Unter dem Titel »Autonomie und Gesetz: Zum Verhältnis von Staat und Religion – die jüdische Gemeinschaft in Deutschland« hat am Mittwochnachmittag in Berlin eine Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden begonnen.
Zentralratspräsident Josef Schuster sagte zur Eröffnung, wie vielfältig heute die Fragen zum Verhältnis von Staat und Religion seien, zeige ein Blick in das Programm, das sich unter anderem dem Anspruch auf einen jüdischen Religionsunterricht, über das Tragen einer Kippa bis hin zur Arbeitsbefreiung an jüdischen Feiertagen widme.
themen Die Tagung konzentriert sich thematisch auf Deutschland. Schuster betonte aber: »Wenn in unserem Nachbarland Frankreich eine Kandidatin in der Stichwahl um das höchste Staatsamt ein Ergebnis von fast 42 Prozent erzielen kann, mit einem Programm, welches das Tragen von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum verbieten will«, dann zeige dies auch, »wie fragil ein vermeintlich selbstverständlich geglaubter gesellschaftlicher Konsens zur Religionsfreiheit sein kann«.
Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann sprach vom Judentum metaphorisch als einem »großen Haus« mit einer Hausordnung, die nicht immer im Einklang mit den Regeln der Außenwelt stehe. »Was macht ein observanter Jude, wenn er seine Kippa nur zu Hause tragen darf? Was macht eine Jüdin, die an einem Tag mit Schreibverbot ein Staatsexamen schreiben muss?«, fragte er.
Eine Kippa sei aber kein Modeaccessoire, und das religiöse Schreibverbot entspringe keiner Laune, betonte Botmann. Die Autonomie der Religionsgemeinschaften sei im Sinne des aufgeklärten Zusammenlebens eine absolute Notwendigkeit, doch sie trage auch »den Charakter eines immerwährenden Spannungsverhältnisses«.
zeitgeist Der Direktor der Bildungsabteilung, Doron Kiesel, sagte, Religionsfreiheit sei ein »individuelles und kollektives Recht, das durch Anfechtungen der Mehrheitsgesellschaft nicht eingeschränkt werden darf«, da es ansonsten immer wieder verändert und entsprechend dem Zeitgeist modifiziert werden könne.
Den Eröffnungsvortrag hielt Gerhard Robbers, Professor für Öffentliches Recht, Kirchenrecht, Staatsphilosophie und Verfassungsgeschichte an der Universität Trier und ehemaliger Justizminister von Rheinland-Pfalz. Die Konferenz mit zahlreichen Experten soll bis Freitag einen Überblick über den aktuellen Status jüdischer Religionsgemeinschaften im staatlichen Recht sowie über Inhalte und Grenzen der Religionsfreiheit des Einzelnen geben und damit verdeutlichen, was das Gesetz derzeit gewährt. ag
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