Simchat Tora

Freude über die Lehre

Simchat Tora in der Synagoge in der Berliner Pestalozzistraße Foto: Margrit Schmidt


Nach den jüngsten Feiertagen kann das Gefühl entstehen, jetzt keine Energie mehr für das Feiern zu haben. Doch dann kommen Schemini Azeret und Simchat Tora, und plötzlich spürt man neue Kraft, tanzt, singt und freut sich, als wäre nichts gewesen.

Im Mittelpunkt von Simchat Tora steht der Abschluss des alljährlichen Zyklus für das Vorlesen der Tora. An diesem Tag lesen wir den Wochenabschnitt der Tora, »Wesot HaBracha«, und beginnen gleich danach mit den ersten Versen des ersten Wochenabschnitts Bereschit.

Gefühle Warum wird dieses Fest ausgerechnet jetzt gefeiert und nicht zum Beispiel an Schawuot, wenn wir die Übergabe der Tora am Berg Sinai feiern? Es gibt mehrere Antworten auf diese Frage. Die wichtigste ist: Nach Rosch Haschana, Jom Kippur und Sukkot, einer Achterbahn der Gefühle, erleben wir jetzt die Wichtigkeit der Tora und können sie aufrichtig feiern.

Es gibt Bräuche, die nur in bestimmten Gemeinden üblich sind, und Bräuche, die überall in der Welt praktiziert werden. So beginnt man in allen Synagogen mit dem Feiern schon am Vorabend des Festes. Oft werden wichtige »Kibudim« (Ehrenaufgaben beim Toralesen) schon zu diesem Zeitpunkt versteigert. Da man am Jom Tow kein Geld in die Hand nehmen darf, wird das Geld des Höchstbietenden erst nach dem Feiertag an den Gabbai überreicht. Es wird für die Instandhaltung der Synagoge und den Erwerb von Büchern und anderen nötigen Gegenständen verwendet.

Es gibt Bräuche, die nur in bestimmten Gemeinden üblich sind, und Bräuche, die überall in der Welt praktiziert werden.

Nachdem alle Kibudim verteilt wurden, beginnt man mit dem Feiern. Man nimmt alle vorhandenen Torarollen aus dem Schrank und tanzt damit. In vielen Gemeinden bekommen zuerst die Rabbiner und die Parnasim, angesehene Vorsteher der Gemeinde, die Torarollen. Danach dürfen alle mit der Tora tanzen, auch Kinder.

Man geht mit den Sifrej Tora sieben Runden um die Bima, dabei wird viel gesungen. Die Kinder bekommen fast bei jeder Runde Bonbons und andere Süßigkeiten. An manchen Orten werden Bonbons geworfen, und die Kinder rennen fröhlich umher, um die Bonbons zu sammeln. In anderen Gemeinden hingegen wird darum gebeten, die Bonbons nicht zu werfen, sondern sie unter den Kindern zu verteilen, damit niemand umgerannt oder verletzt wird.

Nachdem alle Runden gedreht und alle Verse aus den Gebetbüchern gesungen sind, werden alle Torarollen außer einer in den Schrank zurückgebracht. Eine Sefer Tora wird auf die Bima gebracht, und drei Beter werden aufgerufen, den Anfang des letzten Wochenabschnitts vorzulesen. Danach wird diese Torarolle würdevoll zurückgelegt.

Kigel Das Hauptfeiern findet beim Morgengebet statt. In den meisten Gemeinden gibt es nach dem Hauptgebet einen Kiddusch. Dabei werden nicht nur Wein und Cracker serviert, sondern auch Sättigendes, manchmal sogar Tscholent und Kigel, damit man bei dem vielen Tanzen nicht hungrig wird.

Zu diesem Zeitpunkt kommen auch Frauen mit Kindern in die Synagoge. Danach beginnt der Hauptteil des Feierns. Es werden wieder alle Torarollen herausgenommen. Auch diesmal bekommt jeder die Chance, mit einer Torarolle zu tanzen. Und auch diesmal werden sieben Runden um die Bima vollzogen, und es werden ausgewählte Verse aus dem Tanach gesagt. Und natürlich werden auch bei den Feiern am Morgen die Kinder nicht vergessen: Die Beter bringen Bonbons mit, die beim Umrunden verteilt werden.

Nachdem die Männer und die Kinder ausgiebig getanzt und gesungen haben, wird aus der Tora gelesen. Dafür werden alle Sifrej Tora zurückgebracht, und danach werden feierlich drei Torarollen herausgenommen. Aus der ersten Torarolle wird der letzte Wochenabschnitt zu Ende gelesen. Dabei werden nach und nach alle Männer zur Tora aufgerufen, sodass auch diejenigen, die sehr selten eine Alija, einen Aufruf zur Tora, bekommen, nicht vergessen werden. In manchen Synagogen bekommen aufgerufene Männer nach dem Vorlesen ihres Abschnitts ein kleines »LeChaim«, ein Gläschen Wodka oder Whisky.

Nachdem fast alle Männer aufgerufen worden sind, wird ein Beter mit allen Kindern aufgerufen, die noch keine Bar- oder Batmizwa hatten. Auch Säuglinge sind dabei, sie werden von ihren Vätern oder älteren Geschwistern auf den Armen getragen.

Diese Alija heißt »Kol Haneurim« (ganze Jugend) und ist eine »Segula« (besonders günstige Handlung) für den Beter, der aufgerufen wird. Man sagt, dass diese Alija derjenige bekommen sollte, der schon lange auf Nachwuchs wartet. In vielen Synagogen bezahlt derjenige, der Kol Haneurim bekommen hat, Päcklach mit Süßigkeiten, die nach dieser Alija an alle Kinder verteilt werden.

Bräutigam Der Beter, der die Tora beendet, heißt Chatan Tora, Bräutigam der Tora, und derjenige, der für den Neubeginn der Tora aufgerufen wird, heißt Chatan Bereschit, Bräutigam des Anfangs. Für beide wird eine »Reschut« (Einladung) der Gabbaim vorgelesen. Es gibt verschiedene Bräuche, wer von den Betern diese seltenen und ehrwürdigen Alijot bekommt. In manchen Synagogen bestimmt es der Vorstand, in anderen werden diese Alijot versteigert, und manchmal werden sie einfach an die Ältesten vergeben. In vielen Gemeinden spenden Chatan Tora und Chatan Bereschit die ersten beiden Kidduschim nach den Feiertagen, in manchen Gemeinden schenken sie allen anwesenden Betern Bücher.

Danach klingen die Feierlichkeiten langsam ab. Nachdem die letzten Gebete des Feiertags gesprochen wurden, gehen die Beter und ihre Familien nach Hause, wo auf sie eine festliche Mahlzeit wartet. Der spirituelle Hunger aber sollte nun gestillt sein, damit die erworbene Energie bis Chanukka reicht.

Der Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

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