Landthaler. Ariella, Berlin 2014–2016, 128 S., gebunden mit Farbillustrationen, 6–12 Jahre, einzeln lieferbar für 24,80 Euro oder als Gesamtedition für 140 Euro

Meinung

Jesus, Katrin und die Pharisäer

Katrin Göring-Eckardt zeichnet in einem Gastbeitrag ein negatives Bild der Pharisäer zur Zeit von Jesus. Dabei war der selbst einer

von Thomas Wessel  01.05.2025

Konklave

Kommt der nächste Papst aus Jerusalem?

Wer wird der nächste Papst? Die geheimen Treffen im Vatikan lassen die Welt spekulieren. Als heißer Kandidat wird ein Patriarch aus Jerusalem gehandelt

 30.04.2025

Interview

»Der Dialog mit dem Vatikan ist regelrecht eingeschlafen«

Maram Stern über den künftigen Papst und den stockenden jüdisch-christlichen Dialog

von Tobias Kühn  29.04.2025

Halacha

Kann ein Jude die Beerdigung des Papstes besuchen?

Papst Franziskus wird diesen Samstag, an Schabbat, beerdigt. Observante Juden könnte das vor komplizierte Fragen stellen

von Vyacheslav Dobrovych  25.04.2025

Schemini

Offene Türen

Die Tora lehrt, auch Fremde freundlich zu empfangen

von Rabbiner Bryan Weisz  25.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  28.04.2025 Aktualisiert

Chol Hamoed

Nur Mosche kannte die Freiheit

Warum das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten ängstlich war

von Rabbinerin Yael Deusel  17.04.2025

Geschichte

Waren wir wirklich in Ägypten?

Lange stritten Historiker darüber, ob die Erzählung vom Exodus wahr sein könnte. Dann kamen die Archäologen

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025