Interreligiöser Dialog

Gemeinsam beten via Facebook und YouTube

Foto: imago/Science Photo Library

Interreligiöser Dialog

Gemeinsam beten via Facebook und YouTube

Vertreter der Weltreligionen wollen den Menschen in der Corona-Krise Hoffnung geben

von Michael Thaidigsmann  02.04.2020 13:27 Uhr

Normalerweise finden Treffen von Vertretern der Weltreligionen an bekannten Orten oder in Nobelhotels großer Städte statt. Ab und an wird dabei auch gemeinsam gebetet. Eine breite Öffentlichkeit ist zu solchen hochrangigen Begegnungen aber selten zugelassen.

Aber am Mittwoch war das anders. Die Organisation »Religions for Peace« hatte Vertreter der großen Religionsgemeinschaften – Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Bahai und andere – zu einem gemeinsamen, weltumspannenden Gebet eingeladen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen in schweren Zeiten.

videoschalte Dass das Gebet überhaupt stattfand, war der Corona-Krise geschuldet, und die Art und Weise, in der es abgehalten wurde, auch. Per Videoschalte kamen die zwölf Vertreter zusammen; ihre Statements wurden via Facebook, YouTube und andere soziale Netzwerken live in alle Welt übertragen.

Wie gegenwärtig Millionen von Menschen saßen auch die Geistlichen in ihren Homeoffices. Beim Osloer Bischof Gunnar Stålsett war die Webcam verrutscht; während er sprach, waren nur sein roter Talar und die Stuhllehne im Bild. Dominique Rankin, Oberhaupt des Stammes der Algonquin-Ureinwohner in Kanada, war extra früh aufgestanden, um einen langen Fußmarsch zu seinem Auto zu unternehmen, von dem aus er sich einwählte.

Reihum sprach jeder der Teilnehmer ein kurzes Gebet oder teilte den Zuhörern persönliche Gedanken zur Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen mit.

Reihum sprach jeder der Teilnehmer ein kurzes Gebet oder teilte den Zuhörern persönliche Gedanken zur Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen mit.

VERTRAUEN Rabbiner David Rosen nahm von Jerusalem aus an dem Gebet teil. Mit einem Talkt auf den Schultern trug der Direktor für den Interreligiösen Dialog des American Jewish Committee ein Selicha-Gebet vor und sprach den Psalm 23 (»Der Herr ist mein Hirte«) auf Hebräisch und Englisch, in dem es um Gottvertrauen geht.

»Wir sind alle miteinander verbunden, und wir haben alle Einfluss auf einander. Wir sind alle verletzlich und brauchen einander. Mögen die Bedrohung durch diese Pandemie und andere Bedrohungen bald abgewendet werden«, sagte Rosen.

Kardinal John Onaiyekan, emeritierter Erzbischof von Abuja, war aus Nigeria zugeschaltet. »Wir erleben hier gerade erst den Anfang der Corona-Krise, und wir sind schon jetzt davon überwältigt«, sagte er.

Wenn schon die reicheren Länder nicht wüssten, wie sie dem Problem Herr werden sollen, wie solle das in Afrika möglich sein, fragte der katholische Geistliche. »In unserem Teil der Welt haben wir fast nichts, um diesem Virus zu begegnen. Unser Gesundheitswesen ist sehr schlecht oder existiert gar nicht. ‚Waschen Sie regelmäßig ihre Hände‘, sagt man uns. Aber was, wenn man gar kein Wasser hat? ‚Halten Sie Abstand zu anderen‘, heißt es, aber viele Menschen leben in einem einzigen Raum zusammen.«

VERTRAUEN Die gute Nachricht sei aber, so der Kardinal, dass die Menschen trotzdem nicht aufgäben, weil sie Vertrauen in Gott hätten. In dieser Krise säße »die gesamte Menschheit« in einem Boot. Ein Gebet sei aber bedeutungslos, wenn man nicht gleichzeitig bereit sei, Buße zu tun, und sich barmherzig gegenüber jenen zeige, die Hilfe benötigten, sagte Onaiyekan.

Der Großmufti von Uganda, Scheich Shaban Ramadhan Mubaje, stieß ins gleiche Horn. »Wir müssen jetzt zusammenstehen und Gutes tun für die, die in Not sind«, sagte Mubaje – und forderte die Einhaltung der von Regierungen und Gesundheitsexperten verfügten Richtlinien.

 

 

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Konzil

»Eine besondere Beziehung«

»Nostra Aetate« sollte vor 60 Jahren die Fenster der katholischen Kirche weit öffnen – doch manche blieben im christlich-jüdischen Dialog verschlossen. Ein Rabbiner zieht Bilanz

von David Fox Sandmel  21.11.2025

Toldot

An Prüfungen wachsen

Warum unsere biblischen Ureltern Hungersnöte und andere Herausforderungen erleben mussten

von Vyacheslav Dobrovych  20.11.2025

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025